Nach fünfzehnjährigem Importstopp lässt die Volksrepublik China wieder Schweinefleischeinfuhren aus Russland zu. Die chinesische Zollverwaltung hat die geltenden Einschränkungen aufgehoben, schreibt Agra-Europe unter Berufung auf den Föderalen Aufsichtsdienst für die Tier- und Pflanzengesundheit in Russland (Rosselkhoznadzor). Diese wurden 2008 nach ersten ASP-Ausbrüchen in Russland verhängt. Bekanntermaßen wurde in China, trotz aller Seuchenbestimmungen, 2018 der erste Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest offiziell bestätigt. Laut Angaben der Zollbeamten sei eine aktuelle Risikobewertung des russischen ASP-Kontrollsystems nun positiv ausgefallen. Nichtsdestotrotz werde auch in Zukunft nur Fleisch aus Regionen importiert, die nachweislich frei vom hochinfektiösen Virus sind, außerdem würden spezielle Inspektions- und Quarantänebestimmungen für russische Ware erarbeitet, heißt es.
Die Marktöffnung sei das Ergebnis zehnjähriger Verhandlungen, wird bei Rosselkhoznadzor unterdessen erklärt. Erste Lieferungen werde es jedoch aufgrund des bürokratischen Aufwands frühestens im zweiten oder dritten Quartal 2024 geben. Analysten zufolge verfolgt China mit diesem Schritt eine Diversifizierung seiner Importe und dürfte durch den Handel mit Russland die strategische Partnerschaft mit Moskau stärken wollen.
ASP bleibt Dauergast
Der Vorsitzende des nationalen Schweinezüchterverbandes in Russland, Jurij Kowalew, begrüßt unterdessen den zurückgewonnenen Absatzmarkt für seine Branche. Da immer weniger Länder frei von ASP seien, müsse es Einfuhrkontrollen geben, umfassende Importsperren seien aber nicht mehr zeitgemäß, konstatiert Kowalew. Dass sich der oberste Schweinezüchter der Föderation so positioniert, verwundert wenig, hat sein Land doch weiterhin mit der Ausbreitung des Virus zu kämpfen. Allein im September wurden drei ASP-Fälle in der Region Krasnodar im Südwesten Russlands registriert, wie die niederländische Fachzeitschrift Pig Progress berichtet. Außerdem entdeckten Behörden mit dem Virus infiziertes Fleisch in verarbeiteten Lebensmitteln sowie in einer Kantine und einer Einzelhandelsfiliale.
Zugleich wurden in einem Wald Kadaver von zwei ASPinfizierten Hausschweinen und Schlachtabfälle eines dritten Tieres gefunden. Diese dürften Landwirte dort versteckt haben, um den Ausbruch der Seuche zu verheimlichen. Solche Handlungen haben zuletzt zugenommen, wie Russlands Veterinärbeamte beklagen. Immer wieder würden russische Bauern infizierte Kadaver verbrennen, auf Mülldeponien entsorgen oder in Wäldern verscharren, was zur weiteren Ausbreitung der Seuche beitrage. Der genaue Ursprung der aktuellen Infektionswelle kann laut Angaben der staatlichen Veterinärbehörde noch nicht festgemacht werden. Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, sollen nun 12.000 Schweine gekeult werden.
Produktionszuwächse trotz Krieg
Nichtsdestotrotz bleibt die Schweineproduktion in Russland ein Erfolgsmodell. Die Branche ist in den vergangenen Jahren massiv gewachsen. Benötigte Russland 2012 noch 1,1 Mio. Tonnen – vorwiegend europäisches – Import-Schweinefleisch, um den nationalen Bedarf zu decken, hat sich das Land binnen zehn Jahren zum Nettoexporteur entwickelt. Im Vorjahr nahm die Erzeugung, trotz kriegsbedingt angespannter Anbindung an den Weltmarkt, um 8 Prozent auf knapp 4,5 Mio. Tonnen zu, wie die Fachzeitschrift SUS meldete. Hauptgeschäft für Russlands Schweinebauern blieb zwar der Inlandsmarkt, welcher aufgrund des ständig steigenden Schweinefleischkonsums von nunmehr 30 Kilogramm pro Kopf und Jahr weiter im Wachsen begriffen ist.
Mit einem Exportvolumen von etwa 170.000 Tonnen gewinnen jedoch auch die Ausfuhren an Bedeutung. So konnte Moskau lokalen Medienberichten zufolge zuletzt etwa seine Exporte ins benachbarte Weißrussland auf über 55.000 Tonnen mehr als verdoppeln. Vom chinesischen Markt erwartet sich Jurij Kowalew vor allem „erhebliche Konkurrenz“. „5 bis 7 Prozent des Marktes erobern“, so sein proklamiertes Ziel. In Peking ist der Bedarf an Schweinefleisch heuer ohnehin erneut gestiegen. Von Jänner bis August wurden bereits 1,17 Mio. Tonnen Ware importiert, um 10 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Als wichtigste Zulieferer traten Spanien und Brasilien auf.
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- Transport Schweinehälften: COUNTRYPIXEL - STOCK.ADOBE.COM