BauernZeitung: Energiegemeinschaften sind jetzt im Erneuerbaren Ausbaugesetz verankert. Wie schaffen wir nun, dass Bauern in ihrer eigenen Region zu Energielieferanten werden?
Plank: Im ländlichen Raum wird über den Erfolg der Erneuerbaren Energien entschieden. Diese sind auch für die Landwirtschaft eine Riesenchance, denn sie brauchen Fläche. Und eine gute Möglichkeit für bäuerliche Betriebe als auch für andere Akteure im ländlichen Raum, selbst zu investieren und Erträge zu erwirtschaften. Zum Beispiel in Photovoltaik-Anlagen oder gemeinsam auch in Strom und Wärme. Mit dem EAG kommen auch die Energiegemeinschaften, wo sich jetzt Verbraucher und Erzeuger zusammenschließen und regional einen Beitrag leisten können.
Auch die Land- und Forstwirtschaft muss ihre Treibhausgasemissionen senken. Was ist „Carbon Farming“, und was kann dieses Modell dazu beitragen?
Die Land- und Forstwirtschaft ist der einzige Sektor, der Treibhausgase im Boden lang- und kurzfristig speichern kann. Zum Beispiel durch Humusaufbau auf landwirtschaftlichen Flächen. Das wird künftig einen Marktwert haben. Auch Produkte der Holzwirtschaft, Baustoffe wie Holzhäuser, haben eine wichtige Speicherfunktion, die wir honorieren müssen. Damit können die Bewirtschafter einen zusätzlichen Ertrag erreichen. Es gibt bereits Ansätze, dass diese Speicherfunktion auch honoriert wird. Das Modell „Carbon Farming“ wird nicht nur in Europa, sondern weltweit gegen die weitere globale Erwärmung ausgerollt. Viele Details werden derzeit noch von Experten erarbeitet. Nicht nur über Maßnahmen in der künftigen EU-Agrarpolitik, sondern auch durch neue Modelle könnten Geldmittel aus anderen Sektoren – wo Emissionen ohnehin reduziert werden müssen – einfließen. Ein Schönheitsfehler der GAP ist die reine Umverteilung der Mittel. Es würde aber zusätzliche Gelder brauchen.
Bauern sind klassische Rohstoff-Lieferanten oder vermarkten direkt. Gibt es auch Vermarktungsformen dazwischen mit Potenzial?
Es gibt viele Vermarktungsschienen, die den Weg zu den Konsumenten abkürzen. Derzeit entwickeln sich immer mehr neue Plattformen, die über Dritte eine Verbindung zwischen Verbrauchern und Bauern herstellen. Noch mehr Direktvermarktung über modernen Onlineverkauf zum Beispiel.Aber nur die wenigsten sind breitenwirksam. Onlinemarketing muss professionell sein, so wie bei bekannten Onlineanbietern. Konzentrieren wir uns daher lieber nur auf ein oder zwei ganz starke Plattformen. Wenn ich etwa Produkte der AMA-Genussregion im Internet suche, muss ich alles auf einen Blick haben. Gleizeitig wird der Absatz von Agrarprodukten und Lebensmitteln über den Lebensmittelhandel genauso wichtig bleiben.
Eine neue WIFO-Studie legt offen, dass der Anteil der Bauern an der Wertschöpfung der Lebensmittel von 20 auf 17 Prozent gesunken ist. Was sind die Ursachen dafür?
Der Hauptgrund ist, dass Lebensmittel im Überfluss da sind. Unsere Wegwerfgesellschaft ist ein Ausdruck dessen, dass die Lebensmittel günstig sind. Diese günstigen Lebensmittel und die Versorgungssicherheit, die wir haben, ist das Verdienst der Bauernschaft und der Vermarktungsketten. Nur die Wertschöpfungssteigerung konnten die Bauern nicht erreichen. Zudem ist die extreme Konzentration im Lebensmittelhandel ein Problem. Die drei größten Ketten haben 87 Prozent des Marktes in der Hand. Sie schaffen viele Absatzmöglichkeiten, dominieren aber die Bedingungen und die Spielregeln und Preise. Auch steht die Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb mit offenen Grenzen. Das erzeugt permanent Druck, da es die klassischen Interventionsmaßnahmen auf den Märkten nicht mehr gibt. Für die Entwicklung der bäuerlichen Betriebe werden das weiterhin die zentralen Themen sein. Denn mit öffentlichen Geldern werden wir das, was auf den Märkten verloren geht, niemals ausgleichen können. Aufgabe der Organisationen ist, sich zu bündeln, um auf den Märkten eine Rolle zu spielen.
