Trendumkehr bei den Düngerpreisen

Die turbulente Situation auf den Agrar- und Energiemärkten hat sämtliche Prognosen über den Haufen geworfen und den Preisen jede Kalkulierbarkeit genommen. Hier einige Hinweise zu den aktuellen Rahmenbedingungen für den Düngereinkauf im Frühjahr.

Harnstoff wäre günstig, die Transportkapazitäten sind aber begrenzt.

Die Düngersaison 2022/23 startete bereits Anfang Juni mit der Einlagerungssaison für Kalkammonsalpeter (KAS). Das Preisniveau lag deutlich über 600 Euro pro Tonne (lose). Trotz dieser hohen Preise lag die Kaufbereitschaft der Landwirtschaft weit über den Erwartungen und über den Zahlen des Vorjahres. 2021 begann die Einlagerung bei einem Preis von ungefähr 250 Euro/t.
Erdgas ist der wichtigste Kostenfaktor bei der Stickstoffproduktion. Aktuell macht das Gas ca. 90 Prozent der Produktionskosten aus. Die für Österreich maßgebliche Stickstoffindustrie ist von russischem Erdgas abhängig. Die Unsicherheit bei der Gasversorgung veranlasste viele landwirtschaftlichen Betriebe, sich so früh wie nie zuvor zumindest einen Teil des Bedarfs zu sichern. Vor allem die Nachfrage nach Lieferungen im Big Bag, direkt zum Betrieb war enorm hoch.

Explosion des Gaspreises

Deutliche Reduktionen der Gasliefermengen und die Ankündigung über einen kompletten Gaslieferstopp sorgten in ganz Europa ab Mitte Juli 2022 für eine enorme Nachfrage nach Gas. Alle Länder versuchten, ihre Gasspeicher so rasch wie möglich zu füllen. Ausgehend von einem Niveau von plus/minus 100 Euro pro Megawattstunden stiegen die Gaspreise bis Mitte August auf einen Spitzenwert von unglaublichen 350 Euro pro Megawattstunde.
Die Industrie passte ihre Stickstoffpreise an die enorm gestiegenen Produktionskosten an. Der Handel und die Landwirtschaft reagierten darauf mit deutlicher Kaufzurückhaltung und letztendlich kam die Nachfrage vollständig zum Erliegen. Dies hatte zur Folge, dass europaweit die Produktionsmengen dramatisch herabgefahren wurden; einige Stickstoffwerke stellten die Produktion ganz ein.
Nachdem die Gasspeicher in ganz Europa zu mehr als 95 % gefüllt waren, gingen nachfragebedingt die Gasnotierungen kontinuierlich zurück. Dies bewegte die Industrie dazu, zumindest schrittweise die Produktion wieder aufzunehmen. Anfang November lagen die KAS-Preise leicht über dem Einlagerungsniveau im Juni. Die Kaufbereitschaft nahm wieder zu, vor allem bei den Händlern, die bisher kaum Ware gekauft hatten.
Die Produktionskosten der europäischen Stickstoffindustrie werden nicht nur mit den weltweit höchsten Gaspreisen, sondern auch mit dem verpflichteten Zukauf von CO2-Zertifikaten belastet. In allen anderen Regionen der Erde kann Stickstoff mit deutlich niedrigeren Gaspreisen, ohne zusätzliche Umweltabgaben produziert werden.

Harnstoff wäre preislich attraktiv

Aus diesem Grund war im gesamten zweiten Halbjahr 2022 und ist auch derzeit Harnstoff aus Ägypten, aber auch aus Algerien, Turkmenistan, Russland und sogar aus den USA eine preislich äußerst interessante Alternative. Deutliche Einschränkungen der Schiffstransporte auf der Donau auf Grund von Niedrigwasser und mangels Schiffsraum erschweren die Logistik jedoch enorm. Hochseehäfen wie Konstanza (Rumänien), Koper (Slowenien) und Ravenna (Italien), über die die Ware nach Europa kommt, stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen hinsichtlich Umschlag und Lagerung. Begrenzte und extrem teure LKW-Frachten verkomplizieren zusätzlich den Transport zur jeweiligen Zieldestination. Vorlaufzeiten von mehr als acht Wochen sind keine Seltenheit. Trotzdem wurde in Österreich bis Jahresende mehr Harnstoff gehandelt als im gesamten vorigen Düngerjahr. Dem gegenüber steht jedoch eine signifikant niedrigere Verkaufsmenge von Alzon (Harnstoff mit Urease- und Nitrifikationsinhibitor).

