Graz wirft Fragen auf

Kommentar von Thomas Weber,
Herausgeber von Biorama und Buchautor.

Kaum ist man ein paar Stunden offline, plötzlich ist Graz kommunistisch. Auch wenn viele die Katastrophe an die Wand malen: Die Kommunisten sind in der zweitgrößten Stadt des Landes seit Jahrzehnten ein maßgeblicher Faktor und die Grazerinnen und Grazer wissen wohl, auf wen sie sich mit Elke Kahr als ­ mutmaßliche ­ Bürgermeisterin einlassen. Vermutlich schlicht: auf eine bessere, weil eindeutig positionierte Sozialdemokratie. Soweit ein lokales Phänomen.
Bleibt mit Blick aufs Ganze die Frage, was es für die Kanzlerpartei bedeutet, wenn sie mit Graz nun auch die letzte große Stadt des Landes, die diesen Status verdient, verloren hat. Sind Urbanität und Bürgerlichkeit unvereinbar geworden? Oder repräsentiert die Partei, die sich bürgerlich wähnt, aus Sicht der Stadtbevölkerung einfach kein zeitgemäßes Bürgertum mehr?
Dass die Volkspartei so ihre Probleme mit der Stadt an sich hat, zeigt sich immer wieder; am offensichtlichsten, wenn gegen Wien gewettert wird.
Mit dem gespielten Hass auf alles Urbane, der gerne ausgepackt wird, wenn es ums Mobilisieren der Landbevölkerung geht, wird man das Vertrauen in den Städten aber nicht zurückgewinnen. Die Furcht vor der Vielfalt und
Unübersichtlichkeit des Stadtlebens ist bei vielen Funktionären der Volkspartei freilich bloßes Getue – um Hinterwäldlern, die sonst freiheitlich wählen, nach dem Mund zu reden. Meist ist man offener als man sich gibt. Die ÖVP wird sich entscheiden müssen, ob sie eine moderne Partei sein will, die über das Momentum einer türkisen Bewegung hinaus noch das Zeug zur Volkspartei hat. Denn eine Volkspartei ohne Rückhalt in den Städten ist im 21. Jahrhundert undenkbar.
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  • Weber Thomas: Michael Mickl
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