Wie Deutschland, Frankreich und andere Länder die Bauern entlasten

Über extrem teuer gewordene Energie- und Kraftstoffe und deshalb kaum noch bezahlbaren Dünger und andere Betriebsmittel klagen nicht nur die Bauern in Österreich. Ein Blick über die Grenzen in andere EU-Länder, wie man dort den Landwirten unter die Arme greift.

Frankreichs Landwirte erhalten neben 15 Cent/Liter Rabatt auf Diesel Geld für Futtermittel und Hilfe für die Sozialversicherungsbeiträge. Foto: goodluz - stock.adobe.com

In Berlin will Bundesfinanzminister Christian Lindner vor allem die hohen Dieselpreise, unter denen besonders die Landwirte stöhnen, mit einem Tankrabatt dämpfen.
Konkret wird die Ampelregierung die Energiesteuer auf Kraftstoffe senken. Das macht pro Liter Benzin 30 Cent und je Liter Diesel 14 Cent beim Bezahlen an der Tankstelle aus, rechnete Lindner vor. Die Grünen und Sozialdemokraten setzten sich mit einem Energiegeld, einem 300-Euro-Bonus, durch. Jeder Erwerbstätige, erhält das Geld pauschal als Gehaltszuschuss ausbezahlt, bei Selbstständigen wird die Steuer-Vorauszahlung gesenkt. Die Pauschale unterliegt somit der Einkommensteuer. Wer einen hohen Steuersatz hat, bekommt am Ende also entsprechend weniger raus. Verbilligt werden zudem Nahverkehr-Tickets für 90 Tage. Wer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigt, zahlt nur 9 Euro pro Monat. Das Kindergeld wird einmalig um 100 Euro erhöht, einen 100 Euro-Zuschuss gibt es für sozial Bedürftige. Noch in Ausarbeitung ist ein Klimageld, das ebenfalls voll auf mehr Energieeffizienz und den Umstieg auf erneuerbare Energien abzielt.
Und obwohl auch Deutschland die heurige Freigabe der ökologischen Vorrangflächen zum Anbau von Futtermitteln mitträgt, lehnt Landwirtschaftsminister Cem Özdemier weiterhin die Aufhebung der ab 2023 geplanten Flächenstilllegungen ab. Der Grüne will nach wie vor eine nachhaltigere Landwirtschaft mit der Ernährungssicherheit in Einklang bringen.
Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, pocht vor allem auf eine schnelle und unbürokratische Kostenentlastung. Wie Unternehmen der Agrarwirtschaft, Spediteure und Fernpendler entlastet würden, sei eher zweitrangig. Beobachtung des Raiffeisenverbandes zufolge hatten die hohen Spritpreise bisher keine großen Auswirkungen auf den Kraftstoffabsatz der genossenschaftlich betriebenen Tankstellen.
DRV-Geschäftsführer Henning Ehlers auf Anfrage von Agra-Europe: „Wer an Tankstellen auf dem Land tankt, ist in der Regel auf das Auto für den Weg zur Arbeit angewiesen und muss zu jedem Preis tanken.“ Von einem Nachfrageeinbruch könne daher bisher keine Rede sein.

Frankreich entlastet bei Diesel, Dünger
In Paris hat die französische Regierung einen „Resilienzplan“ zur Abfederung der Folgen des Ukraine-Krieges für die wichtigsten Wirtschaftsbereiche vorgelegt. Landwirtschaftsminister Julien Denormandie hat angekündigt, dass die Landwirte zusätzlich zum bereits beschlossenen Rabatt von 15 Cent/Liter auf Diesel durch eine vorzeitige Rückerstattung der Verbrauchssteuer auf Gas und Strom unmittelbar entlastet werden. Außerdem soll ein Vorschuss in Höhe von 25 % der Rückerstattung des kommenden Jahres gewährt werden. Ferner wird die Regierung die Beihilfen für energieintensive Unternehmen für die Agrar-und Ernährungsindustrie öffnen. Profitieren können Betriebe, deren Ausgaben für Gas und Strom mindestens 3 % der Betriebskosten ausmachen und die 2022 aufgrund des Anstiegs der Energiepreise in die roten Zahlen rutschen würden. Laut Denormandie soll damit insbesondere Gemüsebauern, Geflügelhaltern, den Zuckerfabriken und Molkereien unter die Arme gegriffen werden. Gezielt unterstützt werden außerdem die Nutztierhalter; sie sollen Zuschüsse für Futtermittel erhalten. Zu diesem Zweck sollen innerhalb von zwei Monaten 400 Mio. Euro ausgereicht werden. Mit weiteren 60 Mio. Euro will Paris außerdem die Landwirte von Sozialversicherungsbeiträgen entlasten.

Liquiditätshilfen und Düngerlager
Außerdem kündigte die Regierung einen Plan zur Sicherstellung der Düngerversorgung an, um insbesondere im Herbst ausreichend Düngermengen im Land zu haben. Die geplante Verschärfung der Vorgaben für die Lagerung von Ammoniumnitrat – die BauernZeitung berichtete darüber – soll laut Denormandie verschoben werden. Frankreich brauche jetzt eine „Stickstoffsouveränität“, gefördert werden soll Gründüngung und der Einsatz organischer Düngemittel, neben einem vom französischen Minister gemeinsam mit Österreichs Agrarministerin Köstinger geforderten Plan zur Förderung des Eiweißpflanzenanbaus.

