Die BauernZeitung sprach mit der neuen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger über ihre Pläne für die bäuerlichen Familienbetriebe in Österreich, die GAP-Finanzierung und wie sich die neuen Bereiche innerhalb ihres Ressorts vereinen lassen.
Sie sind die neue Landwirtschaftsministerin und stammen selbst aus der Landwirtschaft. Was ist Ihr erstes Vorhaben für die österreichischen Landwirte bzw. wo drückt der Schuh derzeit am meisten in der Landwirtschaft?
KÖSTINGER: Es ist eine große Ehre, die erste Frau an der Spitze dieses Ressorts sein zu dürfen. Ich bin seit mehr als acht Jahren in der Agrarpolitik tätig und stamme selbst von einem Bauernhof. Eines der brennendsten Themen für die Bauern ist die große Bürokratie- und Kontrolllast. Als Bauer hat man oft das Gefühl, nie mit den Formularen fertig zu werden. Zusätzlich hat man immer die Gefahr im Hinterkopf, dass man etwas falsch gemacht haben könnte. Ein zweites Thema ist der Preisdruck. Dieser hat sich in den letzten Jahren zwar erholt, aber speziell im Milchbereich zeigen die Preise eher wieder nach unten.
Sie haben als Leiterin der Untergruppe „Zukunft“ das vorliegende Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ wesentlich mitverhandelt. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis für die Landwirtschaft?
KÖSTINGER: Mir war besonders wichtig, dass die Finanzmittel für die GAP auch in Zukunft gesichert sind. Dieses klare Bekenntnis zu einer starken GAP im Regierungsprogramm ist ein wichtiges Signal an unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Ich glaube auch, dass es uns mit der FPÖ gelingen kann, einige Themenbereiche anders als mit dem letzten Regierungspartner SPÖ zu diskutieren. Ein weiteres Ziel war der Paradigmenwechsel vom Billigstbieter- hin zum Bestbieterprinzip. Das ist ein Punkt, den man nicht unterschätzen darf, denn er bringt etwas, das speziell der Landwirtschaft in den letzten Jahren gefehlt hat: die Wertschätzung. Es ist mir ein großes Anliegen, dass Bauern wieder selbstbewusst sagen können: ‚Ich bin Bauer und ich brauche mich nicht von der Gesellschaft anfeinden zu lassen, denn ich leiste viel für die Lebensmittelversorgung und für den gesamten ländlichen Raum. Darauf bin ich stolz.‘
Das Landwirtschaftsministerium erhielt zusätzlich zu den bisherigen Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser noch Bergbau, Energie und Tourismus dazu. Befürchten Sie nicht, in Interessenkonflikte zwischen Umwelt, Tourismus und Landwirtschaft zu geraten?
KÖSTINGER: Selbstverständlich sind das Themenfelder mit unterschiedlichen Interessenslagen. Ob diese in einem Ressort gebündelt oder auf unterschiedliche Ministerien aufgeteilt sind, ist egal: Die Problematik bleibt die Gleiche. Für die Landwirtschaft sehe ich darin eine Riesenchance, speziell in der Verbindung mit Energie und Tourismus. Der Tourismus etwa baut als einer der größten Wirtschaftszweige Österreichs auf den bäuerlichen Familienbetrieben als Grundlage auf. Nur wenn die Landschaft gepflegt ist und die Flächen bewirtschaftet werden, kann Tourismus in der aktuellen Form stattfinden. Das ist eine perfekte Kombination, weil es den Wirtschaftskreislauf im ländlichen Raum bündelt.
Zum Bereich Energie: Im Programm heißt es unter dem Punkt Energiegesetz neu: Ausbau der Biomasse. Welche Anlagen wird das konkret betreffen?
