Ab 1. Juli 2022 fällt auch in Österreich für den Ausstoß von CO2 eine Steuer an. Der Einstiegspreis beträgt 30 Euro pro Tonne. Diese Steuer wird in der Folge jedes Jahr bis 2025 schrittweise auf 55 Euro angehoben. Exakt den gleichen Weg geht auch Deutschland, dort gilt bereits seit heuer eine CO2-Steuer von 25 Euro je Tonne.
Die Einnahmen aus der CO2-Steuer werden bis 2025 rund 5 Milliarden Euro betragen. Der CO2-Preis fließt „in vollem Umfang“ als regionaler Klimabonus an die Bevölkerung zurück und das in vier Stufen mit 100 Euro, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro pro Jahr und Person im ersten Jahr, je nachdem, ob an Großstädter oder an Bürgerinnen und Bürger, die weit abseits, in dünn besiedelten Gegenden fern öffentlicher Verkehrsmittel leben, etwa im Mühl- und Waldviertel oder in entlegenen Tälern Kärntens, Salzburgs, der Steiermark oder Tirols. Für Kinder gibt es die Hälfte des „Regionalen Klimabonus“.
Mit steigender CO2-Bepreisung soll auch die Rückvergütung angehoben werden und etwa 2025 fast das Doppelte ausmachen.
Dieselvergütung und energieautarke Höfe
Österreichs Land- und Forstwirte haben im europäischen Vergleich bisher eine deutlich höhere Steuerlast als der europäische Durchschnitt zu tragen. Der österreichische Steuersatz liegt um fast 20 Cent je Liter Diesel (aktuell 19,5 Cent je Liter, Anm.) über dem EU-Durchschnitt. Viele EU-Mitgliedstaaten gewähren ihren Landwirten eine Mineralölsteuer-Vergütung, teilweise sogar eine völlige Befreiung von dieser.
Durch die CO2-Steuer dürfte sich laut Berechnung mehrerer Experten der Preis für Diesel um 8 Cent/Liter erhöhen. Künftig soll den Bauern hierzulande zumindest der CO2-Mehrpreis abgegolten werden. Über die genaue Abgeltung werde noch gefeilscht, hieß es am Montag aus gut informierten Quellen. Ein solcher wettbewerbsneutraler Rückvergütungsbetrag für die Landwirtschaft beläuft sich laut Berechnungen der Bauernvertreter in Summe auf mindestens 50 Mio. Euro.
Vereinbart wurde bereits ein Sonder-Investitionsprogramm „Energieautarke Bauernhöfe“. Ziel auch des heuer im Frühjahr auf den Weg gebrachten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) ist bekanntlich die Erzeugung von 100 Prozent Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030. Die Land- und Forstwirtschaft strebt bis 2040 Energieautarkie an. Im Strombereich sollen daher unabhängig von Standort möglichst viele, letztlich bis zu 1.000 energieautarke Bauernhöfe geschaffen werden, die den Strom für den Eigenverbrauch aus gebäude- und betriebsintegrierten Photovoltaik-Anlagen samt Speicheranlagen beziehen. Dafür wird ein Sonderinvestitionstopf, dotiert mit 25 Mio. Euro/Jahr, geschaffen.
Mit einer Sauber-Heizen Offensive mit einem Gesamtvolumen von 500 Mio. Euro werden Anreize für „Raus aus Öl und Gas“, Heizkesseltausch und Sanierung auch für Einkommensschwache sowie die thermische Sanierung im mehrgeschossigen Wohnbau geschaffen.
Weniger Lohnsteuer, mehr Kindergeld
Zusätzlich zum Klimaaspekt wird es zahlreiche Entlastungen geben, die sich bis 2025 auf 18 Milliarden Euro summieren. So erfolgt die geplante, lange angekündigte Senkung der Lohnsteuer stufenweise: Die 2. Einkommensstufe wird ab Juli nächsten Jahres von 35 auf 30 Prozent gesenkt, die 3. Einkommensteuerstufe ab Juli 2023 von 42 auf 40 Prozent. Die Regierung verspricht eine jährliche Steuerentlastung von bis zu 650 Euro (2. Stufe) oder 580 Euro (3. Stufe) pro Jahr.
Für kleine Einkommen bis maximal 2.600 Euro brutto pro Monat verringert werden auch die Krankenversicherungsbeiträge, wovon nicht zuletzt neben vielen Pensionisten bis zu 95 % der Bauern profitieren werden.
Der Familienbonus wird ab Juli 2022 von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr angehoben. Auch der Kindermehrbeitrag für Pauschalierte steigt von 200 auf 450 Euro.
