Gartenbau: Der Herr der Flamingoblume

Erst war die Nelke, dann kam Anthurium. Werner Jedletzberger gehört mit seinem Betrieb am Mitterweg in Wien-Simmering zu der Handvoll Gärtner in Österreich, die ganzjährig Schnittblumen kultivieren. Ein Besuch zeigt, wie es möglich ist, in einer Nische zu bestehen.

Werner Jedletzberger kultiviert 25 Sorten Anthurium. Vielfalt, Qualität und eigene Vermarktung sichern das Einkommen.

Sie hat die Blume des Regenwaldes in Wien-Simmering heimisch gemacht. Die Gärtnerei Jedletzberger ist mit ihrer Schnittblumenkultur von Anthurium, auch Flamingoblume genannt, ebenso wie die Pflanze selbst, ein Exot. Der bereits in fünfter Generation bestehende Betrieb liegt in der Kernzone des Wiener Gartenbaus und ist ausschließlich von Gemüsegärtnern umgeben. Unter der ohnehin kleinen Zahl an heimischen Schnittblumenbetrieben ist Jedletzberger der einzige, der die Marktnische Anthurium besetzt.

Die Vermarktung ist der Schlüsselfaktor

„Das Wachstum war schrittweise“, schildert der heutige Betriebsleiter, Gartenbaumeister Werner Jedletzberger (38). Sein Großvater Josef habe seinerzeit den traditionellen Gemüsebau je nach Vermarktungsmöglichkeit mit Blumen ergänzt. Mit Freesien, Iris, Tulpen, Narzissen und Chrysanthemen sowie vor allem mit der Kultur von Nelken und Spraynelken habe sich der Schwerpunkt immer mehr auf die Blumen verlagert. Im Jahr 1978 folgte der Vermarktungsschritt auf den Blumengroßmarkt Wien-Inzersdorf.
„Produzieren ist das eine, den Rahmen für den Umsatz bestimmt aber sehr stark die Vermarktung“, beschreibt Werner Jedletzberger die Situation. Aktuell ist die Gärtnerei von Montag bis Samstag am Blumengroßmarkt präsent. Herausfordernd sind die Marktzeiten, denn man sei von 2.30 Uhr in der Nacht bis etwa 8.30 Uhr am Vormittag gefordert. Möglich ist dieses Pensum nur durch die tatkräftige Unterstützung der Eltern, Herbert und Christa Jedletzberger. Vater Herbert ist zudem auch Obmann der Marktgemeinschaft Blumengroßmarkt.
Das Sortiment ist vielfältig. Aus eigener Produktion kommen heute Gräser, Efeuranken und Schnittstauden sowie Purpurglöckchen, Calla, Hortensien, Quitten, Schneerosen, Duftpelargonien und Pfingstrosen. Über das Jahr gesehen sind es etwa 80 Blumenarten, die unter Kultur stehen.
Nelken vermarkten die Jedletzbergers nur noch über ihren Blumengroßhandel, der gegründet wurde, um den Kunden auch im Winter Abwechslung bieten zu können. An die Stelle der Nelken trat ab dem Jahr 1998 die Flamingoblume. Die Umstellung wurde durch den Fernwärmeanschluss begünstigt. Anthurium braucht das ganze Jahr über Regenwaldbedingungen mit zumindest
17 °C. Die Vermarktung der Nelken war damals an wirtschaftliche Grenzen gestoßen, weil die Konkurrenz aus der kolumbianischen „Nelkenhauptstadt“ Bogota einfach zu groß geworden war.

Regenwasserbehälter und Hackgutheizung

Der Schritt war risikoreich, denn um den Ansprüchen der Flamingoblume Rechnung zu tragen, war die Investition in zwei Regenwasserbehälter zu je
1.000 m3 erforderlich. Zudem mussten die Glashäuser mit Energieschirm, Schattierung und Sprühnebelanlage ausgerüstet werden. Um mit dem Regenwasser auszukommen, wurde zudem ein geschlossener Kreislauf installiert, bei dem das Restwasser aus dem Pflanzsubstrat nach UV-Entkeimung wieder zurückgeführt wird. Jüngste Herausforderung waren die Energiekosten. Gemeinsam mit einem Nachbarbetrieb entschied sich Jedletzberger für den Bau einer mit Hackgut befeuerten 1.500-kW-Doppelkesselanlage samt 600-m3-Pufferspeicher, die im Herbst 2020 in Betrieb ging. Alleine der an die zehn Meter hohe Speicher nötigt Respekt ab. In Summe knapp eine Million Euro kostete die Sicherung der Wärmeversorgung, die trotz eines guten Drittels Investförderung schon ein gewaltiger Finanzierungsbrocken ist. Werner Jedletzberger ist zuversichtlich, dies bewältigen zu können.

1.034 Betriebe, eine Milliarde Produktionswert

Quelle: BZ / Maad
Karin Lorenzi ist Referentin für Gartenbau der LKÖ

Österreichs Gartenbau ist vielfältig. Laut Karin Lorenzi, Gartenbau-Referentin der LK Österreich. zählt man 1.034 Betriebe. Allerdings hat die Zahl der Betriebe von 2015 bis 2020 um 14 Prozent abgenommen. Knapp eine Milliarde Euro Jahresumsatz (8,3 % der Landwirtschaft) teilen sich Gemüsebau und Zierpflanzenbau je etwa zur Hälfte. Hoch ist der Bedarf an Fremdarbeitskräften. Neben rund 3.000 familieneigenen Arbeitskräften beschäftigt die Branche auch gut 9.000 Familienfremde. Nach Sparten betrachtet bearbeiten im Zierpflanzenbau 519 Gärtnereien 341 Hektar. Zierpflanzen vermarkten die Gärtner überwiegend selbst an die Konsumenten, bei Schnittblumen sind Supermärkte und Floristik die Hauptabnehmer. Dazu kommen 174 Baumschulen, die auf gut 1.000 Hektar Stauden und Gehölze produzieren. Dem Gemüsebau widmen sich 341 Gärtnereien auf einer Fläche von 546 Hektar. Das Gemüse wird zu 95 Prozent über Erzeugerorganisationen vermarktet.

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  • 2420 0702 Lorenzi Portrait: BZ / Maad
  • 2420 0701 Jedletzberger: BZ / Maad
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AUTORHans Maad
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