KÖSTINGER: Was die erneuerbaren Energien betrifft, haben wir uns die Ziele sehr hoch gesteckt, aus wirtschaftlicher und umweltpolitischer Sicht. Um die Pariser Klimaziele erreichen zu können, müssen wir unser Energiesystem nachhaltiger aufstellen. Da werden Öko- und Bioenergie eine sehr wichtige Rolle spielen. An den Details arbeiten wir derzeit im Ressort.
Im Regierungsprogramm ist die Abschaffung der Mehrfachversicherung vorgesehen. Wird das auch Nebenerwerbslandwirte betreffen? Wie soll die Reform der Sozialversicherungsträger überhaupt ausschauen? Welche Träger sollen bleiben?
KÖSTINGER: Die Reform der Sozialversicherungen ist ein sehr umfangreiches Projekt, wahrscheinlich das größte, dass sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Sozialversicherungsanstalt der Bauern, SVB, eine Serviceeinrichtung für die bäuerlichen Famlienbetriebe ist. Natürlich ist die Abbuchung einmal im Quartal etwas Schmerzliches, aber als Versicherter weiß man, dass man bei der SVB keine Nummer ist, sondern dass sich die SVB um jedes einzelne Schicksal kümmert. Mir ist extrem wichtig, dass die Leistungen gleich bleiben und sich das Serviceangebot nicht verschlechtert. SVB-Generaldirektor Franz Ledermüller arbeitet hier an vorderster Front mit. Wir haben Sorge getragen, dass die unterschiedlichen Versicherungsträger und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Versicherten bei berufsständischen Kassen berücksichtigt werden.
Zur EU: Im Juli 2018 übernimmt Österreich den EU-Ratsvorsitz. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
KÖSTINGER: Die Ratspräsidentschaft ist etwas extrem Wichtiges für ein EU-Mitgliedsland. In dieser Zeit haben wir die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen und das werden wir speziell auch im Bereich der Landwirtschaft tun.
Die GAP darf nicht wieder komplizierter werden
Den Vorschlag von EU-Agrarkommissar Phil Hogan, den Mitgliedsstaaten mehr Kompetenz zu geben, begrüße ich durchaus. Das ist eine Chance, die Unterschiedlichkeit der Landwirtschaft in Europa abbilden zu können. Allerdings muss die GAP ab 2021 dennoch so gestaltet sein, dass sie einfacher und nicht wieder in irgendeiner Art und Weise komplizierter wird. Das wird ein großer Schwerpunkt für unseren Ratsvorsitz sein. Außerdem wollen wir die österreichischen Strukturen der Landwirtschaft verankert wissen und fordern Verbesserungen im Bereich des Wettbewerbsrechts. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir die Vorschläge für eine Stärkung der Landwirte in der Wertschöpfungskette der EU-Task Force für Agrarmärkte weiterverfolgen. Das möchte ich auch in der Ratspräsidentschaft tun.
Durch den Brexit wird sich allerdings eine Finanzierungslücke auftun und voraussichtlich weniger Geld für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Wie soll dieses Defizit gedeckt und den österreichischen Landwirten ihr Einkommen gesichert werden?
KÖSTINGER: Ich sehe nach wie vor sehr viel Effizienzpotenzial in der Finanzierung der GAP. Zum Teil gibt es in diversen Mitgliedsstaaten keine Förderobergrenzen, das schafft ein Ungleichgewicht. Diese Diskussion werden wir mit Sicherheit führen, ebenso wie die Diskussion, ob alle Gelder so effizient eingesetzt werden, wie sie es eigentlich müssten. In Österreich haben wir eine sehr gute Ausgangsposition. Wir haben im Regierungsprogramm verankert, dass wir uns für einen Anti-Gentechnikrabatt einsetzen werden, bereits in dem Wissen, dass die nächsten Finanzverhandlungen sehr schwierig werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir durch unseren Qualitätsvorsprung und durch unseren Verzicht auf gentechnisch verändertes Saatgut Argumente haben, warum unsere Landwirtschaft stärker unterstützt werden muss.
Interview: Eva Zitz
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- Köstinger: Paul Gruber