Wurde früher zu wenig Augenmerk auf die Vermarktung gelegt?
Natürlich, für die Vermarktung waren immer andere zuständig. Das hat auch funktioniert. Nur jetzt haben wir Konsumenten, die immer mehr über die Produkte und ihre Herkunft und Herstellung wissen. Das ist positiv und braucht gleichzeitig enorm professionelle Betriebe und Vertriebswege sowie Kommunikation.
Marktanteile von über 35 Prozent bei Österreichs Handelsriesen sind üblich, wir reden bei diesen zumindest von einem Oligopol. Hat ein einzelner Bauer Chancen, das zu ändern?
Der Einzelne kann – wenn es für ihn passt – mit anderen Vermarktern andere Wege oder stärker in die Direktvermarktung gehen. Generell müssen die Bauern jedenfalls gemeinsam mit ihren Genossenschaften ihre Marktposition gegenüber den großen Abnehmern stärken, weil der Druck immer größer wird. Das schafft man nur, wenn alle gut zusammenarbeiten.
Deutschland setzt das europäische Gesetz gegen unfaire Vertrags- und Lieferbeziehungen bereits um. Warum hört man von der sogenannten UTP-Richtlinie bei uns so wenig?
Dieser Zustand ist unvertretbar. Österreich ist hier säumig, es steht uns bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission ins Haus. Wir hören seit Monaten, dass es auf Regierungsebene koordiniert wird. Bleibt zu hoffen, dass man damit bald fertig ist. Derweil wird unendlich viel Zeit versäumt – zulasten der Erzeuger, also der Bauern und auch der Verarbeiter. Die Umsetzung der Richtlinie löst gewiss nicht alle Probleme, wäre aber ein wichtiger Schritt im Land mit der höchsten Konzentration im Lebensmittelhandel.
Zur Person: DI Josef Plank ist Chef der Abteilung für Agrar-, Wirtschafts- und Europafragen im Österreichischen Raiffeisenverband und Obmann des Vereines „Wirtschaften am Land“.
Martina Rieberer
UTP-Umsetzung
Verspätete Zahlungen für verderbliche Lebensmittel, Auftragsstornierungen von Paletten voll Salat in letzter Minute: Am Lebensmittelmarkt wird mit harten Praktiken gekämpft, im Frischebereich wie auch bei verarbeiteten Produkten.
Es ist ein täglicher Kampf um Margen und niedrigste Preise.
Mit dem Verbot sogenannter unlauterer Handelspraktiken kann Österreichs Bundesregierung die Verhandlungsposition kleiner Erzeuger und Lieferanten gegenüber dem Handel stärken. Im April 2018 präsentierte die EU-Kommission einen ersten Vorschlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette. Damit war die EU-Kommission der jahrelangen Forderung auch der früheren Europaabgeordneten Elisabeth Köstinger nach einer EU-weiten Regelung gefolgt.
Die Mitgliedstaaten müssen nun dafür sorgen, dass das Bündel an nationalen Maßnahmen ab 1. November 2021 angewandt wird. Mit dem Fairnesskatalog für Unternehmen, der Einrichtung der Beschwerdestelle und der unterfertigten Erklärung der Lebensmitteleinzelhändler setzte die Bundesregierung bereits erste Schritte. Einzig das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb fehlt. Andere Europäische Mitgliedstaaten, wie etwa Deutschland, haben das Gesetz bereits national beschlossen, während in Österreich langsam die Zeit knapp wird.