Die Ernte-Pressefahrt der LK Österreich führte heuer in die Region Unterlaa, im Süden der Bundeshauptstadt Wien. Franz Windisch, Präsident der LK Wien, hat auf seinem Betrieb gemeinsam mit LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger und dem Vorsitzenden des Pflanzenbauausschusses der LK Österreich, Nikolaus Berlakovich, die Situation im Ackerbau zu Beginn der diesjährigen Getreideernte erläutert.
Ernte 2021 bleibt unter dem Fünfjahresmittel
Laut Berlakovich schätzt man die heimische Getreideproduktion gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent geringer ein. Weil zudem auch die Getreidefläche mit 516.500 Hektar um rund fünf Prozent zurückgegangen ist, wird die Gesamternte unter dem Durchschnitt der zurückliegenden fünf Jahre bleiben. Berlakovich: “Im Vorjahr konnten wir eine Rekordernte einfahren, heuer bewegen wir uns wieder Richtung Durchschnitt.“
Als Ursachen dafür führt der Ackerbauer den nassen Herbst an, der den Anbau der Winterungen erschwerte, sowie die kühle Witterung im Frühjahr mit verzögerter Entwicklung der Pflanzen und die Trockenheit im Juni. Weiters dämpfend auf Anbauflächen und Erträge wirken die zunehmenden Einschränkungen beim Pflanzenschutz.
Wetterextreme und Pflanzenschutzprobleme
Rückgänge bei der Anbaufläche gab es unter anderem bei Roggen, Winterraps und Wintergerste. Beim Raps führten Schädlinge, wie der Erdfloh, zum Umbruch von befallenen Flächen. Heuer wurden mit etwas mehr als 28.000 ha Anbaufläche erstmals weniger als 30.000 ha Raps angebaut. Bei Wintergerste wirkt das Verbot des Fungizids Chlorthalonil dämpfend auf den Anbau, da es zur Bekämpfung der Ramularia-Blattfleckenkrankheit kein wirkungsgleiches Ersatzprodukt gibt. Auch die im Frühjahr angebauten Kulturen, wie Mais, Sojabohnen, Kürbis und Sommergerste, haben anfangs unter den kühlen Temperaturen gelitten, mittlerweile setzen ihnen Trockenheit und Hitzetage zu. Das Wetter in den nächsten Tagen und Wochen werde daher entscheidend für die Qualität der meisten Getreidekulturen sein, so Berlakovich.
Gewinner in der Anbaustatistik sind die Zuckerrüben, deren Fläche die Landwirte zur Rettung der Zuckerfabrik Leopoldsdorf auf die geforderten knapp 38.000 ha gesteigert haben. Bei der Sojabohne konnte eine Rekordfläche von mehr als 75.000 ha erreicht werden, und Ölkürbis schlägt den eigenen Flächenrekord von 2016 mit einer Anbaufläche von 37.751 ha. Auch die Sonnenblumen nahmen auf knapp 25.000 ha zu. Hafer konnte als Sommerkultur profitieren, und auch Hartweizen legte zu.
Was die Preissituation betrifft, so zeigte sich Berlakovich zuversichtlich, dass es heuer jedenfalls bessere Erzeugerpreise geben werde als im Vorjahr.
Gravierende Hagelschäden
Alarmierend sind für Berlakovich die Hagel- und Unwetterschäden des laufenden Jahres. Bis dato sind bundesweit mehr als 170.000 ha betroffen. Der verursachte Gesamtschaden wird auf rund 75 Mio. Euro geschätzt. Die gravierendsten Schäden mit Totalausfällen waren vor allem großflächig in Oberösterreich und in der Region um Hollabrunn (NÖ) zu verzeichnen. Berlakovich: “In dieser dramatischen Situation zeigt sich, wie wichtig und notwendig es ist, dass wir die Österreichische Hagelversicherung mit Unterstützung von Bund und Ländern zu einer umfassenden Risiko- und Katastrophenvorsorge ausgebaut haben.“
Moosbrugger: Bei Klimamaßnahmen „Nägel mit Köpfen“ machen
Josef Moosbrugger betonte, dass es angesichts der dramatischen Wetterereignisse gilt, bei Maßnahmen zum Klimaschutz mit voller Kraft voranzukommen. Das „Raus aus der fossilen Energie“, sei voll zu unterstützen. Umso unverständlicher sei für ihn, dass man beim aktuell vorliegenden Entwurf zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) der Biomasse zu wenig Beachtung widmet. Flächen außer Nutzung zu nehmen, wie von Umweltministerin Gewessler beabsichtigt, sei vor diesem Hintergrund „verkehrt hoch drei“. Zum Ausbau der Photovoltaik stellte Moosbrugger fest, dass die Anlagen auf Dächer, Straßen- und Bahndämme und auf sonstige unproduktive Flächen gehören, nicht aber auf Acker- oder Grünland.
Biodiversität muss machbar bleiben
Auch die in der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) ab 2023 vorgesehenen Ökoauflagen sieht Moosbrugger mit Vorbehalten. Ziel müsse sein, die Bauern im Umweltprogramm zu halten und nicht, sie aus dem Programm hinauszudrängen. Vor allem müsse man den Prozentsatz bei der Biodiversität so gestalten, dass er machbar bleibt. Wenn man die Eigenversorgung mit Lebensmitteln stärken will, dann sei es widersinnig, auf der anderen Seite stillzulegen, so der LK Österreich-Präsident. Die Anforderungen für die heimischen Bauern höher zu schrauben und dann Lebensmittel zu importieren, das sei der schlechteste Weg. Sein Ziel sei, so Moosbrugger, die Lebensmittelproduktion in den Händen der heimischen Bauern zu erhalten.
Regionale Initiativen der Wiener Landwirtschaft
Wie der Weg in eine vertiefte regionale Landwirtschaft aussieht, das erläuterte Franz Windisch. So habe die LK Wien die neue Regionalmarke ‘Stadternte Wien’ entwickelt. Markenkern ist höchste Qualität und Wiener Herkunft. Die ‘Stadternte Wien’ wird auf den Produkten des Wiener Garten-, Wein- und Ackerbaus zu finden sein. In der Startphase befindet sich weiters das Projekt „Wiener Handsemmel“ mit dem man erstmals auch dem Getreide als Rohstoff ein Gesicht geben möchte. Weitere spezielle Wertschöpfungsketten-Projekte der LK Wien sind das „Wiener Bier“ und das „Wiener Bio-Soja”. Aus dem Projekt Wiener Bier ist das ‘Wiener Original’ hervorgegangen, welches in Kooperation mit der Ottakringer Brauerei hergestellt wird. Dafür werden auf 105 ha Wiener Ackerland rund 570 t Braugerste angebaut. Die Anbaufläche verteilt sich auf 32 Feldstücke in den Bezirken Favoriten, Donaustadt, Floridsdorf und Simmering. Ein ähnliches, aber neues Projekt ist ‘Wiener Bio-Soja’. Hier entwickelt die LK Wien gerade ein Produkt aus regionalem Wiener Bio-Soja mit einem hohen Wiedererkennungswert.
- Bildquellen -
- W210702 LKO Ernte PK: BZ/Maad