Bauernzeitung: Was bedeutet es für Sie, ein Landeshauptmann zu sein?
Mattle: Die Herausforderung als Landeshauptmann ist noch größer als die des Landesrates. Man hat schlussendlich Gesamtverantwortung für die Regierung, die Gestaltung und Weiterentwicklung des Landes. Als Landeshauptmann ist man auch mit gesellschaftlichem Gegenwind konfrontiert, den man aufzunehmen hat. Die Bevölkerung erwartet sich einen Landeshauptmann, der zuhören kann und der zugleich Gestaltungs- und Führungsqualitäten hat.
Welche Erfahrungen haben Sie als Landtagsabgeordneter, -vizepräsident und schließlich als Landesrat gesammelt?
Mattle: 1986 bin ich das erste Mal bei Gemeinderatswahlen mit einer Liste aus der Jungbauernschaft/Landjugend heraus angetreten. Wir wurden auf Anhieb zweitstärkste Kraft im Gemeinderat und ich mit 23 Jahren Vizebürgermeister. Meine Aufgaben Vizebürgermeister, Bürgermeister, Landtagsabgeordneter, Landtagsvizepräsident und Landesrat haben mich gut darauf vorbereitet, die Führungsverantwortung im Land Tirol zu übernehmen.
Was sind ihre Ziele für die Tiroler Landwirtschaft und den ländlichen Raum?
Mattle: Wir müssen in Tirol alles daran setzen, dass unsere Landwirte von ihrer Arbeit leben können. Eine Familie, vielleicht auch mit der Bauerschaft im Nebenerwerb, muss das Auslangen finden, ohne dass es zur Überbelastung kommt. Landwirtschaft im hochalpinen Raum bedeutet regionale Lebensmittel, Kulturlandschaft und Sicherheit.
Tirol hat das Privileg, dass der ländliche Raum nicht nur Wohn-, sondern auch Wirtschaftsraum ist. Man hat sowohl den bäuerlichen Bereich, als auch Tourismus und starke Gewerbebetriebe. Um Abwanderung zu verhindern, muss der ländliche Raum auch zukünftig Wirtschaftsraum bleiben. Das hat für mich ganz hohen Stellenwert, genauso wie der Erhalt der traditionellen Almwirtschaft. Der Abschuss von Problemwölfen muss rascher und unbürokratischer möglich sein. Der Wolf ist schon lange nicht mehr vom Aussterben bedroht, die EU-Gesetzgebung wurde hier längst von der Lebens-realität überholt. Wir müssen vom absoluten Schutz in Richtung Bestandsmanagement kommen.
Welche Ziele für Gemeinden verfolgen sie nach knapp 30 Jahren als Bürgermeister?
Mattle: Die Gemeinden sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten aufgefordert, der Landwirtschaft einen entsprechenden Stellenwert zu geben. Landwirtschaftlich wertvolle Flächen sollen weiterhin genutzt und nicht versiegelt werden. Es gibt in Tirol einen breiten Schulterschluss
zwischen unseren Kommunen und der landwirtschaftlichen Bevölkerung.
Das gilt auch für die Entnahme von Großraubtieren. Auch die Bürgermeister machen sich Sorgen um das Wohl der Nutztiere und der eigenen Bevölkerung. Für mich ist klar, dass das Thema Großraubtiere wesentlicher Teil des nächsten Koalitionsabkommens sein muss.
Welches Potenzial kann Ihrer Einschätzung nach in der Energiewirtschaft noch genutzt werden?
Mattle: Generell ist es natürlich für jeden Tiroler, der ein eigenes Haus hat, interessant, auch Kraftwerksbe-treiber zu werden. Das geht durch die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Großes Potential dafür haben landwirtschaftliche Höfe mit ihren großen Dachflächen. Meistens sind diese so ausgerichtet, dass eine starke Besonnung vorhanden ist und weit mehr Energie erzeugt werden kann, als sie selbst benötigen.
Hier sind wieder die Gemeinden gefordert. Energiegemeinschaften müssen forciert und freie Dachflächen genutzt werden, um die erzeugte Energie auch vor Ort verbrauchen zu können. Dazu gibt es auch ein Beratungsangebot, das man in Anspruch nehmen kann.
Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen Wasserkraft und Photovoltaik ordentlich ausgebaut werden. Ökologisch und landwirtschaftlich wertvolle Flächen sollen dabei nicht beansprucht werden
dürfen.
Wieso haben Sie sich vor 15 Jahren dazu entschlossen, den elterlichen Hof zu übernehmen?
Mattle: Die Zeit war ganz einfach reif. Ich bin in einer bäuerlichen Familie aufgewachsen und habe dort auch immer mitgearbeitet. Der Übernahme habe ich dann gerne zugestimmt, unter der Bedingung, dass ich auch meine eigenen Ideen einbringen und die Bewirtschaftung zeitgemäß gestalten darf. Aufgrund meiner begrenzten Zeit habe ich mich dann dazu entschieden, den Hof gemeinsam mit meinem guten Freund Martin Lorenz zu bewirtschaften. Das Zusammenlegen der Hofstellen und die enge Zusammenarbeit haben für beide Familien große Vorteile. Man ist nicht so gebunden und kann sich die Stallarbeit teilen. Gemeinsam bewirtschaften wir sieben Hektar. Wir sehen das auch als wertvollen Ausgleich zur Tagesarbeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
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