„Alles in allem ist die Saison auf den rund 2.100 Tiroler Almen aber zufriedenstellend verlaufen. Die vorläufige Anzahl der Alm- und Weidetiere, die Großraubtieren zum Opfer gefallen sind, ist trotz zunehmender Wolfspräsenz deutlich zurückgegangen. Das könnte auch auf den erhöhten Jagddruck zurückzuführen sein. Abschließende Erklärung gibt es dafür aber keine“, zieht LHStv Josef Geisler eine vorläufige Bilanz über den heurigen Almsommer. Drei Wölfe wurden von der Tiroler Jägerschaft bislang erlegt.
173 tote Schafe, eine tote Ziege, ein totes Pferd sowie acht tote und elf verletzte Rinder sind auf Großraubtiere zurückzuführen. Im vergangenen Jahr waren es 413 tote Nutztiere. Rund 450 Tiere von sieben Almen wurden heuer nach Rissereignissen vorzeitig ins Tal gebracht. Die Zahl der im Zusammenhang mit Großraubtieren vermissten Tiere lässt sich noch nicht beziffern. Die endgültige Bilanz liegt zum Jahresende vor.
Lob für Einsatz auf Herdenschutz-Projektalmen
„Wir haben hier im Bezirk Landeck drei Pilotalmen, auf denen gelenkte Weideführung mit ständiger Behirtung und wolfsabweisend gezäunten Übernachtungsplätzen mit großem Einsatz aller Beteiligten erprobt wird. Es gab im ersten Projektjahr Anfangsschwierigkeiten, aber es funktioniert. Der personelle und finanzielle Aufwand ist jedoch extrem hoch. Was hier gemacht wird, ist bemerkenswert, aber beileibe nicht auf alle Almen im ganzen Land übertragbar“, zollt LHStv Josef Geisler den Almverantwortlichen und HirtInnen Respekt und betont: „Wenn die Tiere jetzt auf die Heimweiden kommen, müssen sie mit wolfsabweisenden Zäunen geschützt werden. Das sei im Gegensatz zu den Almen auf den Heimweiden fast überall machbar.“
Die Form des Herdenschutzes durch gelenkte Weideführung mit ständiger Behirtung und wolfsabweisend gezäunten Übernachtungsplätzen für die Schafe wurde auf der Spisser Schafberg Alm und der Lader Heuberg Alm in der dritten Almsaison, auf der Verwall Alm im zweiten Jahr erprobt. Risse oder direkte Begegnungen mit Großraubtieren gab es auf allen drei Projektalmen im heurigen Almsommer keine, im Gemeindegebiet von Pfunds und im angrenzenden Samnaun waren jedoch Wolfsrisse zu verzeichnen. Am Arlberg wurde zudem ein Bär nachgewiesen, auf Vorarlberger Seite gab es mehrfach Wolfsrisse.
Aufrechterhaltung der Bewirtschaftung oberstes Ziel
In Summe 1.600 Schafe von insgesamt 65 TierhalterInnen wurden auf die Herdenschutz-Pilotalmen in der heurigen Almsaison aufgetrieben, um rund 200 mehr als noch im vergangenen Jahr. „Unser Ziel ist es, dass die Almen weiterhin bewirtschaftet und die Almflächen beweidet werden“, sind sich die Almverantwortlichen einig. Wie sich am Spisser Schafberg und am Lader Heuberg im ersten Projektjahr 2021 herausgestellt hat, braucht es jeweils zwei Hirtinnen mit einer ausreichenden Zahl an Hütehunden, um die tägliche Arbeit bewältigen zu können. Auf den drei Projektalmen waren im heurigen Jahr sechs HirtInnen und sieben Hütehunde im Einsatz. Auf der Verwall Alm kamen heuer zudem erstmals zwei Herdenschutzhunde zum Einsatz. „Der Almsommer ist gut verlaufen. Ganz entscheidend sind das Hirtenpersonal und die Tiergesundheit, die bereits am Heimbetrieb beginnt“, betonen die Almverantwortlichen Robert Hueber von der Spisser Schafberg Alm und Alfons Falch von der Verwall Alm unisono.
430.000 Euro für Herdenschutz auf drei Pilotalmen
Mit mindestens 430.000 Euro unterstützt das Land Tirol die gelenkte Weidführung mit ständiger Behirtung und eingezäunten Übernachtungsplätzen auf den drei Herdenschutz-Pilotalmen allein in der Almsaison 2023. Neben den Kosten für HirtInnen und Hunde schlagen sich vor allem die Kosten für zusätzlich notwendige Hirtenunterkünfte zu Buche. 114 Euro pro Schaf betrugen die Kosten für Herdenschutz mit gelenkter Weideführung in der Almsaison 2022. Die Abrechnung für 2023 liegt noch nicht vor. Zum Vergleich: Die Erlöse für ein Lamm liegen bei durchschnittlich 130 Euro, für ein Zuchtschaf bei 460 Euro.
Pilotprojekte nur sehr eingeschränkt übertragbar
„Sowohl die Kosten wie auch die begrenzte Verfügbarkeit von qualifiziertem Hirtenpersonal und die notwendigen Voraussetzungen hinsichtlich Größe und Beschaffenheit einer Alm zeigen, dass diese Form von Herdenschutz nur für eine sehr begrenzte Anzahl der rund 400 Tiroler Almen mit Schafauftrieb überhaupt infrage kommt. Herdenschutz in großem Stil ist in Tirol nicht möglich“, fasst LHStv Josef Geisler zusammen. Ein offener Punkt sei auch die langfristige Finanzierung: „Naturschutzorganisationen behaupten immer, dass die EU 100 Prozent der Kosten für Herdenschutz übernimmt. Das stimmt aber nicht. Kein einziger Euro EU-Geld steht dafür zusätzlich zur Verfügung.“ Dass rein technischer Herdenschutz mit Elektrozäunen nicht funktioniere, habe man mit der Ausweisung der Alpschutzgebiete für jede einzelne Tiroler Alm bereits bewiesen. „Ein rasches Eingreifen und der Abschuss von Problemtieren ist deshalb unbedingt notwendig. Wir fordern weiterhin vehement die Senkung des Schutzstatus des Wolfes. Was wir jetzt machen müssen, um einen Schad- oder Risikowolf zu entnehmen, ist ein rechtlicher Eiertanz“, bekräftigt LHStv Geisler.
Tirol fordert Senkung des Schutzstatus und Regulierung der Wolfspopulation
Positiv stimmt LHStv Josef Geisler, dass Brüssel auf Initiative von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgewacht ist und die Kommission den Schutzstatus des Wolfes unter Einbeziehung der Betroffenen zumindest auf den Prüfstand stellt. „Unser Ziel ist und bleibt eine Regulierung der Wolfspopulation mittels regulärer Bejagung. Tirol hat mit der klein strukturierten Almwirtschaft eine Sonderstellung. Herdenschutz im großen Stil ist bei uns nicht möglich. Das legen LH Anton Mattle und ich in einem Schreiben an die EU auch unmissverständlich dar“, betont LHStv Josef Geisler. Gleichzeitig sei aber allen klar, dass ein wolfsfreier Alpenraum eine Illusion ist.
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- Geisler Almbilanz 1: Land Tirol