Pflanzenschutz – billig gekauft, teuer bezahlt?

Noch bei den Wintervorträgen hat die Pflanzenschutzindus- trie zum Teil drastische Preissenkungen angekündigt. Eine Auswertung der Preislisten ergab ein moderates Preisplus. Wichtig ist der Beratungsservice vor dem Mittelkauf.

Monitoring für Rapsschädlinge auf www.warndienst.at. An den einzelnen Beobachtungsstationen werden laufend die Zuflugs- und Befallsdaten erhoben und eingepflegt. Foto: www.warndienst.at

“Preisabsenkung im zweistelligen Bereich!“ – wer die Gelegenheit nutzte, in den Monaten Jänner und Februar eine der zahlreichen Wintervorträge zu besuchen, hatte das Vergnügen, von den Repräsentanten der chemischen Industrie auf bevorstehende Preissenkungen bei Pflanzenschutzmitteln hingewiesen zu werden. Starke Sprüche wurden geklopft, wie beispielsweise: „Der Hektarpreis dieses Maispacks wird um zehn Euro unter dem des Marktführers liegen.“ Als geneigter Zuhörer war man versucht, zu glauben, dass 2017 ein starker Preisrutsch nach unten kommen wird.
Wer die Branche kennt, weiß allerdings, dass die ersten Preislisten frühestens Ende Februar beim Großhandel und in weiterer Folge beim Handel eintreffen. Erst dann hat man schwarz auf weiß am Papier, was die getätigten Aussagen wirklich wert sind.
EU-Preisharmonisierung – Forderung bleibt aktuell
In den letzten zwei Jahren hat der österreichische Handel fast gebetsmühlenartig immer wieder auf eine notwendige Preisharmonisierung im EU-Raum hingewiesen. Es ist schwer bis gar nicht nachvollziehbar, warum ein bestimmtes Herbizid in Italien um 40 Prozent billiger als in Österreich angeboten werden konnte. Traurige Berühmtheit erlangte ein Getreidefungizid, welches in Österreich im Vergleich zu einem östlichen EU-Mitgliedsland um über 20 Prozent teurer verkauft wurde. Diese Beispiele ließen sich noch fortsetzen. Die Begründungen für solche Differenzen waren mannigfaltig: Größerer Absatzmarkt im betreffenden Vergleichsland, Abverkauf von Lagerbeständen, Währungsdifferenzen usw.
Parallelregistrierung und Generika als Ausweg?
Mit Recht fragen Landwirte oft: „Wo bleibt der freie Warenverkehr innerhalb der EU?“ Ganz so einfach ist es leider nicht. Im Pflanzenschutzmittel- Bereich besteht die Möglichkeit, idente Produkte im Zuge einer Parallelregistrierung in Österreich zuzulassen. „Ident“ heißt dabei aber wirklich ident, also Wirkstoffgehalt, Formulierung usw. müssen eins zu eins dem Referenzprodukt (dem am österreichischen Markt angebotenen Pflanzenschutzmittel) entsprechen. Der behördliche Akt, der Import, die ordnungsgemäße Kennzeichnung – dies alles kostet Geld. Somit kann ein Preisvorteil von wenigen Prozenten schnell durch die entstehenden Kosten aufgezehrt werden.
„Generische Produkte einsetzen, das ist die Lösung“, meinte unlängst ein Standeskollege. Auch solche Pflanzenschutzmittel sind am heimischen Markt anzutreffen. Ein erfahrener Anwender meinte allerdings dazu, dass man sehr genau in der Materie bewandert sein müsse, denn oft seien die Formulierung und damit auch die Verträglichkeit der generischen Produkte nicht so gut wie beim Original. Besonders bei Mehrfachmischungen wurde das in der Praxis festgestellt.
Nüchtern betrachtet stellt man sehr schnell fest, dass es ja nicht der Preis per Liter oder Kilogramm eines Pflanzenschutzmittels alleine ist. Der Preis soll die Forschungs- und Entwicklungskosten des Wirkstoffs, das Formulierungs-Know-how, das Versuchswesen, die Marketingkosten usw. abdecken. Als Anwender muss auch das Servicepaket rund um ein Produkt im Vordergrund stehen, sprich: Wer bearbeitet eine allfällige Reklamation? Wie fundiert ist die Beratung?
