BauernZeitung: Was sind die drei wichtigsten Punkte in Ihrem Wahlprogramm?

WALTER: Unsere Betriebe brauchen Sicherheit: In Energie-Fragen, über die künftigen Rahmenbedingungen beim Pflanzenschutz und bei den Düngemitteln und um in Zukunft mit weniger und nicht mit mehr Verwaltungsaufwand konfrontiert zu sein. Als die Preise für Energie förmlich explodiert sind, haben uns der Bund und das Land Wien dankenswerterweise rasch und umfassend unterstützt. Aber die Krise ist noch nicht vorbei. Wir erwarten uns daher weitere Hilfen. Vom Bund mit einer Neuauflage des Energiekostenzuschusses und auf Landesebene durch die Verlängerung wirtschaftlich tragbarer Fernwärme-Verträge. Auch muss Wien den Ausbau der Geothermie rasch vorantreiben. Die derzeit auf EU-Ebene diskutierte, radikale Einschränkung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln muss mit Augenmaß erfolgen. Niemand setzt diese teuren Mittel aus Jux und Tollerei ein. Unsere Mitglieder arbeiten alle nach dem Motto: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. Und gegen den immer weiter wuchernden Verwaltungsaufwand sollte auch die Digitalisierung helfen, um unsere mehr als 600 Gartenbau-, Weinbau-, Ackerbau-, Gemüse-, Obst- und Zierpflanzenbau-Betriebe in Wien von längst nicht mehr zeitgemäßer Bürokratie zu entlasten.

Quelle: Harald Klemm
Walter betonte, dass Bundesminister Norbert Totschnigg sich einsetzt für die Entlastungsmaßnahmen für die Landwirtschaft, für die Sicherung der Betriebe sowie für eine außerordentliche Anpassungshilfe in Höhe von 9 Millionen Euro für alle Glashausbetriebe in Österreich. Ebenso konnte gemeinsam der Stromkostenzuschuss in der Landwirtschaft erreicht werden.

Ihr persönliches Wahlziel, auch für Ihr Team, lautet?

Wir sind breit, bunt und zukunftsfit aufgestellt. Unsere 40 Kandidatinnen und Kandidaten, die aus allen Sparten kommen, haben hohe Fachkompetenz. Sie repräsentieren auch alle Generationen unserer Stadtlandwirtschaft. Je mehr von ihnen in der neuen Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Wien vertreten sein werden, desto deutlicher wird auch die klare Handschrift des Wiener Bauernbundes. Gemeinsam wollen wir die Stadtlandwirtschaft weiterentwickeln und vorantreiben, wovon alle Wienerinnen und Wiener profitieren.

Welche Probleme sind derzeit aus Sicht der Wiener Landwirte die dringlichsten?

Das sind eindeutig die weiterhin sehr hohen Kosten für Energie und Betriebsmittel, aber auch der Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel. Gerade der Gartenbau und die vermehrte Umstellung auf biologische Landwirtschaft verlangen einen erhöhten Einsatz von Arbeitskräften. Generell wird es für viele Betriebe immer schwieriger, im Großstadtumfeld ihr agrarisches Eigentum zu bewirtschaften: Äcker werden als Hunde-Auslauf missbraucht, Weingärten zu Spielweisen. Wir haben bereits mit Tafeln, auf einen achtsamen Umgang hinzuweisen. Das muss unbedingt fortgesetzt werden, für ein dauerhaft besseres Miteinander von Landwirten, Jägern und Erholungssuchenden.

Quelle: Harald Klemm
LK-Wien-Vizepräsident Martin Flicker und LK-Wien-Präsident Norbert Walter besuchten den Wiener Traditionsbetrieb Kasehs. Moosbrugger brachte es auf den Punkt: „Die hohen Energiekosten sind für unsere landwirtschaftlichen Betriebe, und da vor allem für die Gärtnereien, derzeit eine der größten Herausforderungen überhaupt. Das zeigten mir alle Gespräche mit betroffenen Gärtnerinnen und Gärtnern ganz deutlich.”

Welche positiven, aber auch negativen Entwicklungen sehen Sie für die Wiener Stadt- Landwirtschaft?

Positiv ist die wunderbar funktionierende regionale Versorgung mit einer breiten Vielfalt an Produkten, allen voran mit Frischgemüse. Auch die nachhaltige Entwicklung in Richtung Biolandbau sehr ich positiv. In Sachen Diversifizierung und Innovationsgeist sind wir erstklassig aufgestellt: Wien erzeugt heute seltene Gemüsespezialitäten, Schnecken, Fische, Honig, Feigen, Pilze, Hanf. Gleichzeitig sehen wir den weiteren Rückgang der landwirtschaftlichen Flächen. Und dass uns die Betriebsnachfolger fehlen. Oder, dass das Verständnis für die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern in Teilen der Wiener Bevölkerung bedauerlicherweise nachlässt.

Wo ist die Unterstützung des Landes Wien für die Landwirtschaftskammer zufriedenstellend, wo braucht es unbedingt Verbesserungen?

