Visionär für eine bessere Welt

Am 1. November feierte Josef Riegler seinen 85. Geburtstag. Das ist auch ein willkommener Anlass, an die grundlegende Wende in der Agrarpolitik Österreichs zu erinnern.

Josef Riegler heute

Der Jubilar, Sohn von Bergbauern aus Möschitzgraben bei Judenburg, war der erste Umwelt- (und Agrar-)Landesrat in der Steiermark, bald darauf Landwirtschaftsminister in den Jahren 1987 bis 1989 und hernach ÖVP-Parteichef sowie Vizekanzler von 1989 bis 1991 in der rot-schwarzen Koalitionsregierung unter Kanzler Franz Vranitzky. Der Steirer, Absolvent der HLBLA Raumberg-Gumpenstein sowie der Universität für Bodenkultur und hernach Lehrer an verschiedenen landwirtschaftlichen Fachschulen, war es durch den frühen Verlust des Vaters schon in jungen Jahren gewohnt, am elterlichen Hof gemeinsam mit seiner Schwester hart zuzupacken, was für ihn charakterprägend war.

Politikerkarriere vom Bauernbunddirektor bis zum Vizekanzler 

Seine agrarpolitische Laufbahn begann Riegler 1972 als Direktor des Steirischen Bauernbundes. Von 1980 bis 1983 war er Direktor des Österreichischen Bauernbundes. Nach seiner Wahl in den Nationalrat war er zehn Jahre lang Agrarsprecher der ÖVP im Parlament. In seiner Zeit als Agrar- und Umweltlandesrat in der Steiermark und als Landwirtschaftsminister entwickelte er die „ökosoziale Marktwirtschaft“ als Konzept für die österreichische Landwirtschaft – diese auch als Antwort auf die grundlegende Wende in der Agrarpolitik Österreichs. Denn seit den 1970er-Jahren waren Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft wie Überproduktion, Konzentrationstendenzen in der tierischen Erzeugung, aber auch einseitige Fruchtfolgen sowie Bodenschäden immer deutlicher, das Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie immer intensiver geworden. Agrarökonomen sprachen von „subventionierter Unvernunft“ und kritisierten die bereits 1962 in der damaligen EWG, heute EU, vereinbarte „Gemeinsame Agrarpolitik“ mit dem Konzept „Wachsen oder Weichen“. 

Quelle: Robert Jäger / APA-Archiv / picturedesk.com
Agrarminister Josef Riegler im Jahr 1987 Seite an Seite mit dem damaligen Bauernbundpräsidenten Alois Derfler.

Josef Riegler zog in seiner kurzen Amtszeit als Landwirtschaftsminister die Konsequenzen und präsentierte vor genau 35 Jahren, am 8. Mai 1988, sein „Programm der Ökosozialen Agrarpolitik“. Mit dem bäuerlichen Familienbetrieb als Leitbild räumt es dem Schutz der Lebensgrundlagen Boden, Luft und Wasser Vorrang ein. Rieglers damit verbundenes Ansinnen lautete: „Die Produktion von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen soll auf der Grundlage ökologischer Kriterien mit weniger Betriebsmitteleinsatz, vielfältigeren Fruchtfolgen auf den Ackerflächen mit Getreide, Eiweiß- und Ölpflanzen sowie mehr Tierwohl erfolgen.“ Angestrebt wurden die Balance zwischen ökonomischen Rahmenbedingungen, ökologischen Erfordernissen und gesellschaftlicher Akzeptanz sowie die Stärkung des ländlichen Raumes mit spezieller Förderung der Bergbauern. 

Josef Riegler als Visionär für eine bessere Welt entwickelte mit prominenten Wissenschaftlern, darunter der deutsche Zukunftsforscher Franz Josef Radermacher oder der Schweizer Agrarökonom Hans Popp, das Ökosoziale Manifest zum „Global Marshall Plan“ gegen den Hunger der Welt mit einer internationalen Finanztransaktionssteuer weiter und hat auch wesentlich die Wende in der europäischen Agrarpolitik bis zum heutigen Green Deal befeuert. 

1991 gründete Riegler das Ökosoziale Forum Österreich

 Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung gründete der Diplomingenieur, auch Ehrendoktor (und Ehren-bürger der Stadt Graz) 1991 das Ökosoziale Forum Österreich und war von 2001 bis 2005 zudem Präsident des Ökosozialen Forums Europa. Als Josef Riegler einst seine Idee der Ökosozialen Marktwirtschaft zur Diskussion stellte, musste er erkennen, dass es noch viele Jahre der Überzeugungsarbeit dauern sollte, ehe die Qualität seines Modells in vollem Umfang erkannt wurde. 

Mit der Intensivierung der Klima-und Umweltpolitik in Österreich erfuhr Riegler zuletzt mit dem ökosozialen Steuerkonzept der türkis-grünen Regierung indes eine späte politische Genugtuung. So bezeichnete ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner in seiner Budgetrede am 18. Oktober im Nationalrat den Bundeshaushalt 2024 mit einem Hinweis auf Riegler als „ökosoziales Zukunftsbudget“. Und auch Landwirtschaftsminister Totschnig verwies auf die „ökosoziale Handschrift“ des paktierten Agrarbudgets. 

Das Ökosoziale Forum ehrt seinen visionären Gründer am 8. November mit einem Festakt in Wien.

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AUTORGerhard Poschacher, Bernhard Weber
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