Unternehmen wiederum werden mittels Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23 Prozent (je 1 Prozent 2023 und 2024) um bis zu 700 Mio. Euro entlastet. Auch im Sinne der Bauern ausverhandelt wurde zudem die Verringerung der Krankenversicherungsbeiträge für einkommensschwache Personen und Familien ab Juli 2022, beginnend mit 1,7 Prozent.
Bis zu 3.000 Euro steuerfreies Geld soll auch ein Mitarbeiter-Beteiligungsmodell für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen.
Indirekt profitieren soll die Landwirtschaft auch von einer entfernungsabhängigen Bepreisung weitgereister Lebensmittel. Das soll Chancengleichheit für regional erzeugte Agrarprodukte bewirken.
Sebastian Kurz: „Ein Fairantwortungspaket“
Bundeskanzler Sebastian Kurz lobte das Projekt als „Fairantwortungspaket“ und als „größte Steuerreform in der Geschichte der Zweiten Republik, ein Megaprojekt.“ Umweltfreundliches Verhalten werde günstiger, umweltschädliches teurer. „Weniger Dreck in der Luft, aber mehr Geld im Börsel“, formulierte Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen. Die Bundesregierung habe sich gemeinsam dazu bekannt, „vor dem Hintergrund der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, die größte Transformation des Steuersystems der Zweiten Republik einzuleiten“, betonten beide bei der Vorstellung der ökosozialen Steuerreform-Vorhaben. „Wir haben uns dazu entschieden, Anreize für umweltfreundliches Verhalten zu setzen, gleichzeitig die arbeitenden Menschen zu entlasten und den Standort nachhaltig zu stärken.“
Nicht nur Umwelt, Standort und Gesellschaft würden von den beschlossenen Maßnahmen profitieren, „sondern jede und jeder Einzelne, der/dem am Ende des Tages mehr Geld im Börserl bleiben wird“, so Kurz und Kogler. In Summe entlaste man mit dem Paket die Österreicherinnen und Österreicher und die Wirtschaft in den kommenden vier Jahren mit einem Volumen von mehr als 18 Milliarden Euro.
„Jeder Vollzeitbeschäftigte wird um mindestens 300 Euro pro Jahr entlastet; 2,3 Millionen Arbeitnehmer und 1,6 Millionen Pensionisten profitieren von der Krankenversicherungsbeitragssenkung.“ Wer sich umweltfreundlich verhält, dem werde noch mehr zum Leben bleiben, verlautete aus dem Kanzleramt am Ballhausplatz.
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Bauernbund-Präsident Georg Strasser und Bauernbund-Direktor Norbert Totschnig begrüßen in ersten Stellungnahmen die Reform. Die Ökologisierung des Steuersystems sei eine Notwendigkeit, der ländliche Raum sei Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel. „In diesem ‚Fairantwortungspaket‘ sind viele Maßnahmen zur Entlastung der Bäuerinnen und Bauern wie generell der Bevölkerung im ländlichen Raum enthalten. Es entspricht dem ökosozialen Prinzip, für das der Bauernbund seit Jahren eintritt“, sehen die Bauernbündler darin „einen fairen Ausgleich zwischen Stadt und Land“.
„Umfangreiches Entlastungspaket“
Georg Strasser: „Das umfangreiche Entlastungspaket ist gerade jetzt ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Perspektive und Planbarkeit für Menschen im ländlichen Raum. Wir müssen unser Wirtschaftssystem weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien lenken.“ Die Unterschiede zwischen Stadt und Land würden in der Steuerreform berücksichtigt. „Am Land sind wir auf Individualverkehr angewiesen. Nicht jede Ortschaft hat eine gute öffentliche Anbindung. Und die Bauern werden weiterhin Treibstoff für Traktoren und Maschinen brauchen, damit die Versorgung mit Lebensmitteln sichergestellt werden kann.“ Die Bundesregierung habe nun ein Modell vorgeschlagen, „das eine echte Entlastung für die Menschen in den ländlichen Regionen bringt.“ Elisabeth Köstinger sprach von einem guten Tag für unsere Bäuerinnen und Bauern: „Mit dieser Reform entlasten wir sie, erleichtern unseren Betrieben die Arbeit, fördern weitere Investitionen in neue und umweltfreundliche Technologien und fördern energieautarke Bauernhöfe, die Strom für ihren Eigenbedarf aus gebäude- und betriebsintegrierten PV-Anlagen samt Speicheranlagen beziehen.“
Bauernbunddirektor Norbert Totschnig betonte, nicht nur höhere Energiekosten für die Landwirtschaft werden ausgeglichen: „Wir begrüßen, dass die Regierung für die bäuerliche Berufsgruppe gleich mehrere Entlastungsmaßnahmen vorsieht: den Ausgleich der durch die CO2-Bepreisung bedingt höheren Treibstoffkosten oder auch bei den Krankenversicherungs-Beiträgen.“ Damit beweise Türkis-Grün besonderes Augenmerk auf die Landwirtschaft und auf den ländlichen Raum.
