NTÖ: Am Punkt-Netzwerktreffen für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung

Zukünftig sollen die Konsumentinnen und Konsumenten in Gasthäusern, Imbissen, Kantinen, Großküchen, Einkaufszentren und von Lieferservices Transparenz über die angebotenen Lebensmittel erhalten. FOTO:ercan senkaya-adobe.stock.com

Der Verein Nachhaltige Tierhaltung Österreich (NTÖ) mit den Dachverbänden der Rinder (ZAR, ARGE Rind), Schweine (VÖS), Schafe, Ziegen (ÖBSZ), Geflügel (ZAG) und Pferde (ZAP) spricht sich seit Jahren für eine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung aus. So sollen zukünftig die Konsumentinnen und Konsumenten in Gasthäusern, Imbissen, Kantinen, Großküchen, Einkaufszentren und von Lieferservices Transparenz über die angebotenen Lebensmittel erhalten. Im österreichischen Regierungsprogramm 2020 bis 2024 ist eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung und in verarbeiteten Lebensmitteln ab 2021 verankert.

Die heimischen kleinstrukturierten bäuerlichen Familienbetriebe erzeugen tagtäglich qualitativ hochwertige Lebensmittel für die Gesellschaft unter Einhaltung höchster Tierwohl-, Umwelt- und Produktionsstandards. Die AMA-Gütesiegel- und Qualitätsprogramme für Milch, Fleisch und Eier garantieren lückenlos nachvollziehbare Lebensmittel. Der NTÖ möchte hier darauf hinweisen, dass die heimische Ware von unseren Rinder-, Schweine-, Schaf-, Ziegen-, Geflügel- und Pferdebauern jederzeit für die Gemeinschaftsverpflegung abrufbar und lieferbar ist, dies hat die hervorragende Versorgungssicherheit mit regionalen Lebensmitteln gerade in Zeiten von Corona gezeigt.

Für die Umsetzung einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung bedarf es der Abstimmung mit allen am Prozess beteiligten Stakeholdern. Beim “Am Punkt-Netzwerktreffen Herkunftskennzeichnung” des NTÖ am 10. November 2020 wurden alle diese Stakeholder eingeladen. Dabei standen die Konsensfindung, die Definition der konkreten ersten Schritte sowie die Auslotung der Möglichkeiten und Grenzen im Mittelpunkt.

Dachverband der österreichischen Gemeinschaftsverpfleger schlägt Modell vor

Die Mitglieder der Gemeinschaftsverpfleger (GV)-Austria setzen bereits seit Jahrzehnten regionale Produkte ein und haben höchstes Interesse, diese Regionalität weiterhin zu fördern. Eine repräsentative Auswertung von Branchendaten innerhalb der Mitgliedsunternehmen, welche die führenden Gemeinschaftsverpfleger verkörpern und täglich mehr als 500.000 Tischgäste versorgen, hat ergeben, dass in den österreichischen Großküchen rund 75% der gesamten Frischwaren (Fleisch, Geflügel, Eier, Milch, Butter, Obst und Gemüse) aus heimischer Produktion stammen.
Die GV-Austria hat einen Vorschlag nach dem Muster der Bio-Zertifizierung ausgearbeitet, nach dem der Anteil der heimischen Lebensmittel gekennzeichnet werden soll. Um dieses Konzept flächendeckend umzusetzen, wäre jedoch die lückenlose Sicherstellung des Nachweises in der Lieferkette erforderlich, und dieser muss in elektronischer Form erfolgen. Die GV-Austria ist durchaus bereit, an der Erstellung eines praxistauglichen Zertifizierungssystems mitzuwirken. Zusätzlich ist ein Schulterschluss zwischen produzierenden Betrieben und Abnehmern in Bezug auf Verpackung, Kalibrierung, Nachweisen, Logistik etc. nötig.

Nicht wesentlich erscheint die Tatsache, dass die Anhebung des Regionalanteils von 75 auf 100% eine Erhöhung des Verkaufspreises von zirka 20 bis 25% bedeuten würde. Das ist deshalb so wichtig, weil rund 60% der Gemeinschaftsverpfleger private Betreiber sind, die überwiegend zu vertraglich festgelegten Preisen agieren. Zu klären ist somit zusammenfassend die Frage, wer diesen Preisunterschied trägt. Eine Veränderung des Verkaufspreises ist letztendlich eine soziale Frage, da dies unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Betrieben und Ministerien, Kindergärten und Schulen, Essen auf Rädern etc. betreffen würde. Besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen ernähren sich oftmals überwiegend aus Küchen der Gemeinschaftsverpflegung, wodurch diese zu einer systemrelevanten Branche wird. Um die Dienstleistungen der Gemeinschaftsverpfleger auch weiterhin sozialverträglich anbieten zu können, wäre durchaus auch eine öffentliche Stützung des Endpreises zu empfehlen.

Moosbrugger: Herkunftskennzeichnung für mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze

“Gerade in der Krise wird die hohe Bedeutung regionaler Herkunft bei Lebensmitteln spürbar. Die Menschen wollen bewusst zu heimischen Produkten greifen, weil sie wissen, dass sie damit auch Arbeitsplätze, Wertschöpfung und eine lebendige Landwirtschaft sichern können. Doch damit sie diese Entscheidung auch jeden Tag treffen können, brauchen wir in der Gemeinschaftsverpflegung, in deren Einrichtungen täglich 2,5 Millionen Menschen essen, eine klare Herkunftskennzeichnung, weil erst Transparenz volle Wahlfreiheit ermöglicht. Aus diesem Grund hat die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich 2016 die Initiative ‘Gut zu wissen’ ins Leben gerufen, um eine transparente Herkunftskennzeichnung von Fleisch und Eiern auf freiwilliger Basis anzubieten. Mittlerweile nehmen schon mehr als 70 namhafte Betriebe aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie beispielsweise das Catering in den Speisewägen der ÖBB oder Kantinen im ORF, in Bundesministerien, Schulen, Pensionistenheimen oder Spitälern, daran teil. Auf diese Weise wird derzeit bei jährlich über 14 Millionen Essensportionen die Herkunft der Ei- und Fleischspeisen lückenlos und klar ersichtlich gekennzeichnet. Die Kontrolle wird gemeinsam mit der AMA abgewickelt”, erklärte LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger.

Neben dem Dachverband der österreichischen Gemeinschaftsverpfleger nahmen Vertreter der Bundesbeschaffung BBG, des Gesundheitsministeriums, der NÖ Landesgesundheitsagentur, des Landwirtschaftsministeriums und des Verkehrsministeriums teil. Dabei wurden konstruktive Vorschläge und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Herkunftskennzeichnung erarbeitet.

Die tierhaltende Landwirtschaft hofft nun auf eine Umsetzung in Österreich, für die das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zuständig ist, nach dem Schweizer Modell. So haben die Konsumentinnen und Konsumenten im ersten Schritt über die Speisekarte oder Anschlagtafel beim Kauf oder Verzehr Transparenz über die Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier. Der Griff zu heimischen Produkten sichert nachhaltig die Zukunft unserer kleinen tierhaltenden Familienbetriebe sowie Arbeitsplätze entlang der ganzen Wertschöpfungskette vom Erzeuger über den Verarbeiter bis zum Verkäufer und den Beschäftigten in den vor- und nachgelagerten Dienstleistungssektoren.

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