In der Gunstlage besteht laut Agroscope noch Verbesserungspotenzial.

Wie auch in Österreich hat die Milchviehhaltung aufgrund der Topografie in der Schweiz einen großen Stellenwert. Gemessen an der Rohleistung ist sie sogar der bedeutendste Produktionszweig der Schweizer Landwirtschaft. Ähnlich wie in der rot-weiß-roten Alpenrepublik erzielen auch die Eidgenossen mit Milch und Milchprodukten einen Netto- Exportüberschuss. Dieser war zuletzt allerdings rückläufig. Grund genug für die Wissenschaftler des Agroscope, einer Forschungseinrichtung für Landwirtschaft, sich die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Milchviehbetriebe im Vergleich zu jener der EU-Mitgliedstaaten näher anzusehen.

Familienbetriebe im Vergleich

Die Studienautoren verglichen zu diesem Zweck den betriebswirtschaftlichen Erfolg von 13 typisierten Familienbetrieben aus sieben Ländern, welche allesamt die Agrarstruktur in den jeweiligen Nationen widerspiegeln. Zwei für die Schweiz typische Höfe standen Milchviehbetrieben aus Österreich, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, aus Irland und Finnland gegenüber. „Betriebstypisierung und Analyse erfolgte nach einem einheitlichen Standard“, so die Agroscope-Experten. Die Daten habe man aus dem ebenfalls international einheitlichen IFCN (International Farm Comparison Network) bezogen. Verglichen wurde über einen Zeitraum von zwölf Jahren, die neuesten Kennzahlen stammten aus 2023. Zur besseren Unterscheidung wurde zwischen Betrieben mit weniger versus mehr als 50 Kühen unterschieden.

Um eine Verzerrung der Daten durch nationale Kostenunterschiede und die abweichende Kaufkraft zu umgehen, verglichen die Betriebswirte nicht das Einkommen, sondern die jeweiligen Gestehungskosten der Milcherzeugung und deren Gewinnschwelle. Daraus wurde ein Referenzwert, der Kostendeckungsgrad, errechnet. Liegt dieser über 100 Prozent, erzielten die Betriebe nicht nur das veranschlagte Einkommen je Arbeitsstunde, sondern auch unternehmerischen Gewinn.

Geringe Effizienz trotz höherem Milchgeld

Im direkten Vergleich ergab das ein einigermaßen düsteres Bild: Zwar würden höhere Produktionsauflagen und natürliche Erschwernisse auch in der Schweiz durch Direktzahlungen kompensiert, dennoch erreichen die Milchbauern dort einen im Vergleich nur geringen Kostendeckungsgrad von weniger als 60 Prozent und sind damit weit von unternehmerischem Gewinn entfernt. Daran ändere auch der um durchschnittlich 67 Prozent höhere Erzeugermilchpreis nichts.

 

20 versus 292 Liter je Arbeitsstunde

Für alle Betriebe (auch jene in der EU) gilt laut Agroscope, dass jene mit mehr als 60 Tieren einen höheren Kostendeckungsgrad von mehr als 80 Prozent erreichten und im untersuchten Zeitraum etwa alle zwei Jahre Gewinne erwirtschafteten. Auf kleineren Betrieben zeige sich eine langjährige Tendenz zu sinkender Kostendeckung, auch in Jahren mit steigenden Milchpreisen, wie etwa 2022. Insgesamt seien in der Schweizer Milchproduktion jedoch die Strukturkosten deutlich höher, die Arbeitsproduktivität indes geringer. Ein durchschnittlicher niederländischer Betrieb erreiche demnach eine 14-mal höhere Arbeitsproduktivität als ein Betrieb in der Schweizer Gunstlage. Umgemünzt auf die Milchmenge bedeutet das: Während ein Bergbauer in der Schweiz je Arbeitsstunde 20 Liter Milch produziert, schafft sein Berufskollege in den Niederlanden eine Erzeugung von 292 Litern je geleisteter Arbeitsstunde.

„Der Schweizer Betrieb büßt zunehmend an Wettbewerbskraft ein.“

„Der Schweizer Betrieb büßt zunehmend an Wettbewerbskraft ein“, so das verheerende Urteil von Agroscope. Um in Zukunft im Wettbewerb zu bestehen, müssten die Landwirte bereit sein, ihre eigene Arbeit tiefer zu entlohnen oder „insbesondere in der Talregion“ auf Wachstum und arbeitssparende Technik zu setzen, lautet die Schlussfolgerung der Experten. Dem in der Schweiz überdurchschnittlich teuren Faktor Arbeit sei demnach nicht anders beizukommen.

Robotik und Weide sollen es richten

Exemplarisch führen sie etwa den Einsatz von Melkrobotern und ausgedehnte Weidehaltung an, die den Zeitaufwand für die bäuerliche Familie reduzieren sollen. Auch eine längere Nutzung der Eigenmechanisierung sowie überbetrieblicher Maschineneinsatz werden als Stellschrauben genannt. Was jenen Betrieben blüht, die aufgrund ihrer Gegebenheiten, etwa im Berggebiet, nicht wachsen oder mechanisieren können, erklären die Autoren indes nicht. Sie halten lediglich fest: „Ein tiefer Kostendeckungsgrad gibt einen ökonomischen Anreiz, die Milchproduktion aufzugeben.“ Eine knappere Versorgungssituation und weiterer Verlust an Marktanteilen wären die logische Folge.

Hier kann die Publikation nachgelesen werden.

- Bildquellen -

  • Herbstweide Schweiz: FOTOEMBER - STOCK.ADOBE.COM
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AUTORClemens Wieltsch
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