Ein Hahn legt keine Eier, dieser natürliche Sachverhalt bedeutete für die Hähne der modernen Legerassen bisher das sichere Todesurteil – schon als Küken müssen die Tiere mangels anderer wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeiten ihr Leben lassen. Vielen bewusst handelnden Konsumenten ist das ein Ärgernis. Österreichs Bio-Legehennenbranche geht nun in die Offensive und setzt ein Projekt um mit dem Ziel, die in der Bioeierproduktion anfallenden männlichen Küken aufzuziehen und als hochwertiges Schlachtgeflügel zu vermarkten.Namens der Branche haben Robert Wieser (Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Geflügelwirtschaft, ZAG), Karlheinz Uhl (Nest-Eier GmbH) und Benjamin Guggenberger (EZG Frischei) am 4. Oktober 2016 das Projekt in Wien vorgestellt.
Schmackhaftes Fleisch
Laut Uhl ist das Fleisch der aufgezogenen Hähne sehr schmackhaft und als hochqualitativ einzustufen, auch wenn die Filets im Vergleich zu Masthendln deutlich kleiner ausfallen. Der Haken bei der Sache liege jedoch bei den Kosten. Denn die Vorgaben im Projekt lauten, dass jedes Tier mindestens 60 Tage im Stall bleibt bzw. ein Mindestlebendgewicht von einem Kilogramm erreichen muss, wobei ausschließlich Biofutter zum Einsatz kommen darf. Angepeilt wird, dass bundesweit etwa 40 Biobetriebe für die spezialisierte Aufzucht der männlichen Küken gewonnen werden können.Vorgesehen ist, die zusätzlichen Kosten für die Aufzucht branchenintern aufzuteilen. Dies ist letztlich nur über einen Preisaufschlag auf Bioeier finanzierbar. Dieser liegt bezogen auf den Erzeugerpreis für Bioeier in der Größenordnung von 15 bis 20 Prozent. Laut Wieser tragen die Landwirte das Projekt mit. Auch der Lebensmittelhandel bekennt sich bisher in Wort und Tat zu der Sache. Einzelne Produktangebote sind bereits gelistet. Damit die Aufzucht der männlichen Legerassenküken im Biobereich flächendeckend umgesetzt werden kann, wurde beim Gesundheitsminister eine Aufnahme des Produktionsverfahrens in den Österreichischen Lebensmittelkodex beantragt. Das Verfahren ist derzeit im Laufen.Aufgrund der verpflichtenden Ei-Kennzeichnung im AMA Gütesiegel Programm gibt es in Österreich kaum ein anderes tierisches Lebensmittel, das ähnlich gut abgesichert bis zum Erzeugerbetrieb zurückverfolgt werden kann. Allerdings wird jedes zweite im Inland produzierte Ei im Bereich der Gastronomie und der Lebensmittelverarbeitung weitgehend anonym verwendet.
Schwachstelle Gastro
In diesem Segment ist den Verarbeitern ein niedriger Einkaufspreis besonders wichtig. Obwohl in Österreich die Haltung von Legehennen in der konventionellen Käfighaltung seit 2009 verboten ist, dürfen Eiprodukte aus dieser Haltungsform – ohne besondere weitere Kennzeichnung – verwendet und verarbeitet werden.”Die österreichische Legehennenhaltung kann nur dann in Zukunft weiter Vorreiter bei tierfreundlicher und nachhaltiger Erzeugung sein, wenn unsere hochwertigeren, österreichischen Eier und Eiprodukte auch gekauft werden. Das gelingt nur, wenn solche Lebensmittel besser und eindeutig gekennzeichnet werden”, gibt Wieser zu bedenken und sieht die Kennzeichnung als “Gebot der Fairness am Markt”.
Früherkennung
Eine andere Lösung der Frage “Was tun mit den männlichen Legeküken?” wäre die Früherkennung des Geschlechts im Brutei. Die Wissenschaft forscht intensiv zu diesem Thema. In Deutschland wollen die Forscher bis zum Sommer 2017 dazu ein vollständiges Modulsystem vorstellen. Als Pilotprojekt ist ein Demonstrator zur automatisierten Geschlechtsdiagnose beim Huhn bereits entwickelt worden. Parallel dazu werden in groß angelegten Brutversuchen die Effekte der Untersuchungsmethodik auf Embryonalentwicklung, Schlupfrate der Küken und letztendlich die Leistungsparameter von Legehennen getestet. Auch wenn dies vielversprechend klingen mag, mittelfristig bzw. bis die Früherkennung tatsächlich praxisreif ist, führt kein Weg an der Aufzucht der männlichen Legehybridküken vorbei.
Tierwohl: Jede zehnte Henne ist bio
Der Gesamtbestand an Legehennen in Österreich beträgt rund 6,4 Mio. Tiere. Davon sind rund 700.000 Tiere (11 %) als Biolegehennen registriert – somit steht etwa jedes zehnte Huhn in Biohaltung, Tendenz steigend. Österreichs Legehennenhalter sind auch abgesehen von Bio führend bei der Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen. Die Käfighaltung wurde bereits 2009 verboten – drei Jahre früher als in anderen EU-Ländern. Auch das Stutzen der Schnabelspitzen ist hierzulande kein Thema mehr. Seit 2010 ist die gentechnikfreie Fütterung österreichweiter Standard, seit 2013 stammt die Haupteiweißquelle Soja ausschließlich aus europäischer Produktion (“Donausoja”). Diese Qualitätskriterien werden im Rahmen des AMA-Gütesiegels laufend überprüft. Der Selbstversorgungsgrad bei Eiern beträgt etwa 84 Prozent.