Simone Steiner hat als Veterinärin mehrmals Transporte von Zuchtrindern in Drittstaaten begleitet. Kritik an solchen kann sie deshalb mit gutem Gewissen kontern. 

Zur Person: Dr. Simone Steiner ist Tierärztin und bei der Rinderzucht Austria tätig.

BauernZeitung: Wie geht es Rindern aus Österreich, die etwa nach Aserbaidschan gebracht wurden?
Steiner: Wir haben 2019 einen Zuchttiertransport dorthin begleitet und uns angeschaut, wie das funktioniert. Mit Filmmaterial können wir dokumentieren, dass die Transporte auf sehr hohem Niveau durchgeführt werden. An den Betrieb wurden auch schon früher Tiere aus Österreich exportiert. Damals haben wir den Besitzern geraten, die Mineralstoffversorgung der Tiere zu kontrollieren, da einige etwas stumpfes Fell hatten. Als Tierärztin ist es mir wichtig, dass es den Tieren auch wirklich gut geht. Heuer habe ich den Betrieb wieder besuchen können und konnte Tiere, die 2019 geliefert wurden, wiedersehen. Alle hatten glänzendes Fell, waren toll bemuskelt und in guter Kondition. Auf einem weiteren Betrieb, der bereits 2.000 Rinder aus Österreich gekauft hat, war das Bild ganz ähnlich.

Wie groß sind die Ställe dort?
Beide Betriebe waren groß und haben zwischen 1000 und 2000 Tieren. Es handelt sich um Laufställe in denen jeweils maximal 150 Tiere in verschiedenen Leistungsgruppen gehalten werden, viele auch mit Freilauf. Ein Betrieb hat neben Tierärzten auch einen Fütterungsberater von einer Universität eingestellt.

Quelle: Rinderzucht
Betriebsbesuch in Aserbaidschan

Sind solche Betriebe eher eine Ausnahme?
Aserbaidschan hat sehr viele Rinder, aber nicht viele solche Betriebe. Die Landwirtschaft ist kleinstrukturiert. Am Weg durch das Land haben wir viele Büffelherden und einzelne Kühe am Straßenrand gesehen. Große Farmen gibt es etwa zwei Dutzend im Aufbau. Deren Herden werden von den Behörden überwacht und gefördert, um in der Milchproduktion unabhängiger zu werden. Aktuell beträgt die Eigenversorgung nur 40 Prozent. Der Staat fördert Zuchttierkäufe, die Tiere müssen mindestens drei Jahre auf den Betrieben bleiben. Geht ein Tier ab, muss der Amtstierarzt einen Akt eröffnen. Jedes Rind ist dort auch in einer Datenbank zu finden. Die Behörden wissen um jedes Zuchttier und fördern die künstliche Besamung.

Geht es importiertem Zuchtvieh in der Türkei ähnlich?
Ja. Dort werden schon viel länger Zuchttiere importiert. 2021 haben wir fünf Betriebe in der westlichen Türkei besucht und Tiere gesehen, die schon vor neun Jahren aus Österreich dorthin verbracht worden sind und unter guten Bedingungen gehalten werden. Im dortigen Landwirtschaftsministerium haben wir den obersten Veterinär getroffen. Die Türken haben seit 2012 rund 70.000 Zuchtrinder importiert, etwa 2.500 in den vergangenen drei Jahren aus Österreich. Diese Tiere haben sehr viel Platz. Sie haben Tiefstreu oder Kompostställe, alles wird gut gemanagt.

Seit September 2022 gilt das neues Tiertransportgesetz. Was ändert sich dadurch?
Für die Bauern erst einmal nichts. Es gibt zwei Möglichkeiten, weiterhin Zuchtvieh zu exportieren. Die Tiere dürfen längstens 14 Stunden gefahren werden, dann ist eine Stunde Pause vorgeschrieben. Nach weiteren 14 Stunden Fahrt müssen sie für 24 Stunden Pause abgeladen werden. Dann darf sich das noch einmal wiederholen, um am Ziel, etwa in der Türkei, zu sein. Bei Exporten in weiter entfernte Regionen wie z.B. Aserbaidschan, Kasachstan oder Usbekistan, das sind Hauptmärkte, muss nach drei Jahren nachgewiesen werden, dass dort ein Herdenaufbau stattgefunden hat. Damit jeder Bauer weiß, dass es seinem Tier auch gut geht vor Ort. Das zu kontrollieren ist die Aufgabe der Rinderzucht Austria und der Wirtschaftskammer, die diesen Nachweis überprüfen. Neu vorgeschrieben ist, dass jeder Drittlandtransport von den Amtstierärzten im Nachhinein kontrolliert wird. Das macht die Transporte transparenter, sicherer und besser.

