Die Vision der Europäischen Volkspartei zur Landwirtschaft in Europa. Unter diesem breit gefächerten Titel versammelten sich rund 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 19. September im Europäischen Parlament. Die EVP stellte damit zum ersten Mal mit Blick auf die nächste Europawahl im Juni 2024 die Landwirtschaft in den Mittelpunkt des Diskurses im EU-Parlament.
In zwei unterschiedlich zusammengesetzten Panels, moderiert vom Vorsitzenden Norbert Lins und vom Koordinator des Agrarausschusses im EU-Parlament, Herbert Dorfmann, stellten Politiker, Wissenschaftler und praktizierende Bauern ihre Vorstellungen für eine bessere Zukunft in der Landwirtschaft vor. Im Anschluss daran stellten sie sich auch den Fragen weiterer Politiker und Journalisten. Eröffnet wurde die Konferenz vom EVP-Vorsitzenden Manfred Weber. Der betonte, dass die Veranstaltung einen Einblick geben soll, welche Ideen die Europäische Volkspartei für die Landwirtschaft hat. Breit gefächert waren die angesprochenen Themenfelder: Es ging um Umweltschutz, den Abbau von Bürokratie, Innovationen, den Ausbau der ländlichen Infrastruktur und Digitalisierung. Auch der oft fehlende respektvolle Umgang mit den Landwirten wurde angesprochen.
Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung
Mit Fortlauf der Konferenz wurde schnell klar, dass Landwirte EU-weit mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben wie viele andere Branchen. Von mehreren Rednern wurde der Abbau von bürokratischen Prozessen gefordert, um die Landwirte wieder dorthin zu führen, wo ihre Arbeit wirklich liegt: auf dem Feld. Ebenso wurde der Ausbau der Infrastruktur gefordert, um die Digitalisierung voranzutreiben. In ihrer per Videoschaltung eingespielten Botschaft an die Teilnehmer, darunter auch Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und vier weitere Agrarminister, sprach sich die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, klar für eine bessere Nutzung von Daten für die Landwirtschaft aus. Dafür sei aber noch bessere Infrastruktur nötig, etwa schnelles Internet auf dem Land.
Bauern keine Gegner des Klimaschutzes
„Die Bauern sind nicht die Gegner der Klimaschützer“, waren sich Europas Christdemokraten einig. In diesem Sinne müsse das „Agribashing“, wie es der Vizepräsident des Wirtschaftsausschusses der französischen Nationalversammlung, Julien Dive, nannte, aufhören. In seinen Augen sei die Landwirtschaft die treibende Kraft für positive Veränderungen im Klimaschutz. Schwedens Agrarminister Peter Kullgren nannte als Beispiel für dieses Agribashing die Rinderhaltung. Aufgrund des Methanausstoßes der Kühe stehe sie oft im Mittelpunkt der Diskussion. Doch gäbe es keine Kühe, müsse man die „Wundertiere“, so Kullgren, erfinden. Sie produzieren „Fleisch, Milch und Dünger und tragen damit auch zur Artenvielfalt bei, wenn sie über die Weide grasen“.
Aufgrund extremer Wetterbedingungen, welche die Landwirtschaft Griechenlands veränderten, ist der Klimaschutz für Lefteris Avgenakis, Minister für ländliche Entwicklung und Ernährung in Athen, ein besonderes Anliegen. Er ist davon überzeugt, dass „der Klimawandel echt ist“. Besonders Waldbrände und Überschwemmungen führten dazu, dass Griechenlands Infrastruktur in großem Ausmaß zerstört wurde. „Und das hat massive Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft, Produktion und die Lebensmittelsicherheit.“
Um den Herausforderungen der Erderwärmung Herr zu werden, soll neben der Bürokratie auch das Ordnungsrecht abgebaut werden. Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz aus Baden-Württemberg, forderte „mehr positive Ansätze“. Natürlich müsse es Kontrollen zum Erhalt der Qualität geben, doch die Landwirte dürfen von solchen nicht erdrückt werden. Nur wenn man die Bauern ihre Arbeit machen lasse, könnten dabei Ideen und Innovationen keimen, zeigte sich Hauk sicher.
Bauer sein muss für Jugend attraktiver werden
Auch brauche es wieder vermehrt junge Menschen, die sich der Landwirtschaft annehmen, war in der Debatte zu hören. Ursula von der Leyen sprach den fehlenden Nachwuchs ebenfalls an. Angesichts der Probleme, mit der die Landwirtschaft zu kämpfen habe, sei sie aber vom Problem der Nachwuchssorgen „nicht überrascht“. Die italienische Winzerin Diana Lenzi aus der Toskana erwartet sich, dass beim New Farmers’ Deal der strategische Dialog mit der jungen Generation im Mittelpunkt stehen müsse. Ebenso diskutiert werden müsse der Zugang zu Krediten und Land wie auch soziale Fragen. Arbeit im landwirtschaftlichen Bereich müsse sich für die Jungen lohnen. Neben der Probleme der Landwirte wurde auch die fehlende Wertschätzung ihnen gegenüber betont und die Wichtigkeit der Branche und der Lebensmittelsicherheit in Europa.
Mit dieser von vielen auch als agrarpolitische Auftaktveranstaltung für die EU-Wahl interpretierten Veranstaltung zeigte die EVP, was viele Redner ansprachen: Die EVP ist die (einzige) Partei, die sich für die Interessen der Landwirte einsetzt. Auch die Zusammensetzung der Redner- und Gästeliste (letztere aus der täglichen Praxis) hat das unterstrichen.
Totschnig fordert fairen Wohlstand ein
Auch Österreich war, wie eingangs erwähnt, bei der European Farmers’ Deal-Vorstellung vertreten. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig unterstrich in seiner Rede die große Bedeutung des Green Deals. Diese müsse dem Anspruch einer tatsächlichen Wachstumsstrategie gerecht werden, die den Wohlstand der Bauern und aller Europäer auf Generationen sicherstellt. Er forderte: „Ein fairer Wohlstandsdeal muss wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte gleichwertig umfassen.“ Die EU-Abgeordnete des Bauernbundes, Simone Schmiedtbauer, versicherte den Bäuerinnen und Bauern den vollen Rückhalt ihrer Fraktion. Und in Richtung EU-Kommission meinte sie: „Wir müssen bei der
Unterstützung für die Land- und Forstwirtschaft endlich vom Reden ins Tun kommen.“
Vor dem großen Plenarsaal, in dem der Landwirtschaftskongress stattgefunden hat, waren sechs Infostände aufgestellt worden. Um diese gab es im Vorfeld ein großes Buhlen der 27 Mitgliedstaaten. Einer davon war mit österreichischer Beteiligung besetzt. Am Infostand „Bauer macht Power“ wurde darüber aufgeklärt, wie man am Beispiel österreichischer Agrarbetriebe den Weg von Fossilenergie hin zur Energieunabhängigkeit schaffen kann.
- Bildquellen -
- Totschnig Und Schmiedtbauer Im Gespräch: BZ/Machtlinger
- Weber Rede: BZ/Machtlinger