COPA und COGECA zeigen sich über die "unbegrenzten Lieferungen" besorgt.

Die beiden Länder reagieren mit einem Einfuhrverbot auf die steigenden Lieferungen von Agrarprodukten aus der Ukraine. In der EU-Kommission sieht man diese Entscheidung kritisch. Andere Länder könnten folgen.

Weil seit Kriegsbeginn vor allem für Getreideexporte aus der Ukraine der Weg per Schiff über das Schwarze Meer erschwert möglich ist, werden Weizen, Mais, Ölsaaten und viele andere landwirtschaftlichen Erzeugnisse mittlerweile per Bahn oder LKW über von der EU genehmigte Korridore in alle Welt verbracht. Theoretisch. Denn immer öfter verbleiben Agrargüter in den Nachbarländern wie Polen und Ungarn, auch in Rumänien und Bulgarien und sorgen dort für volle Silos und deutlichen Druck auf die Preise.

Polens neuer Agrarminister Robert Telus – sein Vorgänger war angesichts massiver Bauernproteste gegen die Ukraine-Agrarimporte zurückgetreten – sprach am Samstag von einem „Schutzschild für die polnische Landwirtschaft“. Bei einem anschließenden virtuellen Treffen erörterte er mit seinen Amtskollegen aus den anderen fünf Grenzländern – Bulgarien, Tschechien, Rumänien, Slowakei und Ungarn – die Problematik. Alle Ressortchefs waren sich einig, dass die Kosten für die Unterstützung der Ukraine von ganz Europa getragen werden müssten.

Die Minister der sechs genannten EU-Anrainerstaaten zur Ukraine kamen überein, als jene Länder, die am stärksten von den gestiegenen Einfuhren aus der Ukraine betroffen sind, eng zusammenzuarbeiten. Die Minister appellierten laut Agra-Europe an die EU‑Kommission, schnellstens „Maßnahmen zu ergreifen, um die Märkte zu stabilisieren“ und eine dramatische Situation für die betroffenen Landwirte zu verhindern. Briefe mit gemeinsamen Forderungen und Vorschlägen an die EU-Kommissare für Landwirtschaft und Handel sollen folgen. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Länder eine solches Verbot verhängen.

In Brüssel stößt dieses Vorgehen indes auf Kritik. Einseitige Handelsmaßnahmen der Mitgliedstaaten seien inakzeptabel, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission am Sonntag. Dieser betonte, dass „die Handelspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt und daher einseitige Maßnahmen nicht akzeptabel sind.“ Gerade in herausfordernden Zeiten sei es wichtig, Entscheidungen innerhalb der EU zu koordinieren.

Der ukrainische Agrarminister Mykola Solskyj bedauerte den Importstopp. Er wies darauf hin, dass die Entscheidung der polnischen Seite im Widerspruch zu den geltenden Vereinbarungen stehe. Solskyi soll Telus bei einem ersten Austausch Anfang April zugesagt haben, dass vier Kulturen – Weizen, Mais, Sonnenblumenkerne und Raps – bis zum 1. Juli nur noch im Transit durch Polen transportiert werden und nicht mehr dort verbleiben dürfen. In Kiew will man nun in den kommenden Tagen mit der polnischen Seite eine neue Vereinbarung treffen, um die beiderseitigen Interessen „angemessen zu regeln“.

Dabei wird die Ukraine heuer möglicherweise ohnehin keinen Brotweizen exportieren können. Diese Befürchtung äußert der Agrarunternehmer Alex Lissitsa vom „Ukrainian Agribusiness Club“ gegenüber dem Agrarpressedienst Agra-Europe. Seinen Angaben zufolge fehle es den Betrieben derzeit an Liquidität, um ausreichend Dünger oder auch Pflanzenschutzmittel zu kaufen. So werde der Anteil an Brotweizen im Vergleich zu normalen Jahren erheblich sinken. Es sei nicht auszuschließen, dass bis zu 70 Prozent der Erntemenge auf Futterweizen entfallen werde. Da sich viele Betriebe verpflichtet hätten, eine bestimmte Menge an Brotweizen der eigenen lokalen Verwaltung zur Verfügung zu stellen, werde für den Export kaum noch Ware vorhanden sein, so Lissitsa.

Drastisch sinken werde ebenfalls die Ausfuhr von Mais. Lissitsa rechnet mit einer Exportmenge von maximal 11 Millionen Tonnen im Vergleich zu 35 Millionen in normalen Jahren. Bei Sonnenblumenöl erwarte man dagegen eine Rekordernte.

Das unter Vermittlung der UNO erwirkte Getreideabkommen schaffe indes keine Stabilität. Lissitsa wirft Russland anhaltende Schikanen vor, um die Ausfuhr ukrainischer Ware zu torpedieren. Und nach dem Diebstahl von 10 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine setze Moskau alles daran, zunächst dieses und sein eigenes Getreide auf den Markt zu bringen.

Laut Lissitsa würden in der Ukraine landesweit rund 2 Millionen Hektar Agrarland aus Kriegsgründen nicht mehr bewirtschaftet werden. Diese Flächen seien vermint oder mit Raketen oder Granaten übersät. Landwirtschaftliche Betriebe würden immer wieder zum Ziel russischer Angriffe, weil die Branche von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Ukraine sei und normalerweise gut zwei Drittel der Exporteinnahmen sorge.

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  • Getreide: HENADZY-Stock-adobe.com
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AUTORBernhard Weber
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