Tobias Moretti und Stardirigent Franz Welser-Möst bilden mit Kurt Weinberger, dem Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, eine Allianz gegen den rasanten Bodenverbrauch. Alleine in den letzten 20 Jahren sind 150.000 Hektar Agrarflächen durch Verbauung zerstört worden, was der gesamten Ackerfläche des Burgenlands entspricht. Der tägliche Bodenverbrauch in Österreich liegt mit rund 13 Hektar (entspricht 20 Fußballfeldern) weit über dem im Regierungsprogramm verankerten Ziel von maximal 2,5 Hektar (entspricht rund 4 Fußballfeldern). Damit ist der Bodenverbrauch eines der brennendsten Umweltprobleme unserer Zeit.
Wir legen unsere Lebensmittelversorgung in Schutt und Asche
Tobias Moretti, langjähriger Unterstützer der Bodenverbrauchskampagne der Österreichischen Hagelversicherung, sieht vor allem die Versorgung Österreichs mit regionalen Lebensmitteln gefährdet: „Wir legen unsere Lebensmittelversorgung in Schutt und Asche und sägen damit am eigenen Ast. Besonders in Krisenzeiten legen die Österreicherinnen und Österreicher zunehmend mehr Augenmerk auf den Konsum regionaler Lebensmittel. Wir jedoch machen uns durch den hohen Flächenverbrauch in Österreich immer mehr von ausländischen Lieferanten abhängig. Ganz abgesehen vom Wahnsinn, ständig unsere Grün- und Ackerflächen in Bau- und Industrieland umzuwidmen. Es gibt ja kein Zurück mehr! Braucht wirklich jedes Dorf sein eigenes Industrie- bzw. Shoppingcenter? In und um Innsbruck gibt es mittlerweile vier bis fünf große Einkaufszentren, in einem Gebiet, das vielleicht 15 km umfasst. Man braucht nie mehr von Kultur zu reden, wenn man die Kultur des eigenen Lebens und Lebensraumes vernichtet.“
Die Landschaft ist die Seele eines Landes
Stardirigent Franz Welser-Möst sieht in der Zerstörung unserer Böden durch Verbauung und der damit einhergehenden Verschandelung unserer Landschaft eine Gefährdung der Identität Österreichs: „Die Kultur Österreichs – die Musik, die Salzburger Festspiele aber auch die wunderschöne Landschaft – wird in der ganzen Welt geschätzt und geliebt. Sie ist ein Teil Österreichs und somit ein Teil jeder Österreicherin und jedes Österreichers. Mit jedem Quadratmeter Boden, den wir unter Beton vergraben, stirbt auch ein Teil dieser Identität. Doch wir alle brauchen den Boden. Einerseits für unser tägliches Brot, andererseits für unsere Seele. Er ist ein Auffangbecken, nicht nur für Wasser, Pflanzen und Tiere. Der Boden nährt mit seiner grünen Natur auch unsere Seele.“ Studien zeigen, dass Kinder, die in einer ungünstigen Umgebung im Sinne von verbauter und zubetonierter Fläche aufwachsen, im späteren Leben auch vermehrt zu Aggressionen neigen. Deswegen sollten die Böden in Zukunft nicht nur nach ihrem Quadratmeterpreis oder ihrer Flächenwidmung beurteilt werden, sondern vor allem in ihrer Bedeutung für das Ökosystem und unser seelisches Wohlbefinden.
Kartoffeln bald aus Peru statt aus Österreich?
Weinberger, langjähriger Kämpfer für den Erhalt unserer Böden, weist auf die dramatischen Auswirkungen und Gefahren für eine Gesellschaft ohne ausreichende Selbstversorgung mit Lebensmitteln hin: „Wenn der Bodenverbrauch so weitergeht wie in den letzten 20 Jahren, wird es in 200 Jahren in Österreich keine Agrarflächen mehr geben. Tag für Tag wird der österreichischen, systemrelevanten Landwirtschaft damit ein Teil der Produktionsgrundlage und unseren Kindern ein Teil der Zukunft verbaut. Diese Entwicklung gefährdet die Ernährungssouveränität Österreichs massiv. Beim Brotgetreide haben wir bereits jetzt nur mehr einen Selbstversorgungsgrad von 86 Prozent, bei Kartoffeln sind es 80 Prozent, bei Gemüse nicht einmal mehr 50 Prozent und bei Soja sogar nur mehr 15 Prozent. Aber auch der Klimawandel wird beschleunigt. Durch die Versiegelung des Bodens geht notwendiger CO2– und Wasserspeicher für immer verloren, Schäden durch Wetterextremereignisse, wie Dürreperioden und Hochwasser, werden mehr. Wir brauchen den Boden zum Leben, wie die Luft zum Atmen. Denn ein Land ohne Böden ist wie ein Mensch ohne Haut – nicht überlebensfähig.“
Abschließend betonen Moretti, Welser-Möst und Weinberger, dass sie die Allianz „Stoppt Bodenvernichtung“ ins Leben gerufen haben, um zu verhindern, dass Österreich zu einer Beton- und Asphaltbrache wird. Ein Land ohne Äcker ist ein Land ohne Zukunft. Ihr Anliegen besteht darin, allen Österreicherinnen und Österreichern bewusst zu machen, dass das Naturkapital Boden, Luft oder Wasser auf langfristige Sicht für das Wohlergehen einer Nation wichtiger ist als kurzfristige wirtschaftliche Zuwachsraten. Daher setzen sie sich für ein Ende der Zerstörung unserer Böden durch Verbauung ein. Sie appellieren an die Entscheidungsträger, das Regierungsprogramm umzusetzen und den täglichen Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar zu begrenzen.