Zuerst informieren, dann kaufen
Im Pflanzenschutz gilt, dass es beim „kostengünstigen“ Mittelkauf neben dem Preis auch auf das „Gewusst wie“ ankommt. Deshalb schreiben sich z. B. die Lagerhäuser den Leitsatz „Erst beraten, dann verkaufen“ auf die Fahnen.
Dazu ein Beispiel aus dem Vorjahr: Eine als sehr gesund eingestufte Weizensorte fand breiten Eingang in die Praxis. Sie wurde als sehr widerstandsfähig gegen den Gelbrost beschrieben. Beratungsaktive Wiederverkäufer erkannten 2016 recht schnell, dass bei dieser Sorte das Augenmerk auf die Blattseptoria gelegt werden muss. Daher wurden speziell gegen diese Krankheit gut wirkende Fungizide zum optimalen Zeitpunkt empfohlen. Der Erfolg zeigte sich bei den Anwendern in einer Ertragssicherung von 1000 kg/ha Weizen und mehr. Der Hektarpreis des jeweiligen Fungizids trat da recht schnell in den Hintergrund. Die fundierte Beratung machte sich schnell bezahlt.
www.warndienst.at und Lagerhaus-Spritzpläne
Apropos „richtiger Einsatzzeitpunk“: In Österreich haben die Pflanzenschutzmittelanwender den großen Vorteil, dass es ein sehr gut funktionierendes Warnsystem gibt. Unter www.warndienst.at kann z. B. das Schädlingsauftreten im Raps, die Entwicklung einzelner Getreidekrankheiten, das Auftreten der Krautfäule in Kartoffeln, die Entwicklungskurve des  Traubenwicklers, der Kirschessigfliege oder der Amerikanischen Rebzikade beobachtet werden. Für die richtige Interpretation und Übersetzung dieser Warnmeldungen für den einzelnen Betrieb bedarf es wiederum gut ausgebildeter Berater. Auch das kostet Geld. Ganz zu schweigen von den Beratungsunterlagen, wie z. B. den Lagerhaus-Spritzplänen, – jeder will sie haben, aber kaum einer möchte dafür extra bezahlen.
Verkaufspreise stiegen im Mittel um etwa ein Prozent
Zurück zu den Preisen. Eine genaue Analyse der verschiedenen Preislisten für das Jahr 2017 ergab bei der Berücksichtigung aller in Österreich am Markt zur Verfügung stehenden Produkte eine moderate Preiserhöhung von rund einem Prozent. Bei den Getreideherbiziden stechen einige stark preisabgesenkte Mittel heraus. Relativ ausgewogen ist die Situation bei den Getreidefungiziden – einige ältere Produkte wurden spürbar abgesenkt, modernere Fungizidlösungen sind eher gleich geblieben bis leicht angestiegen. Die Maisherbizide wiederum finden sich fast alle in den unterschiedlichsten Kombipacks wieder. Hier gilt es, genau zu schauen, welche Lösung für den einzelnen Betrieb die wirtschaftlichste ist. Das Preisniveau ist hier gleich bis leicht steigend einzustufen.
Als Fazit bleibt, dass 2017 das erste Jahr ist, in dem die Pflanzenschutz­industrie die Preise im Schnitt nur gering angehoben hat. Weiters ist ein Bemühen um eine Preisharmonisierung festzustellen – von manchen Firmen stärker, von anderen weniger stark. Der Handel kämpft schon seit Jahren mit unbefriedigenden Margen im Betriebsmittelbereich, der Pflanzenschutzmittelbereich ist hier keine Ausnahme.
Aus Sicht des Landwirtes und Anwenders ist letztlich das Preis-Leistungspaket entscheidend – Beratung und Unterlagen, Feldbegehungen, Betreuung vor Ort und allfällige Reklamationsabwicklung – bei einem Preisvergleich ist immer auch das Serviceumfeld zu berücksichtigen.

Horst Kirchmayr, RWA AG, Pflanzenschutz

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