„Steuerreform mit Hausverstand“
Als „Steuerreform mit Hausverstand und ökosozialer Handschrift“ bezeichnete der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich und Europa, Stephan Pernkopf, die Steuervorhaben der Regierung. „So wie diese ökosoziale Steuerreform ausgestaltet ist, legt sie das Fundament für eine lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder.“ Wofür Josef Riegler und das Ökosoziale Forum bereits vor 30 Jahren eingestanden seien, werde nun „endlich in die Tat umgesetzt“, sieht Pernkopf im Ergebnis nicht nur eine „Konsensfindung im Sinne der Ökosozialen Marktwirtschaft – das Beste aus beiden Welten“, und betonte damit die zentrale Pionierrolle des Ökosozialen Forums. Durch den regionalen Klimabonus werden der ländliche Raum und bäuerlichen Familien gestärkt. „Das sichert die heimische Lebensmittelproduktion und macht Österreich damit auch krisenfester. Wer auf dem Land wohnt und bereits heute mehr zahlt, weil auf das Auto angewiesen, darf durch eine CO2-Bepreisung nicht noch zusätzlich belastet werden. Dem Verhandlungsteam ist der Spagat zwischen Klimaschutz und den Lebensumständen der Menschen gelungen“, so Pernkopf. Er ist auch Agrarlandesrat und Bauernbundobmann in Niederösterreich.
Nicht nur Lob, auch Kritik gibt es an den Reformplänen: Umweltschützer stoßen sich daran, dass das Dieselprivileg nicht abgeschafft wurde, so manchem Wirtschaftsforscher ist wiederum das Ausmaß der CO2-Bepreisung zu gering. Kein gutes Haar ließen auch Vertreter der Oppositionsparteien an der Öko-Steuerreform.
Unbeirrt davon geht man derweil aber in der Bundesregierung davon aus, dass die Entlastungen durch zusätzliches Wachstum und Betriebsansiedlungen finanziert werden, bei gleichzeitigem Abbau der Staats-
verschuldung.
Die Eckpunkte der Steuerreform
Eine breite Entlastung des Mittelstandes und Stärkung der Leistungsträger gerade nach der Krise. Damit jenen, die jeden Tag arbeiten gehen, den Bauern, den Familien, den Pensionisten, am Ende mehr übrig. Worauf die ÖVP bei dieser Steuerreform geachtet hat:
CO2 ab Juli 2022 von 30 Euro/Tonne, ansteigend auf 55 Euro bis 2025 mit gleichzeitiger Einführung eines Klimabonus (exakte Orientierung an Deutschland als Anreize für jene, die auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können und damit Rücksichtnahme auf die realen Lebensumstände jener Menschen, die weiterhin auf das Auto angewiesen sind);
Klimabonus-Staffelung ab 2022 in vier Stufen geben (100 Euro für Großstädter, 133 Euro, 167 Euro und 200 Euro je nach Abgeschiedenheit des Wohnortes). Für Kinder gibt es einen Aufschlag von 50 Prozent;
Pauschalierte Rückvergütung für CO2-Bepreisung von Diesel.
Förderung energieautarker Bauernhöfe.
Senkung der 2. Einkommensstufe von 35 auf 30 % ab Juli 2022 (bringt bis zu 650 Euro Entlastung pro Jahr);
Senkung der 3. Einkommensteuerstufe von 42 auf 40 % ab Juli 2023 (maximale Entlastung von bis zu 580 Euro im Jahr;
Weniger KV-Beiträge für kleine Einkommen ab Juli 2022 (davon profitieren insbesondere einkommensschwachen Personen und Familien);
Erhöhung des Familienbonus von 1.500 auf 2.000 Euro pro Kind und Jahr ab 1. Juli 2022 (bringt pro Kind 500 Euro) plus Erhöhung des Kindermehrbetrages auf 450 Euro;
Mitarbeiter-Beteiligungsmodell (bis zu 3.000 Euro steuerfrei für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer);
Standort Österreich-Maßnahmen: KÖSt-Senkung von 25 auf 23 % (je 1 % 2023 und 2024) für Unternehmen, Investitionsfreibetrag samt Ökologisierungskomponente sowie Carbon leakage-Entlastung für besonders CO2-intensive Unternehmen.
Bernhard Weber