Notfallzulassungen von eigentlich verbotenen Pflanzenschutzmitteln sind offenbar in den vergangenen Jahren zu einer verbreiteten Praxis in den EU-Mitgliedstaaten geworden. Diesen Schluss lässt eine aktuelle Studie von Forschern der Universität Turin zu. Danach sind im Zeitraum 2013 und 2016 gemeinschaftsweit insgesamt 220 Notfallzulassungen erteilt worden, zwischen 2017 und 2021 dagegen ganze 3.173.
Die Analyse zeigt zudem, dass in vielen Fällen die an eine Notfallzulassung geknüpften Bedingungen nicht erfüllt waren. Die Forscher sehen darin Grund zur Besorgnis. Denn dadurch könnten womöglich europäische Umwelt-, und Gesundheitsstandards systematisch unterlaufen werden. Die Umweltschutzorganistion BeeLife bezeichnete die Ergebnisse indes laut Agra-Europe als „alarmierend“.
Strenges Regelkorsett
Die europäische Gesetzgebung erlaubt grundsätzlich eine Notfallzulassung von Pflanzenschutzmitteln, um die Lebensmittelproduktion zu schützen. Allerdings geknüpft an die Voraussetzung, dass keine alternativen Methoden zur Verfügung stehen und eine 120-tägige Anwendungsfrist nicht überschritten wird. Eine Notfallzulassung ist zudem nur auf eine Anbausaison und eine spezielle Region beschränkt. Zudem müsse sie in Zusammenhang mit einer konkreten Gefahr stehen, wie etwa bestimmten Schädlingen.
Der Studie zufolge werden die meisten Notfallzulassung für Mittel im Obstbau erteilt, am häufigsten für Präparate gegen den Apfelschorf oder die Kirschessigfliege. Die Forscher fanden zudem heraus, dass von den 3173 Notfallzulassungen 12 Prozent für länger als die eigentlich erlaubten 120 Tage erteilt wurden – in manchen Fällen für über ein Jahr. Auch seien 37 Prozent der Zulassungen in darauffolgenden Jahren vom jeweils gleichen Mitgliedsstaat und für den gleichen Anwendungszweck erneut erteilt worden.
Laxer Umgang
Aus Sicht der Studienautoren wird mit diesem laxen Umgang mit dem eigentlich für Ausnahmen vorgesehene Prozess der Notfallzulassung der strenge Zulassungsprozess von Pflanzenschutzmitteln unterlaufen. BeeLife hat in Reaktion auf die Studie erneut gefordert, Schlupflöcher, durch die nicht-zugelassene Pflanzenschutzmittel zur Anwendung kommen, zu schließen.
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