Das Landesverwaltungsgericht ist einem Ersuchen der Behörde gefolgt und legt dem EuGH mehrere Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Entnahme von Wölfen zu einer so genannten Vorabentscheidung vor. Nach der Forderung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, die über 30 Jahre alte FFH-Richtlinie zu überarbeiten und den dort verankerten strengen Schutz für die nicht mehr vom Aussterben bedrohte Tierart Wolf zu senken, ist das ein weiterer Vorstoß direkt auf europäischer Ebene.

„Politisches Ziel ist und bleibt die Änderung der FFH-Richtlinie, die schlicht und ergreifend nicht mehr zeitgemäß ist. Das ist aber eine Mammutaufgabe. Deshalb brauchen wir in der Zwischenzeit einige rechtliche Klarstellungen, damit wir auf Landesebene im Wolfsmanagement weiterkommen“, erklärt Bauernbundobmann Josef Geisler. Mit einer Entscheidung des EuGH ist in der Regel in etwa eineinhalb Jahren zu rechnen. „Bis dahin werden wir weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und nichts unversucht lassen, um die Almwirtschaft zu erhalten und die Tierhalter bestmöglich zu unterstützen. Dies wird auch ein zentraler Punkt der Koalitionsverhandlungen sein“, betont Geisler.

Gleichbehandlung gefordert

Eine Stoßrichtung beim EuGH betrifft den Gleichheitsgrundsatz. Vom strengen Schutzregime der FFH-Richtlinie ausgenommen sind Wölfe in Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Bulgarien sowie in Teilen Finnlands, Griechenlands und Spaniens. „Wir pochen auf Gleichbehandlung etwa mit ost- und nordeuropäischen Mitgliedstaaten und fordern, dass die Almwirtschaft als Besonderheit anerkannt wird. Als Österreich 1995 der EU beigetreten ist, war der Wolf bei uns noch weit weg, weshalb wir keine Ausnahmeregelungen haben“, sieht Josef Geisler den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Diese Ansicht vertritt auch der namhafte Europarechtsexperte Walter Obwexer.

Länderübergreifende Betrachtung der Population

Eine zweite wesentliche Frage, die der EuGH beantworten soll, ist die des günstigen Erhaltungszustandes. Dieser ist die Voraussetzung für reguläre Abschüsse und wird derzeit auf Ebene des Nationalstaates betrachtet. „Der Wolf kennt keine Grenzen. Deshalb macht eine nationalstaatliche Betrachtungsweise der Population keinen Sinn. Der Weg zu einer effektiven und praktikablen Regulierung führt über die gemeinsame Betrachtung der Wolfspopulation“, verweist Geisler auch auf die Arge-Alp-Initiative zum länder-übergreifenden Wolfsmanagement. Im Alpenraum geht man derzeit von 200 Rudeln aus. Aus fachlicher Sicht hat die Tierart Wolf in Europa insgesamt und auch in den einzelnen biogeographischen Regionen wie in den Alpen einen günstigen Erhaltungszustand erreicht.

Zwei weitere Vorabentscheidungsfragen des Landesverwaltungsgerichts an den EuGH betreffen die Definition von Schäden sowie die Prüfung von Alternativen zum Abschuss von Schadwölfen. „Der Wolf ist eine ernste Bedrohung für die Almwirtschaft. Ohne Weidetiere auf unseren Almen steigt die Lawinengefahr, geht die Artenvielfalt verloren und verbuscht die Landschaft. Das sind volkswirtschaftliche Schäden, die weit über einen Riss und die damit verbundene finanzielle und emotionale Belastung der einzelnen Schafhalterinnen und Schafhalter hinausgehen“, argumentiert der Bauernbundobmann. Hinsichtlich der Schützbarkeit von Almen soll geklärt werden, ob in die Bewertung neben der rein technischen Machbarkeit auch wirtschaftliche Kriterien eine Rolle spielen.

Beschwerden ausgesetzt

Das Landesverwaltungsgericht hat am Dienstag vergangener Woche, drei Tage vor Ablauf der Abschussgenehmigungen für vier Wölfe in Osttirol, nach Beschwerden mehrerer Umweltorganisationen die aufschiebende Wirkung ebendieser Beschwerden zuerkannt. Was die von den Umweltorganisationen infrage gestellte Zulässigkeit des Abschusses der Wölfe anlangt, hat das Landesverwaltungsgericht die Beschwerdeverfahren ausgesetzt, bis das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH abgeschlossen ist.

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AUTORHannah Pixner
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