Die europäische Weizenernte wird 2016 nach dem extrem feuchten Frühjahr als leicht unterdurchschnittliche Ernte in Erinnerung bleiben. Nach den noch euphorischen Schätzungen im Sommer folgte im Herbst mehrmals eine Zurückstufung der Ernteschätzungen von über 150 auf nur mehr 143,2 Millionen (Mio.) Tonnen (t) (USDA-Oktoberreport 2016, ähnliche Zahlen veranschlagte auch die EU). Im Vorjahr wurden insgesamt 160 Mio. t Weizen geerntet. Heuer stehen gute bis ausgezeichnete Ergebnisse in Österreich und den östlichen Nachbarstaaten schwachen Ergebnissen in Westeuropa gegenüber.
Weizen-Exportprognosen in Europa reduziert
Als Folge der schwächeren Weizenernte wurden auch die Exportprognosen für die EU zum Vorjahr deutlich reduziert. Mit 25 Mio. t sollen heuer um zehn Mio. t weniger exportiert werden, als im letzten Vermarktungsjahr 2015/16. Ungewöhnlich stark präsentieren sich aber seit Sommer die EU-Exportaktivitäten. Seit 1. Juli bis zum 11. Oktober wurden bereits 7,3 Mio. t in Drittländer exportiert – man liegt damit deutlich über dem Vorjahres-Vergleichszeitraum (6,22 Mio. t), wie in der Grafik “EU-Exporte” ersichtlich. Vermutlich werden momentan noch Vorbuchungen aus dem Frühjahr abgewickelt. Von den deutschen Häfen wurde bisher eine sehr ruhige Aktivität hinsichtlich Neugeschäften berichtet. Frankreich, die gewöhnliche europäische Nummer eins trägt mit großteils schwachen Weizenqualitäten und der schwächsten Ernte seit 33 Jahren heuer ein doppeltes Export-Handicap.
Höhere Aufpreise für Premiumqualitäten
Durch das feuchte Wetter zwischen Blüte und Ernte sind heuer besonders Chargen mit besseren Qualitäten rarer, als sonst. Die Futter- und Mahlweizenfraktionen sind stärker ausgeprägt. Während die Preise am Kassamarkt seit der Ernte kaum vom Fleck kommen, werden für die Premiumqualitäten höhere Aufpreise gewährt, als gewöhnlich. Auch am österreichischen Kassamarkt ist es sehr ruhig. Wenig Ware wechselt den Besitzer – die Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Verarbeitern liegen weiter auseinander. Bisher waren die Verarbeiter gut mit Vorkontrakten und Lagerware gedeckt. Die Überhänge aus dem Vorjahr lasten noch auf den Kursen. Vergangene Woche zeigte die bisher sehr ruhige Wiener Börse erstmals eine deutliche Anhebung der Notierungen. Es bleibt trotzdem abzuwarten, ob diese Bewegung von Dauer ist. Die kurzfristigen Preissprünge der Matif hat 2016 der österreichische Kassamarkt bisher nicht mitgemacht (siehe Grafik “Mahlweizen”).
Neue Rangliste bei den Exporten
Auch die globale Versorgungslage ist und bleibt mehr als komforta-bel. Heuer sollen die Überlager auf 248,3 Mio. t anwachsen (+8,71 Mio. t zum Vorjahr). Dies wären über 33 Prozent des globalen Verbrauchs, also eine äußerst komfortable Weizenversorgung. Die Exportrangliste soll aber eine neue Reihenfolge erhalten. Nach den gewaltigen Getreideernten im Schwarzmeerraum wird erwartet, dass Russland mit 30 Mio. t (+4,46 Mio. t) den ersten Platz unter den Exporteuren einnehmen wird. Die Verladungen laufen dort schon seit Sommer auf Hochtouren. Deutscher und auch US-Weizen sind im Export momentan um etwa zehn US-Dollar teurer, als russische Ware.
Weltmarkt tritt auf der Stelle
Die nasse Witterung zur Ernte bescherte Matif-Weizen im Juli einen kurzzeitigen Höhenflug. Im August relativierte sich dieser durch die gewaltigen Lagermengen und gute Ernten in anderen Teilen der EU aber rasch wieder. Mitte Oktober begannen die Weizennotierungen an der Matif erstmals seit langem wieder, sich zu heben. Der Rückblick auf solide Exportergebnisse sowie gebietsweise Trockenheit in Deutschland, Großbri-tannien und Polen gaben hier kurzfristigen Aufschwung. Um nicht wieder abzuflauen, braucht es bis Weihnachten kontinuierliche und hohe Exportnachfrage, auch für europäischen Weizen. Die EU-Weizenausfuhren sind seit Sommer überraschend solide. Dennoch: Die Konkurrenz schläft nicht. Aus Russland und der Ukraine wird wohl noch bis im Spätwinter preiswerter Weizen für den Export verfügbar sein. Am Kassamarkt glauben wir, dass für bessere Qualitäten weiterhin höhere Prämien erzielt werden könnten, allerdings auf der Basis eines generell moderaten Grundpreises für Mahl- und Futterweizen. Beide sollten auch in den nächsten Monaten in unseren Breiten mehr als reichlich vorhanden bleiben. Für deutlich festere Preise bedürfte es Wetterextremen.