Kein gutgläubiger Erwerb eines Fahrzeugs

Zum Eigentumserwerb ist grundsätzlich auszuführen, dass eine Sache nur vom berechtigten Vormann erworben werden kann. Es gibt aber eine Ausnahme davon, den sogenannten gutgläubigen Erwerb.

Mag. Paul Kammerhofer, Bauernbundjurist, St. Pölten ©
Mag. Paul Kammerhofer, Bauernbundjurist, St. Pölten ©
Damit eine Sache gutgläubig erworben werden kann, sind drei Voraussetzungen zu erfüllen: der entgeltliche Erwerb der Sache, die Redlichkeit des Käufers in Kombination mit einer entsprechenden Sorgfalt und drittens der Erwerb bei einer öffentlichen Versteigerung, vom befugten Gewerbsmann oder einer Vertrauensperson des Eigentümers. Im konkreten Fall hat die Klägerin von einem Fahrzeughändler (F1) ein Fahrzeug gekauft. Dieser Fahrzeughändler hat das Kfz zuvor von einem anderen Fahrzeughändler (F2) gekauft. F2 hat das Fahrzeug von einem Leasingunternehmen geleast und dieses ohne Ermächtigung an den Fahrzeughändler F1 weiter verkauft. Beim erworbenen Fahrzeug handelt es sich um ein “vervollständigtes” Fahrzeug. Bei einem solchen Fahrzeug gibt es mehrere Hersteller (für das Fahrgestell und für den Aufbau). Jeder Hersteller stellt eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung (COC) aus. Im COC der Stufe 1 wird auf das COC der Stufe 2 hingewiesen. Ein Eigentumsvorbehalt wird nur im COC 2 angemerkt. Das COC ersetzt den Typenschein; einen solchen gibt es nur mehr bei in Österreich typengenehmigten Fahrzeugen. Für Fahrzeughändler ist es üblich, dass sie das COC 1 genau durchlesen und bei einem Hinweis auf das COC 2 dessen Vorlage verlangen. Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass sie Eigentümerin des Fahrzeugs ist und nicht mehr das Leasingunternehmen. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass der Käufer eines Kraftfahrzeugs verpflichtet ist, sich durch Einsichtnahme in den Typenschein von der Rechtmäßigkeit des Besitzes seines Vorgängers bzw. von dessen Verfügungsbefugnis zu überzeugen. Ergibt sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein nicht eindeutig die Berechtigung des Veräußerers, so sind weitere Nachforschungen anzustellen. Für Fahrzeuge ohne österreichische Typengenehmigung, also mit einer EG-Betriebserlaubnis, wird der Typenschein durch die EG-Übereinstimmungsbescheinigung, kurz COC, ersetzt. Ein Käufer hat jedenfalls in den Typenschein Einsicht zu nehmen, was ebenso für das COC gilt. Die Vertreter der beteiligten Fahrzeughändler, so auch der Klägerin, haben das COC 1 auch tatsächlich durchgesehen. Bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt hätten sie auch das COC 2 durchsehen müssen, was sie nicht getan haben. Die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Eigentumserwerb durch die Klägerin liegen daher nicht vor.OGH 8 Ob 73/16t

Mag. Paul Kammerhofer, Bauernbundjurist, St. Pölten

E-Mail: sozialreferat@noebauernbund.at

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