BauernZeitung: Herr Landesrat, Sie haben vor Kurzem gesagt: „Jeder, der täglich isst und trinkt, glaubt mitreden zu können, wie Landwirtschaft funktioniert“. Ist das vielleicht das zentrale Problem der Bauernschaft?
Hiegelsberger: Nein, nicht unbedingt. Ich wollte damit einfach zum Ausdruck bringen, dass die Menschen unterschätzen, in welcher Professionalität Landwirtschaft inzwischen stattfinden muss, damit Menge, Qualität und Einkommen unter einem Hut gebracht werden können.
Wie ist das in der Politik – gibt es da selbsternannte Agrarexperten?
Ja, die gibt‘s. Sie verstehen leider nicht, dass die Bauern seit Jahrhunderten wissen, wie man mit der Natur richtig umgeht. Bester Beweis ist die oberösterreichische Landwirtschaft. Es gibt eine stabile Etragssituation und dennoch werden weder Boden, Luft und Wasser durch die Produktion in Mitleidenschaft gezogen.
Die Medien geben NGOs gerne und viel Platz für ihre Forderungen. Sie haben eine Offenlegung der Finanzierungsströme angeregt – warum?
Das war ein Vorstoß vom Wirtschaftsbund, den ich vollinhaltlich unterstütze. Es ist längst überfällig, dass die NGOs ihre Finanzierung offenlegen. Vor allem gehört geklärt, ob da nicht auch Gelder aus dem Ausland kommen.
In dieser Legislaturperiode wurde vieles für die Bäuerinnen und Bauern geschafft. Worauf sind Sie besonders stolz?
Besonders stolz bin ich auf das Versicherungssystem, ob nun auf der Fläche oder bei den Tierbeständen. Da sind wir in Europa Vorreiter. Auf Bundesebene war das Pauschalierungs- und Sozialversicherungspaket, das ich mitverhandelt habe, ein enorm wichtiger Erfolg. Ein weiterer Meilenstein auf Landesebene war die Einrichtung einer Fachhochschule mit Agrarschwerpunkt. Und für die Zukunft unserer Schweinbauern war sicher auch die Zusammenführung der Schweinezuchtverbände ganz wichtig.
Die Pandemie hat das Bewusstsein der Konsumenten für regionale Lebensmittel geschärft. Reicht das Bewusstsein auch bis zum Supermarktregal?
Nicht immer. Aber es gibt ganz klar ein Umdenken. Regionalität wird aktuell enorm nachgefragt. Das Entscheidende ist aber, dass die Wertschätzung auch als Wertschöpfung bei den Bauern ankommt. Das ist leider nicht der Fall wie eine aktuelle Wifo-Studie zeigt, wonach der Wertschöpfungsanteil des Handels gestiegen, jener der Bauern aber gesunken ist. Gleichzeitig werben die Lebensmitteleinzelhandelsketten mit den Bildern unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft. Am Markt müssen unsere Qualitätsprodukte aber mit den billigsten Angeboten aus aller Welt konkurrieren. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Hier wird nicht Gleiches mit Gleichem verglichen – weder was Umwelt-, Sozial- noch Produktionsstandards anbelangt.
„Marktanteile sind das Einzige, das den Handel interessiert.“
Kann die verpflichtende Herkunftskennzeichnung daran etwas ändern? Wann ist mit ihr zu rechnen?
Definitiv kommt der Herkunftskennzeichnung hier große Bedeutung zu. Der erste Teil für die Gemeinschaftsverpflegung und die verarbeiteten Produkte sind in der Begutachtung und wird jetzt bald umgesetzt. Aber auch in der Gastronomie muss eine verpflichtende Kennzeichnung kommen. Das bleibt eine meiner Forderungen – und auch die des Bauernbundes.
Was kann die Politik noch tun, um den Wertschöpfungsanteil der Bauern zu erhöhen?
Um am Markt vergleichbare Ausgangsvoraussetzungen zu schaffen, fordere ich die Einführung einer CO2-Abgabe. Darüber hinaus muss die öffentliche Hand beispielgebend wirken und durch eine regionale Verpflegung eine zweite starke Absatzschiene schaffen. Es gibt aber auch in der Landwirtschaft Hausaufgaben, die wir zu erledigen haben. Dazu gehört, uns gemeinschaftlicher zu organisieren und dadurch das Angebot auf der Bauernseite zu bündeln. Nur so haben wir eine gute Verhandlungsposition gegenüber den drei großen Abnehmern und ihren 90 Prozent Marktanteil.
Das Agrareinkommen stagniert. Dennoch zeigen sich die oberösterreichischen Betriebe investitionsfreudig wie nie. Was schließen Sie daraus?
Für mich heißt das, dass sich die Betriebe zukunftsfit machen. Die öffentliche Hand wird weiter ein stabilisierender Einkommensfaktor sein, aber es steht auch fest, dass in den nächsten Jahren deutlich mehr vom Markt kommen muss. Beim Preis tut sich seit langer Zeit so gut wie nichts. Und das ist eines, wenn nicht das zentrale Problem. Das Einzige, was den Handel interessiert ist, wer mehr Fläche und Marktanteile hat. Alle zehn Jahre wird ein Supermarkt abgerissen und neugebaut. Um Versorgung geht es da längst nicht mehr. Ein Landwirt dagegen muss zusehen, innerhalb einer Generation den neuen Stall zu verdienen. Das ist nicht fair.
Der Green Deal ist in aller Munde. Kann dieser die Lösung im Kampf gegen den Klimawandel sein?
Nein. Eine Fläche von der Größe Deutschlands außer Nutzung zu stellen hätte massive Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in ganz
Europa. Außerdem ist damit auch nicht der Umwelt gedient. Wir wissen, dass nachhaltige Bewirtschaftung die höchste Biodiversität hervorbringt.
In drei Tagen wird gewählt. Warum ist für die Bauern ein Kreuzerl bei der ÖVP die beste Wahl?
Über den Bauernbund und die ÖVP besteht die einzige Möglichkeit, politisch Einfluss zu nehmen und auch Maßnahmen im Sinne der Landwirtschaft umzusetzen. Andere Parteien dagegen stellen nur Forderungen an die Landwirtschaft. Wie es den Bauernfamilien dabei geht, betrachtet keiner. Ziehen wir das Beispiel Tierhaltung heran. Die FPÖ als auch die Grünen haben die Vollspaltenhaltung im Mastschweinebereich kritisiert und ihre Abschaffung verlangt. Für uns steht dagegen fest: Die Landwirtschaft wird sich einer Weiterentwicklung Richtung Tierwohl nicht verwehren – aber nur dann, wenn die Umbaumaßnahmen, der zusätzliche Aufwand und die Mehrkosten von der Abnehmerseite gedeckt sind.
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- Hiegelsberger C Weihbold (4): Volker Weihbold