Der Südtiroler Bauernbund hat sich in der Vergangenheit immer wieder für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung stark gemacht. Welche Reaktionen gab es im Vorfeld?
RINNER: So wie in Österreich und in der Schweiz auch, waren die Diskussionen rund um die Herkunftskennzeichnung recht angeregt. Der Südtiroler Bauernbund steht geschlossen hinter dieser Entscheidung, und wir sind mit unseren Hof- und Buschenschenken ja auch direkt betroffen. Wir wollten aber eine umfassende Kennzeichnung für die gesamte Gastronomie und dafür haben wir im Südtiroler Landtag eine klare Mehrheit gefunden. Dabei hat uns auch eine Umfrage geholfen, mit welcher wir belegen konnten, dass fast 90 Prozent der Südtiroler wissen möchten, woher die Zutaten auf ihrem Teller kommen. Dabei stehen regionale Produkte ganz oben auf der Wunschliste. Das Landesgesetz baut daher auf diese Verbraucherinformation auf und wir hoffen, dass damit auch der Absatz für regionale Produkte steigt. Schwierig war ebenso die rechtliche Einordnung dieser Vorschrift. Es gab EU-rechtliche Bedenken, die wir aber ausräumen konnten. Schlussendlich hat auch die Regierung in Rom entschieden, das Südtiroler Landesgesetz nicht vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Auch das war alles andere als leicht, denn wir greifen mit diesem Landesgesetz weit in die nationale Zuständigkeit hinein. Aber wenn die Zeit für eine Idee reif ist, und die Politik von dieser Idee überzeugt werden kann, dann ist vieles möglich.
Hat sich die befürchtete bürokratische Mehrbelastung für Südtirols Gastronomiebetriebe bewahrheitet?
Diese Befürchtungen gab es auch in der Schweiz. Aber das Gesetz bietet vielfältige Möglichkeiten, um die Verbraucher zu informieren. Der Mehraufwand hält sich in Grenzen, aber ohne wird es nicht gehen. Wir glauben, dass der Nutzen den Mehraufwand rechtfertigt. Wenn der Konsument wirklich die Regionalität haben möchte, dann wird der Gastwirt auf die Kennzeichnung Wert legen. Wir möchten mit diesem Gesetz den Verbrauchern die Bedeutung der regionalen Lebensmittelversorgung zeigen. Wir möchten die Verbraucher für ein besseres Ernährungssystem, das eng mit der heimischen Landwirtschaft verbunden ist, gewinnen. Unsere Zielgruppe ist eigentlich die Konsumentin und der Konsument und nicht der Gastwirt. Die Wirtschaft wird schlussendlich den Konsumentenwünschen folgen, so wie überall.
Welches Fazit kann man für diesen ersten Zeitraum ziehen?
Das Landesgesetz für die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung laut EU-Verordnung ist mit 9. August 2023 in Kraft getreten. Die Kennzeichnung von Fleisch, Milchprodukten und Eiern kann in vielfältiger Form erfolgen. Es besteht aber auch die Möglichkeit „Herkunft unbekannt“ anzugeben und damit sind auch keine Belege beizubringen. Wenn der Konsument nur bei Umfragen die gewünschten Antworten gibt, aber bei seiner Bestellung keinen Wert darauf legt, dann wird das Gesetz toter Buchstabe bleiben, denn die Strafen für die Nichteinhaltung der Vorschriften sind mit 100 Euro sehr gering. Wir setzen daher auf eine starke Verbraucherinformationskampagne. Diese wird in diesem Jahr starten. Aber ich muss zugeben, dass bisher noch nicht viel passiert ist.
Es wird immer vom notwendigen Wandel in Krisenzeiten gesprochen und dabei mit dem Finger auf die Politik gezeigt. Mit diesem Gesetz hat die Politik ihre Aufgabe erledigt und spielt den Ball an die Konsumenten zurück. Wir benötigen jetzt ein neues Ernährungsbewusstsein, das auf Regionalität und Saisonalität Wert legt.
Ist eine Ausweitung auf weitere Lebensmittel neben Fleisch, Milchprodukten und Eiern erstrebenswert oder geplant?
Jetzt steht die Umsetzung des Gesetzes zur Herkunftskennzeichnung an. Wir sind ganz bewusst mit den wichtigen tierischen Produkten aus der Berglandwirtschaft (Milch, Fleisch, Eier) in die Kennzeichnung gestartet. Ohne Tierhaltung gibt es im Berggebiet keine Landwirtschaft und keinen lebendigen ländlichen Raum. Darum wollten wir bei diesem wichtigen Bereich ansetzen, und damit auch beim Stolz der Konsumenten auf ihre hochwertigen Südtiroler Produkte aus der Berglandwirtschaft. Der Weg hin zu einem neuen Ernährungsbewusstsein ist steinig und weit. Bevor wir nicht die ersten Erfolge sehen, werden wir die Kennzeichnung nicht auf weitere Produkte ausdehnen.
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