Kommentar von Martin Kugler,
Martin Kugler, Wissenschaftskommunikator am Austrian Institute of Technology
Zu Wochenbeginn gab es eine echte Erfolgsmeldung: Mittlerweile ist jeder zweite Mensch in Österreich zumindest einmal gegen Corona geimpft, und die Zahl der vollimmunisierten Menschen hat die 2,5-Millionen-Marke überstiegen.
Die rasanten Fortschritte sind sehr erfreulich, jede einzelne Impfung ist ein Schritt hin zur Normalität – die wir alle ersehnen.
Doch in unserer Freude sollten wir nicht übersehen, dass wir sehr privilegiert sind. Etwa im Vergleich zu Afrika: Auf diesem Kontinent mit 1,3 Milliarden Einwohnern wurden bisher gerade einmal 42 Millionen Impfdosen verabreicht.
In Ägypten zum Beispiel beträgt die Impfrate gerade einmal 3,3 Prozent, in Nigeria 0,9 Prozent, im Kongo 0,04 Prozent. Und: Allein in Österreich wurden bisher mehr Corona-Tests durchgeführt als in ganz Afrika.
Aber auch bei uns in Europa gibt es ähnlich besorgniserregende Zahlen, nämlich am Westbalkan, weshalb Österreich nun eine Million Impfdosen an diese Region direkt vor unserer Haustüre spenden will.
Das ist nicht nur eine Frage von Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit.
Gelebte Solidarität ist auch in Corona-Zeiten ein wirksamer Selbstschutz: Wenn die Viren irgendwo ungehindert zirkulieren können, entstehen neue, möglicherweise immer gefährlichere Varianten – gegen die die Impfung vielleicht sogar wirkungslos ist. Und diese Viren kommen mit Sicherheit auch wieder zu uns.
Wer die Österreichische Regierung nun kritisiert, dass sie Impfungen „verschenkt“ – wie das jüngst eine Oppositionspartei und auch der Ärztekammerpräsident getan haben –, der ist entweder zynisch oder kurzsichtig.