Bedeuten höhere Auflagen nicht auch finanzielle Nachteile?
Ja. Wir werden von vielen für unsere strengen Regeln belächelt. Unser österreichisches Zuchtvieh steht schon wegen der Quarantäne-Auflagen und vielen Untersuchungen davor preislich unter großem Konkurrenzdruck. Es gibt sicher Kunden, die genau überlegen, ob sie unsere teuren Tiere kaufen, da auch im heißen Sommer gar nicht transportiert werden darf. Gekauft werden dann eben Zuchttiere aus Ungarn oder Tschechien, wo Tierschutz noch keine so große Rolle spielt.

Wie haben Sie die Begleitung der Lebendtiertransporte erlebt?
In die Türkei sind wir hinter dem Transporter mit dem Auto nachgefahren. Nach Aserbaidschan sind wir oft geflogen, um bei der Ankunft der Rinder an den Kontrollstellen dabei zu sein. Direkt im Transporter sind die Tiere auf 5 Boxen zu je 6 bis 7 Tiere aufgeteilt. Wenn sich diese, weil nicht angebunden, bewegen, ist es zu gefährlich, um zwischen den Tieren zu stehen.

Wo kann man sich einen solchen Tiertransporter ansehen?
Wir zeigen solche Transporter auch auf Messen. Sie sind modern ausgestattet, mit Einstreu, damit die Tiere es bequem haben. Ich habe auch Kälbertransporte begleitet. Die Tiere können sich bewegen und hinlegen, sie haben Tränken und Futter. Die Raumhöhe ist an die Körpergröße der Tiere angepasst, sie können Harn absetzen, Koten, den Kopf heben. Was nicht geht ist das Aufreiten. Das will man ja auch nicht, damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen.

Schmeißt es die Tiere herum, wenn sie viel Platz haben?
Bei scharfem Bremsen ist es schon leichter, wenn ein anderes Tier danebensteht, so geben sich die Tiere gegenseitig Standfestigkeit. Die Amtstierärzte schauen aber genau, dass alle Tiere genug Platz habe und sie achten vorab auch genau darauf, wie das Wetter wird. Wird es zu heiß, darf nicht gefahren werden.

Das Fahrverbot in heißen Sommermonaten ist also gesetzlich geregelt?
Gesetzlich geregelt und genau kontrolliert wird die vorgeschriebene Innentemperatur von fünf bis maximal 30 °Celsius. Diese Temperaturen dürfen nicht über- oder unterschritten werden. Meist kommen die Tiere vor den Exporten drei bis vier Wochen in Quarantäne, in der neben den Kosten für die tierärztlichen Untersuchungen auch Kosten für Futter und Einstreu entstehen. Tritt danach unmittelbar eine Hitzeperiode ein, kann oft mehrere Wochen nicht gefahren werden. Das würde aber so viel Geld kosten, dass entschieden wurde, im Sommer keine Versteigerungen und somit keine Zuchttiertransporte durchzuführen. Die Tiere werden bei Hitze einfach nicht transportiert.

Wie begegnen Sie der generellen Kritik von Tierschützern an Tiertransporten?
Deren Hauptkritikpunkte konnten wir in den vergangenen Jahren mit Bildmaterial von Transporten und damit Transparenz widerlegen. Seit 2020 gibt es auch einen Erlass, dass das Abladen der Tiere an den Kontrollstellen gefilmt wird. Wir haben mittlerweile viel Foto- und Videomaterial von Tieren, denen es beim Transport einfach gut geht. Wir haben wirklich von jedem Transport Bilder, die beweisen, dass die Tiere gesund und munter vom Lkw hinuntergehen. Jetzt geht die Kritik eben eher in Richtung Tierhaltung in den erwähnten Zielländern. Da wird mit viel Unwissenheit argumentiert. Der Nachweis für den Herdenaufbau hilft uns dabei sicher auch. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Schlachtung in diesen meist muslimischen Ländern. Wir haben begonnen, uns auch Schlachthöfe in den Zielländern anzusehen. Ich habe in der Türkei einen Schlachthof gesehen, in dem die Tiere ohne Leid und Qual geschlachtet wurden. Weitere Besuche sind aber notwendig um mir ein genaues Bild zu machen.

Das Interview führte Martina Rieberer

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