Nach der für die konservative CDU/CSU verlorenen Bundestagswahl deutet einiges auf eine künftig rot-gelb-grüne Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen hin. Selbst ein nach 2001–2005 demnächst wieder von den Grünen geführtes Bundes-Landwirtschaftsministerium ist nicht ausgeschlossen.
In Deutschland hat SPD-Vizekanzler Olaf Scholz die Wahl knapp vor Armin Laschet gewonnen, dessen Unionsparteien CDU/CSU haben kräftig verloren. Zulegen konnten auch Grüne und Liberale, vor allem bei den jungen Wählern. Die künftige Regierungsbildung ist zwar offen, nur ein bei den Landwirten besonders gefürchtetes Links-Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei ist mangels nötiger Mehrheit bereits vom Tisch. Die Sozialdemokraten mit Scholz holten am Sonntag 25,7 % der Stimmen, CDU/CSU kamen am Ende auf 24,1 %. Die Grünen gingen mit 14,8 %, die FDP mit 11,5 % durchs Ziel.
Beobachter erwarten indes langwierige Verhandlungen, wer Kanzlerin Angela Merkel mit welcher Koalitionsregierung folgen wird. Bereits zu Wochenbeginn kristallisierte sich heraus, dass CDU-Chef Laschet wegen des historisch schlechten Wahlergebnisses der Unionsparteien besonders schlechte Karten hat, am Ende Kanzlerin Merkel zu beerben. Eine mögliches „Jamaika“-Parteienbündnis (Schwarz-Gelb-Grün) von CDU/CSU, Liberalen und Grünen galt bereits in ersten Umfragen als wenig beliebt, für Laschet als künftigem Bundeskanzler kann sich nur eine Minderheit der Deutschen begeistern. Auch in der K-Frage hat Olaf Scholz eindeutig die Nase vorne, hat nun aber zwei gestärkte und damit selbstbewusste Parteiführer – Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grüne) als „Kanzlermacher“ als Gegenüber.
CDU und CSU haben allerorts, auch bei den Bauern, massiv Stimmen eingebüßt und erhielten laut Forschungsgruppe Wahlen von dieser Berufsgruppe nur noch 45 Prozent Zustimmung. 2017 stimmten noch fast zwei von drei Landwirten (61 %) für sie, 2013 noch beinahe drei von vier (74 %). Diesmal verloren die Konservativen nicht wenige Bauernstimmen an Rot. Das musste sogar Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zur Kenntnis nehmen. Sie verlor ihr Direktmandat in ihrem Heimatwahlkreis Bad Kreuznach an den SPD-Herausforderer Joe Weingarten. Klöckner steht allerdings auf Platz 1 der CDU-Landesliste in Rheinland-Pfalz, behält also dennoch ein Bundestagsmandat, hat aber schon ihren Rückzug als rheinland-pfälzische CDU-Landesvorsitzende erklärt.
Dass Klöckner Landwirtschaftsministerin bleibt, gilt unter Beobachtern als ziemlich ausgeschlossen. Auf Jamaika hoffen zwar sowohl CDU und CSU, und sie dürften auch zu mehr Zugeständnissen bereit sein als die SPD, den Grünen dürfte es aber wohl sehr schwer fallen, sich sowohl mit Gelb als auch Schwarz (bzw. bayerische CSU weiß-blau) einzulassen. Aber auch das ist noch möglich. So schreibt etwa Simon Michel-Berger, Chefredakteur von agrarheute: „Wenn die Grünen erst lange mit der FDP sondieren, steigen die Chancen für die SPD. Die Sozialdemokraten haben es mit den Liberalen schwer, doch wenn sich die Grünen und die Gelben zusammenraufen, ist der größte Konflikt schon aus dem Weg. Falls sich die Grünen aber auf den Tanz mit der Union einlassen, dürfte die FDP nicht mehr das größte Problem sein.“
Nicht auszuschließen ist, dass nach 16 Jahren von der Union gestellten Ministern im Berliner Landwirtschaftsministerium in der Wilhelmstraße schon bald wieder eine Ministerin oder ein Minister der Grünen einziehen wird. Einen Mann mit einschlägiger Erfahrung hätten sie mit Robert Habeck. Von 2012 bis 2018 amtierte er bereits in Schleswig Holstein als stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur, ab 2017 auch für Digitalisierung. Anders als einst Renate Künast wird Habeck dem „Realo“-Flügel der Partei zugeordnet.
Im Deutschen Bauernverband fordert man jedenfalls eine zügige Regierungsbildung ein. Präsident Joachim Rukwied sagt: „Wir Landwirte brauchen politische Klarheit“, gemünzt etwa auf die Umsetzung der EU-Agrarpolitik, Klimamaßnahmen oder mehr Tierwohl. Oberstes Ziel müsse es dabei sein, „einen Strukturbruch zu verhindern und sicherzustellen, dass landwirtschaftliche Betriebe Perspektiven haben und mehr Wertschätzung erfahren“, so Rukwied.
Bernhard Weber
Julia Klöckners Bilanz: „Dicke Bretter gebohrt“
Wenige Tage vor der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag hat Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine positive Bilanz ihrer bislang rund dreieinhalbjährigen Amtszeit gezogen.
Den von ihr angestoßenen Umbau der deutschen Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl sah die Ressortchefin gegenüber Agra-Europe „auf einem gutem Weg“. Sie habe dafür „die Grundlagen für eine zügige Entscheidung zu Beginn der nächsten Legislaturperiode geschaffen“, resümiert die CDU-Politikerin. Als Erfolg wertet sie auch die unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft gefallenen Entscheidungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Trotz des Austritts der Briten als Nettozahlers aus der EU habe man das Brüsseler Agrarbudget stabil halten können. Auf der Habenseite verbucht sie generell die Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems sowie ein mit insgesamt fast 1 Mrd. Euro dotiertes Investitionsprogramm, das Landwirten etwa bei der Anschaffung neuester Maschinen und Techniken unterstützt, damit diese auch die höheren Anforderungen insbesondere im Düngerecht erfüllen können. Was die Weiterentwicklung der Tierhaltung angeht, wirft die CDU-Politikerin dem Koalitionspartner eine „Blockadehaltung“ vor. Die SPD habe die von der Borchert-Kommission geforderten bau- und emissionsrechtlichen Änderungen ausgebremst, obwohl die für den Bau tierwohlgerechter Stelle unerlässlich seien. Klöckner selbst sagt: „Wir wollen Borchert“, ist allerdings skeptisch, was die Umsetzbarkeit der von maßgeblichen CDU/CSU-Agarpolitikern ins Spiel gebrachte Mittelaufbringung zur Finanzierung des Umbaus über eine Fondslösung angeht. „Ein beim Lebensmitteleinzelhandel, der Gastronomie oder beim Metzger zu erhebender Tierwohlbeitrag würde einen enormen bürokratischen Aufwand erfordern“, so Klöckner. Das Geld müsse aber zu den Tierhaltern fließen, damit diese ihre Ställe hin zu mehr Tierwohl umbauen und später auch betreiben könnten. Die Borchert-Kommission hat daher vorgeschlagen, die notwendigen Mittel über zusätzliche Steuereinnahmen aufzubringen. „Auf dem Tisch liegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und eine Tierwohlabgabe“, erinnerte die Ministerin. Beide Optionen seien mit einer Machbarkeitsstudie samt Folgenabschätzung geprüft und für geeignet befunden worden.
Fazit der Ministerin: „Wir haben einiges vorangebracht und dabei manches dicke Brett gebohrt.“