Mit einem einzigen Tombolalos hat es begonnen. Im September 1987 war Claudia Krawert die stolze Begleiterin ihres Großvaters zu einem Fahrturnier in Neusiedl am See (Bgld.). Das Los, das der Großvater der Enkelin schenkte, brachte den Haupttreffer – ein Minishetland-Pony, dem Claudia den Namen „Lilli“ gab. Lilli war jenes Geschöpf, das in Claudia die Leidenschaft für Pferde weckte. Bald ging es mit den ersten Reit- und Fahrversuchen los.
Schicksalshafte Begegnung
Angeregt durch ihren mittlerweile verstorbenen Großonkel Josef Kubicek – er nahm auch bei internationalen Fahrturnieren teil – wandte sich Claudia in der Folge den Warmblütern zu. Im Februar 2007 kam es dann allerdings während eines Skiurlaubs im Salzburger Maria Alm zu der schicksalshaften Begegnung mit der Noriker Stute „Blue Lady Elena“ (V: Monet Nero XIV aus der Stute Berg-Spiag nach Gamsbichl Diamant XIII). Claudia sah Blue Lady Elena „so mächtig und dabei doch prächtig“ durch den Schnee traben, dass sie bei Züchter Hermann Esterbauer um das Tier anfragte. Man wurde schnell handelseins, und so zog das zweijährige, von Claudia liebevoll „Lena“ gerufene Tier zunächst noch als Beistellpferd in den Krawert-Stall um. Claudias Züchterauge hatte nicht getrogen – denn bei der NÖ Stutbuch-Eintragung in Stössing im August 2009 präsentierte sich die kastanienbraune Blue Lady Elena bei 1,63 m Stockmaß als „überragender Rasse- und Geschlechts-Typ mit hervorragendem Schritt bei taktklarem Raumgriff“, was der Vierjährigen zum Körungssieg mit 8,05 Punkten verhalf. Mit diesem Ergebnis im Rücken setzte Claudia nun voll auf die Norikerzucht. Daraus entwickelte sich eine echte Leidenschaft – vermutlich schlugen hier die Gene von Claudias Opa durch, der seine Landwirtschaft am Rand von Wien mit selbst gezüchteten Pferden bearbeitet hatte.
Geplante Anpaarungen
Die Anpaarungen richtet Claudia nach dem Ziel „universal einsetzbar, mit hoher Leistungsbereitschaft und feinem Charakter“ aus. Blue Lady Elena dient als Maßstab. Sie ist leichtrittig, verlässlich im Fahren und oftmals auch fotogenes Parade-Pferd bei Festlichkeiten. Gleich ihr erstes Fohlen – der im April 2012 geborene „Molotow Diamant“ (von Mörtl Diamant XII) holte die Landes-Reserve-Sieger-Schärpe. Zwei Jahre später kam seine sehr hübsche Vollschwester „Blue Lady Estelle“ zur Welt.
Da war es 2011 die richtige Entscheidung, auch Lenas Mutter „Berg-Spiag“ (von Gamsbichl Diamant XIII) mit ihrem Stutfohlen „Beluga“ (von Stahl Vulkan) auf den Hof nach Wien zu holen. Beluga überzeugte als Ein- und Dreijährige mit Spitzenplätzen bei den Materialprüfungen. Stamm- Mutter Berg-Spiag brachte mit „Senia“ (von „Zirm Schaunitz“) eine weitere, sehr umgängliche und nervenstarke Vorzeige-Tochter, welche seit 2012 ebenfalls zu Krawerts Zuchtstuten zählt.
Vom Händler-Lkw gerettet
Ein weiteres Mal bewährte sich Claudias Züchterauge bei der „Gisi-Larissa“ (von Enrico Vulkan XVI, aus der Gisi-Lena nach Tarent Vulkan). Als Nummer 107 im Rahmen der OÖ Fohlenversteigerung im September 2011 bereits auf einem Händler-Lkw „abgeschoben“, hat sie Claudia „aus Mitleid“ erworben. Larissa dankte es ihrer neuen Besitzerin mit Spitzenplätzen bei regionalen Zuchtschauen. So richtig „schön „zusammengewachsen“ hatte sie sich dann im Juni 2014 – im Rahmen der Messe Wieselburg kam die 1,60 m Stock messende, kompakte und äußerst bewegungs- und ausdrucksstarke Dreijährige zur Körung. Mit 8,14 Punkten in Klasse 1b holte sie sich Gold als Landessiegerin.Weitere interessante Ausbauschritte waren der 2012 zugekaufte „Schober Vulkan XVIII“ (von Schlern Vulkan XVII, aus der Adler-Madame), Züchter Erich Grafenauer, Vorderberg, den Claudia auch für den Stationsaufenthalt im Pferdezentrum Stadl Paura vorbereitete. Dass es Claudia als Privatzüchterin gelang, „ihren“ Schober Vulkan als Zuchthengst erfolgreich zur Körung zu bringen, ist als ihr bisher größter Erfolg zu werten.
NÖ Landes-Champion
Der jüngste Höhepunkt der Zuchtarbeit Claudia Krawerts war das NÖ Noriker-Festival 2017 in Thenneberg auf der Reitsportanlage der Familie Winter. Die selbstgezogene, dreijährige „Blue Lady Estelle“ platzierte sich bei der Stutbucheintragung auf dem hervorragenden 5. und bei der Materialprüpfung am 1. Reserve-Sieger-Platz. Beim Fohlenchampionat gab es für „Limenta“ (aus der Gisi-Larissa) Bronze. „Sir Ambros Vulkan“ (von Schober Vulkan aus der Kitty nach Tarent Vulkan) war bei den Hengstfohlen 1. Reserve-Sieger und glänzte mit der höchsten Bewegungsnote.
Er wurde, so wie „Madonna A“ (gezogen aus der steirischen Landes-Siegerin Mirabell), vom Zuchtstall Ambros Ankerl erworben. Als Stutfohlen mit überragendem Typ und Gang gewann die Schober Vulkan-Tochter das Landes-Championat.
Dass die Norikerzucht in Wien-Unterlaa einen derartigen Aufschwung nimmt, hat viele überrascht. Claudia Krawerts gutes Züchterauge ist die Grundlage dafür – und vor allem auch ihr Herz für die Tiere. Trotz aller züchterischen Erfolge mit den Norikern hat Claudias „erste Liebe“, das Minishetland-Pony Lilli, immer noch einen Ehrenplatz in ihrem Pferdestall.
Norike-Pferd: vielseitig und nervenstark
Das Norikerpferd wird seit rund 2000 Jahren im österreichischen Alpen- und Voralpenraum gezüchtet. Seine Urheimat liegt in Thessalien im Norden Griechenlands, wo die Zucht eines schweren Kriegspferdes betrieben und später von den Römern übernommen wurde. Mit den Römern kam das Norikerpferd in den Alpenraum, wo es als anpassungsfähiges und genügsames Gleichgewichtspferd mit ruhigem Kaltblutcharakter weitergezüchtet wurde. Derzeit werden in Österreich rund 10.000 Norikerpferde gehalten mit rund 4600 eingetragenen Zuchtstuten. Von seinem Typus her entspricht der Noriker allen Anforderungen eines vielseitig einsetzbaren Freizeitpferdes mit hervorragendem Charakter (www.noriker.at)
Barbara Schneider