Der Anteil des Schutzwaldes entfällt in Osttirol auf 53.000 Hektar, bzw. 79 Prozent des Waldes. Sturmschäden, Schnee und Borkenkäfer haben dem Wald in den vergangenen Jahren massiv zugesetzt.
Vaia, Ingmar und Virpy
Das Tiefdruckgebiet „Vaia“ erreicht Österreich am Abend des 29. Oktobers 2018 und hinterlässt große Schäden in Osttirol, dem Lesachtal, Mölltal, Drautal, Gailtal sowie im Bezirk Völkermarkt. Orkanartige Stürme mit Spitzen über 200 km/h sowie rekordverdächtige Niederschlagsmengen fegen über den südlichen Alpenraum hinweg. Es kommt vermehrt zu Überschwemmungen, Murenabgängen, Schäden an Häusern und Infrastruktur. Zahlreiche Windwürfe hinterlassen eine Schadholzmenge von ca. 715.000 m3, betroffen sind über 1.100 geschädigte Waldeigentümer. Zum Vergleich: In einem durchschnittlichen Jahr wurden vor den Schadereignissen in Osttirol etwa 230.000 m3 Rundholz planmäßig genutzt. Damit konnte annähernd jene Holzmenge genutzt werden, die jährlich zuwächst (Nachhaltigkeit).
Die Detailauswertung ergibt, dass durch dieses Schadereignis 3.499 Schadflächen auf 2.806 Waldgrundstücken entstanden. Insbesondere der Objektschutzwald ist mit 64 Prozent der Schadfläche massiv betroffen, 59 Prozent der Flächen entfallen zudem auf schwieriges Gelände mit einer Neigung steiler als 30 Grad. Der Verlust der Schutzfunktion der Wälder ist in diesem Ausmaß bisher beispiellos in Österreich. Innerhalb eines Jahres können rund 70 Prozent des Schadholzes aufgearbeitet, sowie die notwendigen technischen Sicherungsmaßnahmen von der Wildbach- und Lawinenverbauung errichtet werden.
Von 13. bis 17. November 2019 bringt das Tief „Ingmar“ von Italien kommend heftigen Schneefall und ergiebigen Regen. Die große Menge an schwerem, nassen Schnee beschädigt Bäume von der Talsohle bis zu Höhen in 1.800m und sorgt für rund 700.000m3 Schadholz. Weil sich der Holzanfall auf viele Flächen verteilt, sind die Kosten für die Aufarbeitung enorm. Nahezu die gesamte Waldfläche in Osttirol ist vom Schadereignis betroffen und damit praktisch alle Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer. Für die Jahre 2018 und 2019 fallen insgesamt 1,3 Millionen m³ Schadholz an – das entspricht dem Sechsfachen der jährlichen Holzerntemenge Osttirols.
Im Dezember 2020 kommt es erneut zu Starkschneefällen durch das Tiefdruckgebiet „Virpy“. Bereichsweise reicht die Schneelast auf den Bäumen aus, um wieder Schäden an den zum Teil vorgeschädigten Waldbeständen zu verursachen und führt so zu einer zusätzlichen Schadholzmenge von rund 800.000 m3. Erich Gollmitzer, Leiter der Bezirksforstinspektion Osttirol, blickt zurück: „Seit dem Jahr 2018 haben sich die Schäden immer weiter addiert. Wir blicken hier auf eine noch nie dagewesene Abfolge an Schadereignissen zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, ist in etwa so hoch wie ein Lotto-Sechser – 1:8.000.000. Selbst bei beständiger Aufarbeitung bekommt man das nur mehr schwer in den Griff. Die Aufarbeitung nach dem Sturmtief ,Ingmar‘ wurde durch die Corona-Pandemie noch zusätzlich erschwert.“
Problem Borkenkäfer
Im Jahr 2021 hat in Osttirol der Schadholzanfall eine bisher noch nicht gekannt Höhe erreicht. Erste Folgeschäden durch den Borkenkäfer werden sichtbar. Zu verzeichnen sind ca. 67.000 befallene Bäume mit einer Schadholzmenge von etwa 900.000 m³. In Summe ergibt sich somit seit 2018 ein Schadholzanfall von ca. 3,20 Millionen m3 – in einer unvergleichlichen, gemeinsamen Kraftanstrengung wurden 2021 1,7 Millionen m3 bereits aufgearbeitet.
Dementsprechend lag 2022 die zentrale forstliche Problemstellung bei der Massenvermehrung des Borkenkäfers in Osttirol. Leider begünstigten die Wetterbedingungen im Verlauf des Jahres die Entwicklung der Borkenkäfer in geradezu idealer Weise. „Stand heuer haben wir einen vorübergehenden Verlust der Waldwirkungen auf einer Fläche von 17.800 ha zu beklagen. Davon entfallen rund 8.000 ha auf Objektschutzwälder. Ein Drittel der Objektschutzwälder ist temporär verschwunden. Zentrale Aufgabe ist nun die Wiederbewaldung der Schadflächen, die bereits mit Hochdruck läuft. Der Fokus liegt dabei vermehrt auf Baumarten, die sich an höhere Temperaturen und weniger Niederschlag angepasst haben“, so Erich Gollmitzer.
Gemeinsame Anstrengung
Neben der Aufforstung durch die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer selbst sowie Arbeitern von Fachfirmen (z. B. Maschinenring), kam zuletzt auch Unterstützung von oben: Im Rahmen eines Pilotprojektes für Wiederbewaldung wurden kürzlich Baumsamen in unzugänglichen Waldabschnitten mittels Drohnen aus der Luft abgeworfen. Damit kann die Wiederbewaldung auch auf jenen Waldstellen erfolgen, die vom Boden aus nur schwer bzw. gar nicht erreichbar sind. „Ich bin zuversichtlich, dass wir mit gemeinsamer Anstrengung vorerst eine teilweise Wiederherstellung der Schutzfunktion in Rekordzeit schaffen können. In sieben bis zehn Jahren sollten flächig wieder genug junge Bäume vorhanden sein, um eine Schutzfunktion von 60 bis 70 Prozent zu erfüllen. Wichtig ist und bleibt die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure. Es ist uns gelungen, das Motivationstief aufgrund der anhaltenden Schadereignisse zu übertauchen und die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer mitzunehmen. Daher bin ich für die Zukunft durchaus optimistisch“, so die abschließende Einschätzung von Erich Gollmitzer.
In die gleiche Kerbe schlägt auch LAbg. und Bezirksbauernobmann Martin Mayerl: „Die gesamte Abwicklung in dieser Größenordnung ist nur durch den Arbeitseinsatz aller Beteiligten möglich. Mein besonderer Dank gilt den Waldeigentümern, Land- und Forstwirten und Forstunternehmern in Osttirol, die in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Forstdienst und seinen Waldaufsehern in den Gemeinden und mit der Bezirksforstinspektion Bemerkenswertes geleistet haben.“
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