Die abgestufte Grünlandwirtschaft ist ein Weg, die ertragsbetonte und die nutzungsreduzierte Bewirtschaftung so zu kombinieren, dass gute Erträge mit optimaler Qualität für das Wohl der Tiere und den wirtschaftlichen Betriebserfolg gesichert sind und gleichzeitig auch die Artenvielfalt im Lebensraum Wiese eine Zukunft hat. Die in den nächsten Jahrzehnten nachweislich auf uns zukommenden klimatischen Herausforderungen werden mit einer in Nutzung und Nährstoffversorgung differenzierten Grünlandbewirtschaftung besser und flexibler zu bewältigen sein.
Pflanzen- und Tierarten: Mehr Chancen für Vielfalt
Auf den reduziert bewirtschafteten Flächen werden sich wieder Pflanzenarten etablieren, die für den jeweiligen Boden, Höhenlage, Exposition und Schnittzahl charakteristisch sind. Die Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten wird wieder mehr Chancen haben. Welche Arten das sein werden, hängt auch vom Samenpotenzial und vom -eintrag ab, wie schnell die Vielfalt zunimmt, wird vom natürlichen Nährstoffnachlieferungsvermögen der Böden und deren Eignung zur Aushagerung bestimmt. Somit kann die ertragsbetonte Grünlandwirtschaft sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Wirtschaftsweise über den Weg der abgestuften Bewirtschaftung sehr wohl eine Rolle für den Erhalt der Artenvielfalt spielen.
Umsetzung in die Praxis dauert mehrere Jahre
Von heute auf morgen wird das aber nicht gehen. Ertragsbetonte Zielflächen sind im Pflanzenbestand zu verbessern, auf anderen Flächen ist die Nutzung herunterzufahren. Beides ist gar nicht so leicht und benötigt gezielte Maßnahmen und Zeit, bis sich wieder ein neues Gleichgewicht eingestellt hat. Auch auf den nutzungsreduzierten Flächen kann eine Nachsaat sinnvoll sein, um die Anpassung zu forcieren. Glatthafer, Wiesenschwingel, Gold-hafer, Rotklee und Hornklee sind hier Optionen, aber ebenso Wildblumensaatgut von heimischen Arten. Also herkunftszertifiziertes Wildblumensaatgut, und zwar ausschließlich, um keine Florenverfälschung zu riskieren, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Die abgestufte Grünlandwirtschaft ist sicher kein Allheilmittel. Und schon gar nicht darf sie als Mittel zum Zweck missbraucht werden, um der Grünlandwirtschaft über Vorschriften und Marketingprogramme zwanghaft
Artenvielfalt zu verordnen. Die abgestufte Bewirtschaftung muss aus einer selbst erkannten Notwendigkeit und Überzeugung heraus wachsen. Sie wird viele verschiedene Ausprägungen entwickeln.
Nicht für starre ÖPUL-Maßnahmen geeignet
Abgestufte Grünlandwirtschaft ist keinesfalls für starre ÖPUL-Maßnahmen mit einem vorgegebenen und kontrollfähigen Auflagen- und Grenzenkorsett geeignet. Sie ist gelebte Individualität und kann einzig mit einem ausreichend dotierten Programm zur Ausbildung, Information und Beratung erfolgreich und auf breiterer Basis etabliert werden. Auch aus der Sicht eines gesellschaftlich gewollten Mehr an Biodiversität ist ein spezielles „Bildungsprogramm für abgestufte Grünlandwirtschaft“ im Rahmen der nächsten GAP-Periode geradezu ein Muss.
In Betrieben mit weniger als 1,3 bis 1,4 RGVE/ha und ohne die Möglich-
keit des Einsatzes von mineralischen N-Düngern lässt sich die AGW kaum sinnvoll umsetzen, da das Verhältnis von reduzierten und ertragsbetonten Flächen nicht mehr passt. Bei Betrieben mit (fast) ausschließlich hochwertigen Grünlandflächen, die fünfmal gemäht werden können, stellt sich die Frage: Woher die Flächen nehmen, die mit zwei oder drei Schnitten und geringer Nährstoffversorgung zu bewirtschaften sind? In solchen Fällen wird wohl kein Weg an der Zupachtung von extensiven Flächen vorbeigehen – auch wenn das niemand hören will. Gerade die konventionellen und sehr ertragsbetont arbeitenden Grünlandbetriebe sollten trotzdem der Realität ins Auge schauen: Die vorgegebenen Nährstoffobergrenzen werden sich nicht ändern. Es gilt vielmehr, die Berechnungsgrundlagen in der Nährstoffbilanzierung zu erhalten. Das Praktizieren der abgestuften Bewirtschaftung hat also auch etwas zu tun mit Verantwortung für den Erhalt der derzeitigen Auflagen und Begrenzungen, egal ob sie dem Einzelnen nun sinnvoll erscheinen oder nicht.
Der erste Teil der Serie:
Mehr Wissen über Wiesen: Zukunft von Grünland liegt im Differenzieren
Der zweite Teil der Serie:
Optimales Management wird im Grünland künftig unvermeidlich sein
- Bildquellen -
- Wespenspinne: Frühwirth
- Wiese: Frühwirth