NEUES LAND: Der Steirische Bauernbund begeht heuer sein 125-jähriges Bestehen. Ist das ein Grund zum Feiern?
FRANZ TITSCHENBACHER: Ein Jubiläum ist immer ein Grund zum Feiern, verbunden mit einem Blick zurück und dem Blick nach vorne. Wir sind jenen Persönlichkeiten dankbar, die in den 125 Jahren des Bestehens Verantwortung für die steirischen Bäuerinnen und Bauern getragen haben. Mit dem Blick nach vorne wollen wir vor allem unseren jungen Menschen in unserem Land Perspektiven geben und Zukunft vermitteln.
Inhaltliche Schwerpunkte
Als Bauernbundlandesobmann haben Sie für die nächsten Wochen eine inhaltliche Schwerpunkt-Arbeit zu sieben verschiedenen Themenbereichen eingeläutet. Was sind diese Schwerpunkte?
Es sollen Positionierungen nach innen für uns im Bauernbund und gleichzeitig auch Zielsetzungen in Richtung Gesellschaft sein. Es geht dabei darum, wie wir die Lebensmittelproduktion ermöglichen und Wertschöpfung erzielen. Es geht um klimafitten Ackerbau, standortgerechtes Grünland und aktiv gelebte Almwirtschaft, weiters im Bereich der Forstwirtschaft und Holzwirtschaft um eine Holzbau-Offensive sowie um die notwendige Energiewende. Ein weiterer Themenkreis beschäftigt sich mit Erwerbskombinationen, die in unserem Land schon in vielen Bereichen gelebt werden. Wir wollen uns mit der Frage der Lebensqualität am Bauernhof, um soziale Absicherung und das Thema Generationen beschäftigen. Weiters wollen wir uns mit dem Thema Innovation, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auseinandersetzen.
Wie soll die Programmarbeit ablaufen?
Der Arbeitsprozess ist so aufgesetzt, dass sich Funktionärinnen und Funktionäre aus dem Bauernbund-Landesvorstand und der Bauernbund-Fraktion der Vollversammlung bereit erklärt haben, Verantwortung in den Teilbereichen zu übernehmen. Diese programmatische Arbeit wird in den nächsten Wochen durchgeführt. Wir werden die Ergebnisse bündeln und damit einhergehend auch Wünsche, Zielsetzungen und Forderungen in Blickrichtung Wahlprogramm und Regierungsprogramm formulieren.
Wann und in welcher Form werden die Ergebnisse präsentiert?
Die Präsentation erfolgt im März im Rahmen von zwei Zukunftskonferenzen gemeinsam mit unserem Landeshauptmann Christopher Drexler und unserer Landesrätin Simone Schmiedtbauer.
Wie stellen Sie sich dann die Umsetzung vor?
Natürlich ist es das oberste Ziel, dass diese Definitionen in den Regierungsprogrammen verankert werden. Sie fließen in vielen Bereichen aber auch schon in die laufende Arbeit und Programme ein. Wir haben 2023 den Start in die neue Programmplanungsperiode gehabt, wo diese Themenstellungen in mehrerlei Hinsicht aufgenommen worden sind.
Die erste Wahl im April
Wir stehen heuer vor einem intensiven Wahljahr. Los geht es in der zweiten Aprilhälfte mit der Arbeiterkammerwahl. Berührt diese Wahl den Bauernbund überhaupt?
Jede Wahl ist wichtig und berührt uns zumindest in bestimmten Bereichen. Gerade in der Arbeitskammer sind auch viele Nebenerwerbsbauern in den verschiedenen Berufen Mitglied. Daher wird uns diese Wahl auch betreffen. In der Wahlvorbereitung und Auseinandersetzung geht es um Positionierungen in den Bereichen Eigentum, Wert und Wertigkeit von Lebensmitteln, Vereinbarkeit von Familie, Betrieb und außerlandwirtschaftliche Tätigkeit sowie um die Eigenversorgung in unserem Land.
Am 9. Juni findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Welchen Personalwunsch haben Sie diesbezüglich, nachdem die steirische EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer im Herbst von Brüssel in die Steiermärkische Landesregierung gewechselt ist?
Simone Schmiedtbauer war absolut eine erfolgreiche Abgeordnete zum Europäischen Parlament und hat eine markante Arbeit geleistet. Sie hat Signale und Zeichen gesetzt und auch Pflöcke eingeschlagen. Durch die Erkrankung von Hans Seitinger ist für die Steiermark und den Österreichischen Bauernbund eine besondere Situation entstanden. Nichtsdestotrotz sind wir dankbar, dass sich Simone Schmiedtbauer für die Steiermark entschieden hat. Letzten Endes geht es darum, dass die bäuerlichen Interessen auch in Zukunft gut auf europäischer Ebene vertreten werden. Mein Wunsch ist es, dass wir junge Bäuerinnen und Bauern motivieren, auch auf EU-Ebene Verantwortung zu übernehmen.
