Ob eine Pflanze als Unkraut, Beikraut oder Heilkraut bezeichnet wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Der Löwenzahn beispielsweise ist für einen Rasenbesitzer ein Unkraut, für einen Naturliebhaber in Form einer Bienenweide ein Beikraut, andere wiederum sehen ihn als köstlich08en und gesunden Salat. Es kommt also immer auf die Perspektive, aber auch auf den Wissensstand der jeweiligen Person an. Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, findet beim Spaziergang im Wald oder am Wiesenrand wertvolle Kräuter, die in der Küche aber auch im Gesundheitsbereich vielfältig eingesetzt werden können. Das dafür notwendige Wissen ist allerdings Grundvoraussetzung, denn nicht alles, was grünt und blüht, ist auch genießbar oder bekömmlich.
Es gibt ein Dorf in Tirol, wo nicht nur besonders viele Kräuter wachsen, sondern auch besonders viele Kräuterexperten leben. Jungholz im Tannheimertal trägt bereits seit dem Jahr 2008 den Titel „Tiroler Kräuterdorf“. Um diesen Titel zu erhalten, müssen einige Kriterien erfüllt werden. Neben einer Kräuterspirale, einem Kräutergarten, einem Kräutertor und Kräuterlandhöfen braucht es mindestens fünf qualifizierte Gastgeber und Wirte mit Kräuterwissen und -ausstattung sowie ein entsprechendes Jahresprogramm rund um das Thema Kräuter.
Vom Bergdorf zum Kräuterdorf
In Jungholz war es so, dass sich eine handvoll Vermieterinnen zusammengeschlossen haben und das Bergdorf in ein Kräuterdorf verwandelt haben. Direkt bei der Kirche verschönert der sehenswerte Kräutergarten das Ortsbild. „Frauenkräuter“ sind das Hauptthema in diesen Garten, passend zur Ortskirche „Maria Namen“. Hier gedeihen Wildkräuter, Teekräuter und Duftkräuter. Nicht nur die Gäste, sondern auch Einheimische gönnen sich gerne genussvolle und entspannende Momente in diesem zauberhaften Garten.
Die Frühlingskräuter wie Huflattich oder auch der Löwenzahn wurden bereits geerntet und auf unterschiedliche Weise haltbar gemacht. Beim Huflattich werden die Blüten getrocknet, sie sind Bestandteil eines Tees, der Husten lindert. Vom Löwenzahn werden die Blätter frisch als Salat genossen, die Blüten bilden die Basis von Löwenzahnhonig. Dieser dient als Zuckerersatz zum Kochen und Backen, ist aber auch ein beliebter Brotaufstrich.
Seltene Wildkräuter
Neben den Klassikern findet man im Kräuterdorf Jungholz auch so manche Wildkräuter, die weniger bekannt sind. Ein Beispiel dafür ist der Quendel. Dieser fühlt sich in Jungholz auf einer Seehöhe von 1.054 Metern besonders wohl. Die wilde Thymianart wird genauso wie der Gartenthymian getrocknet und gerne als Gewürz verwendet. Quendel überzeugt aber auch als Heilkraut. Er wirkt antibakteriell, pilzhemmend, verdauungsfördernd, entkrampfend, löst festsitzenden Husten bei Erkältungen und hilft bei Magen-Darm-Beschwerden. Damit ist die Pflanze eine natürliche Alternative zu vielen Medikamenten bei Erkältungserscheinungen und wird gerne bei Husten, Schnupfen und Heiserkeit eingesetzt.
Ein weiteres Wildkraut, das in Jungholz optimal gedeiht, ist die Rossminze. Diese Minzenart wird gerne mit heißem Wasser als Tee aufgegossen, man kann sie aber auch in den Salat schneiden. Vom Geschmack unterscheidet sich die Rossminze etwas von der klassischen Minze, weshalb sie auch gerne in der asiatischen Küche verwendet wird. Als Heilkraut kommt sie bei Magen-Darm-Beschwerden zum Einsatz. Zerquetscht man die frischen Blätter zu einem Brei, lindern sie typische Beschwerden nach Insektenstichen.
Tee, Seifen, Kräuterkäse
In den nächsten Wochen und Monaten werden in Jungholz die Kräuter fleißig geerntet, getrocknet und weiterverarbeitet. Höhepunkt des Kräuterjahres ist dann der Kräutermarkt am 4. August 2024. Dort können neben Kräutern, Stauden, Gewürzen, Tees, Seifen, frischem Kräuterbrot, Marmeladen, Kräuterkäse, Honig und anderem Köstlichen und Feinen für jeden Geschmack auch kreative Werkstücke erworben werden. Besucher erwarten außerdem Vorträge, Führungen und Musikdarbietungen.
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- DSC 8367: TVB Tannheimer Tal/Achim Meurer