Gas wurde unerwartet deutlich billiger

Völlig unerwartet gingen über die Weihnachtsfeiertage die Gaspreise deutlich zurück. Alle Marktexperten erwarteten im Winter auf Grund kalter Temperaturen eine große Nachfrage und somit relativ konstant hohe Gaspreise. Dass es völlig anders kam, lag an der überdurchschnittlich warmen Witterung, an relativ großen Importmengen von Flüssiggas (LNG), kombiniert mit einem rückläufigen Bedarf der Industrie, die viele Produktionsanlagen auf andere Energiequellen umgestellt hat. Damit konnte die Stickstoffindustrie die Preise zu Jahresbeginn an die neuen Produktionskosten anpassen, wodurch die KAS-Preise leicht unter dem Einlagerungsniveau zu liegen kamen.
Da sich die Gas-Futures für die nächsten Monate relativ stabil zeigen, kann die Frühjahrssaison weitere Preisreduktionen bringen. Jedoch ist der Handel bei der aktuellen Marktsituation nicht bereit, auf eigenes Risiko größere Mengen auf Lager zu nehmen.

Jetzt rasch den N-Startbedarf sichern

Sofern nicht schon geschehen ist es jetzt sinnvoll, sich zumindest den Bedarf für die erste Gabe rasch zu sichern, um die Ware zu Streubeginn auch vorrätig zu haben. Mit den weiteren Mengen kann noch zugewartet werden, um eventuell von weiter sinkenden Preisen zu profitieren. Sollten die Gaspreise jedoch wider Erwarten in den nächsten Wochen deutlich steigen, wird die Industrie die Stickstoffpreise wieder erhöhen.
Niedrigere Preise auch bei Phosphor und Kali
Bei den Phosphatdüngemitteln erreichte Diammoniumphosphat im April 2022 mit über 1.200 USD ab Hochseehafen ein „all time high“. Nach dem Ende der Frühjahrssaison in Europa und in anderen wichtigen Regionen der Nordhalbkugel setzte jedoch mangels Nachfrage eine kontinuierliche Talfahrt ein. Zu Jahresbeginn dürfte in Europa der Preisboden zumindest für die Frühjahrssaison erreicht worden sein.
Ähnlich ist die Situation auch beim Kali. International sind die Preise für Kaliumchlorid, und hier vor allem in Südamerika, in den letzten Monaten deutlich zurückgegangen. Durch die vor allem in Osteuropa wichtige Herbstsaison setzte diese Entwicklung bei uns mit deutlicher Verzögerung ein. Da auf Grund der Russland-Sanktionen keine Ware aus Weißrussland und kaum Ware aus Russland auf den Markt kommt (trotz EU-Importkontingent), steht als Lieferant für Mittel- und Osteuropa im Wesentlichen nur Kali & Salz zur Verfügung.

Bedarf an P und K bekanntgeben

Die NPK-Preise kamen ebenfalls wegen der fallenden Phosphat- und Kali­notierungen unter Druck und die Industrie hat ihre Preise an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst. Einige NPK- Spezialitäten für Obst- und Gemüsebau sind schlecht verfügbar, da der russische Produzent EuroChem lange Probleme mit der Produktion in seinen Werken in der EU hatte.
Bei den Phosphat-, Kali- und NPK-Düngemitteln ist die bisherige Versorgung für das Frühjahr äußerst bescheiden. Aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig, dem Handel rechtzeitig den Bedarf an diesen Produkten bekanntzugeben, damit diese zeitgerecht zur Verfügung stehen.

Autor:
| DI Andreas Hochgerner ist Abteilungsleiter
für Düngemittel der Raiffeisen Ware Austria (RWA) |

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