Düngergeld in Polen

In Polen will man die Bauern beim Kauf von Mineraldünger unterstützen. In Warschau hat Ministerpräsident Mateusz Morawiecki eines größeren Entlastungspakets in der Geschichte des Landes, das als „Anti-Putin-Schild“ der Wirtschaft und vielen Bürgern zugute kommen soll, angekündigt. Für die Landwirte sollen Düngerkäufe subventioniert werden. Den hunderttausenden Kleinbauern stellt man für bis zu 50 Hektar pro Betrieb das ein Fördergeld von umgerechnet 106 Euro pro Hektar Ackerland und 53 Euro für Grünland in Aussicht. Hochgerechnet wäre das ein Zuschuss von rund 318 Euro pro Tonne Dünger, rückwirkend für alle Betriebe, die seit dem 1. September 2021 und noch bis 15. Mai 2022 Mineraldünger erworben haben oder noch kaufen werden. Allerdings müsse die EU-Kommission dazu noch ihre Zustimmung erteilen, heißt es in Warschau.

Italien: 1,2 Mrd. Euro für Agrarwirtschaft
In Rom hilft man den Bauern sogar mit einem Sonderbudget von 1,2 Mrd. Euro. Vorgesehen sind Beihilfen in Form von Kapitalzuschüssen zwischen 4 und maximal 50 Mio. Euro für die Produktion, die Verarbeitung und die Absatzförderung von Agrarprodukten. Die genaue Höhe der Gelder wird von den jeweiligen Investitionsbereichen und Regionen abhängen, heißt es in einem ersten Papier der Regierung. Landwirte in den wirtschaftlich schwächeren Regionen, also vornehmlich im Süden des Landes, können für Stallbauten, den Kauf von Landmaschinen und Nutztieren, für Investitionen in den digitalen Bereich sowie die Bezahlung von Architekten, Beratern und Softwareentwicklern mit einem Zuschuss von 50 % rechnen; in anderen Landesteilen müssen sich Landwirte mit 40 % begnügen.
Der Vorsitzende des mitgliedsstärksten Bauernverbandes Coldiretti, Ettore Prandini, begrüßte die Unterstützung. Die Pandemie und nun der Krieg in der Ukraine hätten gezeigt, dass die forcierte Globalisierung ein Fehler gewesen sei. Prandini fordert zudem eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel.
Auch in Spanien stundet die Regierung die Sozialversicherungsbeiträge der Bauern. Unter bestimmten Voraussetzungen soll auch eine Befreiung von der Grundsteuer möglich sein, um die explodierenden Produktionskosten abzumildern. Daneben kündigte Landwirtschaftsminister Luis Planas einen leichteren Zugang zu vergünstigten Krediten an. Um die Schäden durch die anhaltende Dürre im Land gering zu halten, wurden Höchstpreise für entsalztes Meerwasser, das für die Bewässerung genutzt wird eingeführt. Spaniens Bauern ist das aber noch zu wenig, sie demonstrieren.

Eigenes Hilfspaket für finnische Bauern
In Helsinki hat die finnische Regierung ein Notfallpakt für seine Bauern in Höhe von 300 Mio. Euro geschnürt, „um die Betriebskostenkrise in der Landwirtschaft abzumildern und die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln zu gewährleisten“, so ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Das Paket umfasst „schnell wirkende Maßnahmen und Hilfen zur Liquiditätssicherung“. Zusätzlich wurden aus der staatlichen Reserve insgesamt 15.000 t an Saatgut freigegeben. „Damit die Frühjahrsbestellung im gewohnten Umfang stattfinden kann und die Chance auf eine normale Ernte besteht.“ Zuvor hatte der finnische Bauernverband davor gewarnt, dass wegen der hohen Treibstoff- und Düngerkosten in einigen Landesteilen bis zu einem Drittel der Flächen unbestellt bleiben könnten. Die Regierung will darüber hinaus den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen, um die Abhängigkeit von fossilem Gas und Öl aus Russland zu verringern.

Kredite und Garantien auch in der Ukraine
Und selbst im kriegsgeplagten Kiew unterstützt die Regierung die Aussaat mit einem Kreditprogramm für die Landwirte. Premierminister Denys Szmyhal hat angekündigt, der Staat werde Agrarbetrieben die Zinsen für Liquiditäts- und Erntekredite zur Sicherung ihrer Tätigkeiten erstatten und zusätzlich für 80 % der Kreditsumme Ausfallgarantien übernimmt. Laut Kabinettsbeschluss werden Unternehmen bis 10.000 ha und bis zu einem Kreditvolumen von umgerechnet gut 1,5 Mio. Euro unterstützt. Damit soll sichergestellt werden, dass zumindest in den noch nicht umkämpften Gebieten Feldarbeiten im üblichen Umfang durchgeführt werden können. Schon in der Woche zuvor hatte die Regierung in Kiew zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung Exportbeschränkungen für Weizen, Mais und Sonnenblumenöl sowie Geflügelfleisch und Eier eingeführt. Die Ausfuhr von Roggen, Hafer, Hirse, Buchweizen, Salz, Zucker, Schweinefleisch und Vieh war sogar ganz ausgesetzt worden, ebenso der Export von mineralischen Düngemitteln aller Art.
Auf den Tag genau vier Wochen nach Kriegsausbruch hat Landwirtschaftsminister Roman Leshchenko vergangene Woche sein Amt überraschend und aus nicht näher genannten gesundheitlichen Gründen zurückgelegt. Sein Nachfolger heisst Mykola Solskyi, bisher Agrarausschuss-Chef im Ukrainischen Parlament. Er gilt als wichtiger, reformorientierter Agrarpolitiker.

Bernhard Weber

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AUTORRed. SN
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