Verbesserungspotentiale gibt es immer. Die Verantwortlichen im Rathaus haben auch ein grundlegendes Verständnis für die Landwirtschaft. Ich nenne bewusst den Wiener Weinpreis, das Genussfestival, den Weinwandertag oder die Marke der Landwirtschaftskammer Wien „Stadternte“. Auch das Bioaktionsprogramm des Landes Wien hat es verdient, extra herausgehoben zu werden. Dagegen sehe ich bei der Finanzierung unserer Interessenvertretung noch Verbesserungspotenzial. Stichwort: Indexierung der Landwirtschaftskammer-Finanzierung. Und auch betreffend Parkpickerl-Regelung würde ich mir Verbesserungen für unsere wirtschaftenden Betriebe wünschen.

Was haben die Bauernbündler in der LK Wien für die LK-Mitglieder in der abgelaufenen Periode erreicht?

Das Sonderprogramm des Bundes für den geschützten Anbau in der Höhe von 9 Millionen Euro. Auch Energiekostenzuschuss 1 und 2 gehören hier genannt. Und die Verlängerung des Bioaktionsprogrammes für Neueinsteiger und Bestehende. Bei der Neufassung des Agrarstrukturellen Entwicklungsplans konnten wir unser Anliegen der nachhaltigen Sicherung der Betriebsflächen einbringen. Die neue Marke „Stadternte“ ist ebenfalls wichtig. Was haben wir noch erreicht? Die Wagenkarte für das Parken der Bewirtschafter in Naturschutzgebieten, eine Fortsetzung der Aktion Verhaltensregeln mit Hilfe von Hinweistafeln, ganzjährige Aussteckzeiten, eine aus der Corona-Not entstandene Regelung für Buschenschankbetriebe und die Verwendung von Wiener Produkten, vor allem von Obst und Gemüse, im Schulfruchtprogramm und in den Großküchen der Stadt Wien.

Quelle: Harald Klemm
Bei einem Lokalaugenschein bei einem Wiener Ziergartenbauer mit Norbert Walter erklärte Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm, dass es essentiell sei, dass junge Menschen auch in Zukunft Eigentum aufbauen können.

Wie würden Sie Ihr Arbeitsverhältnis zum Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und den für Landwirtschaft zuständigen Stadtrat Jürgen Czernohorszky beschreiben?

Hart im Verhandeln, aber respektvoll im Umgang. Wir kennen uns schon sehr lange und unser Arbeitsverhältnis war und ist immer von gegenseitigem Respekt und Verständnis und vom Willen zur konstruktiven Zusammenarbeit getragen. In dieser Atmosphäre wurden in den allermeisten Fällen auch gemeinsame Lösungen erzielt.

Was unterscheidet Sie von Ihren politischen Mitbewerbern?

Der Bauernbund hat stets die Zusammenarbeit und Diskussion mit allen Fraktionen gesucht. Das funktioniert meist auch klaglos. Alle Beschlüsse im Kontrollausschuss sind einstimmig gefallen. Nur mit den Blauen fällt die Zusammenarbeit weit schwerer, weil sie in Wahlkampfzeiten stets laut tönten und danach wieder für fünf Jahre verstummten. Wir hingegen setzen auf ein konstruktives Miteinander aller Betriebe.

Was hat Sie zuletzt als Agrarpolitiker geärgert, was gibt Ihnen dennoch Zuversicht für Ihren Job?

Ich finde es absolut unmöglich, dass weit entfernt vom agrarischen Alltag am grünen Tisch ideologiegetrieben über Dinge entschieden wird, die von jeder Praxis meilenweit entfernt sind, wie die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln um 80 Prozent. Das zeugt auch von fehlender Wertschätzung gegenüber der Arbeit der Landwirte, Gärtner oder Winzer. Ohne dieser Wertschätzung kann aber keine Wertschöpfung generiert werden. Zuversicht hingegen gibt mir der starke Zusammenhalt von uns Bauern, auch und gerade in schwierigen Zeiten, den ich in vielen Diskussionen verspüre. Dazu der hohe Innovationsgeist, der Wille zur Weiterbildung oder die generationenübergreifende Zusammenarbeit, die ja das Fundament für eine gute Zukunft bildet.

Was wünschen Sie sich für die Wahl?

Unser Ziel ist, dass uns die Wiener Stadtlandwirte mit einer hohen Zustimmung ihr Vertrauen aussprechen. Sie geben uns damit den verantwortungsvollen Auftrag, auch in den nächsten fünf Jahren ihre Interessen gegenüber dem Land Wien, dem Bund und der EU zu vertreten. Denn wir haben klare Vorstellungen und viele Ideen, wie wir die Zukunft unserer Betriebe gestalten möchten.

Zur Person

Bauernbundobmann Norbert Walter (54) ist Winzer in Strebersdorf, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Wien sowie Landesjägermeister.

 

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- Bildquellen -

  • Im Gespräch mit dem Landwirtschaftsminister: Harald Klemm
  • Gärtnerei-Lokalaugenschein: Harald Klemm
  • Wiener Ziergärtenbau: Harald Klemm
  • Norbert Walter: Harald Klemm
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AUTORBernhard Weber/red. AR
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