Bei der Nationalratswahl im Herbst droht der ÖVP – wenn man die Umfragen hernimmt – der Verlust von Platz eins. Was macht Bundeskanzler Karl Nehammer falsch?
Es geht nicht um die Frage ob richtig oder falsch. Hermann Schützenhöfer hat es so formuliert, dass es auch im politischen Leben Höhen und Tiefen gibt. Die ÖVP steht vor einer schwierigen, herausfordernden Situation, wobei die jetzige Bundesregierung und überhaupt alle Regierungen in Europa mit der Corona-Pandemie sowie dem Krieg in der Ukraine sehr gefordert waren. Die österreichische Bundesregierung unter Karl Nehammer hat sich immer besonders bemüht, Antworten und Lösungen zu geben. Aus meiner Sicht wäre die ökosoziale Marktwirtschaft, neu interpretiert und weiterentwickelt für das 21. Jahrhundert, eine glaubhafte Zielsetzung für die ÖVP und zeitgemäße Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.
Spitzenkandidat Drexler
Voraussichtlich im November folgt die Landtagswahl. Dabei tritt Christopher Drexler erstmals als VP-Spitzenkandidat an. Wie macht er seine Sache bisher?
Gut, zukunftsorientiert und verantwortungsbewusst! Im bäuerlichen Sinne gesprochen, ist die Hofübergabe von Hermann Schützenhöfer auf Christopher Drexler gelungen. Christopher Drexler hat wichtige Akzente im steirischen Weg des Miteinanders gesetzt, auch für unsere bäuerlichen Familien – insbesondere durch die Kofinanzierung im Bereich der ländlichen Entwicklung für das neue Programm und der Investitionsförderung mit Blickrichtung junge Bäuerinnen und Bauern. Ein weiteres Zeichen ist mit der Novelle im Bau- und Raumordnungsgesetz erfolgt. Ich bin überzeugt, dass mit Christopher Drexler die richtige Persönlichkeit an der Spitze steht. Wir werden ihn dabei bestmöglich unterstützen.
Wie beurteilen Sie die derzeitige Stimmung in der Bauernschaft?
Insgesamt würde ich sie eher als kritisch und sorgenvoll bezeichnen. Auf der einen Seite erbringen die Bäuerinnen und Bauern tagtäglich unverzichtbare Leistungen an und für die Gesellschaft. Gleichzeitig sind die Anerkennung und Wertschätzung dafür nicht so spürbar, wie es sich unsere Bäuerinnen und Bauern erwarten. Auch der Preis- und Kostendruck ist immer wieder eine tägliche Herausforderung und drückt auf die Stimmung.
Bauerndemonstrationen
Befürworten Sie die Bauerndemonstrationen, wie sie derzeit in Deutschland erfolgen?
Ich persönlich stehe dafür, dass bis zuletzt auf Diskussionen, Gespräche und den Dialog gesetzt wird. Auf der Straße werden keine Entscheidungen getroffen. Natürlich gibt es manchmal Situationen, wo das als die einzige Lösung erscheint. Aber ich denke, dass insgesamt in der Steiermark und in Österreich der Weg des Dialogs und der Verhandlungen immer wieder möglich war und auch in Zukunft so sein wird.
Was werten Sie für 2023 als die größten Erfolge der Bauernvertretung?
Wenn es möglicherweise auch nicht überall so gesehen wird, so ist die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik ein ganz wesentlicher Erfolg. Damit verbunden sind Verlässlichkeit und Planbarkeit für die nächsten fünf Jahre. Auf europäischer Ebene ist in verschiedenen Teilbereichen ein Bekenntnis zur aktiven Bewirtschaftung im Ackerbau, Grünland und Forstwirtschaft sichtbar geworden ist. Auch das sehe ich als bedeutenden Erfolg.
Auf Bundesebene zähle ich das von Bundesminister Norbert Totschnig präsentierte Impulsprogramm dazu, ebenso die Weiterentwicklung und Weiterführung vom Waldfonds. Auf steirischer Ebene ist es die Novelle zum Baugesetz und Raumordnungsgesetz. Ich hoffe, dass damit vor allem für tierhaltende Betriebe Weiterentwicklung und damit Zukunft ermöglicht wird.
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- Titschenbacher: NL