Landwirtschaft, Erholung, Tourismus: Der Berg hat viele Nutzer. Seit 2014 bemüht sich das Landesprogramm „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ darum, Konflikten zwischen den Interessensgruppen entgegenzuwirken. Vor kurzem hat die Landesregierung beschlossen, das Projekt bis 2027 zu verlängern.
BauernZeitung: Weshalb ist die Fortführung von „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ wichtig?
PIETERSTEINER: Erholung in der Natur und Outdoor-Sport prägen die Wahrnehmung Tirols und nehmen eine wichtige Rolle im Leben der Bevölkerung ein. Das macht die Region zu einer besonderen Urlaubsdestination und zu einem sehr lebenswerten Ort. Insbesondere Berg- und Abenteuersportarten wie das Mountainbiken und das Skitourengehen erleben gerade einen regelrechten Boom. Vor allem dort, wo der „Freizeitmensch“ in Massen auftritt, kommt es manchmal zu Problemen und Konflikten, denn allzu oft wird vergessen, dass Wiesen und Wälder für die Grundeigentümer Arbeitsplatz und Lebensgrundlage, aber keine Sportstätte oder Freizeitarena sind.
Das Programm „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ setzt sich dafür ein, den Dialog zwischen den vielfältigen Nutzerkreisen in der freien Landschaft weiterzuführen. Es geht darum, den Respekt vor Grundeigentum und das Bewusstsein für die vielen Funktionen des Bergwaldes bzw. der Grünlandflächen zu stärken, um ein rücksichtsvolles Miteinander zu gestalten. In Anbetracht eines steigenden Nutzerdrucks von Erholungssuchenden auf die Natur ist dies wichtiger denn je.
Welche Meilensteine konnte man
bereits erreichen?
Sowohl für den Sommer als auch für den Winter konnten mit Partnern wie der Tiroler Landwirtschaftskammer Konzepte für eine konfliktfreie und naturverträgliche Ausübung der meisten Natursportarten erstellt werden. Auf Basis dieser tirolweit gültigen „Spielregeln“ werden in lokalen Arbeitskreisen spezielle Maßnahmen zur Besucherlenkung erarbeitet bzw. entsprechende touristische Erholungsraumprojekte gefördert. Besonders hervorgehoben werden kann das Tiroler Mountainbike Modell, welches Grundeigentümern und Wegehaltern Rechtssicherheit bietet. Ein umfangreicher subsidiärer Versicherungsschutz durch das Land Tirol (Wege-
halterhaftpflicht-, Betriebshaftpflicht-, Tierhalterhaftpflicht- sowie Rechtsschutzversicherung) und ein Entschädigungsmodell für die Einschränkung im Eigentumsrecht und Bewirtschaftungserschwernisse sorgen für einen erfolgreichen Interessensausgleich zwischen Mountainbikern, Grundeigentümern und traditionellen Bewirtschaftern der Landschaft.
Einen Überblick über alle Tätigkeitsbereiche des Programms „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ und Informationen zu lokalen Projekten findet man auf der Webseite www.bergwelt-miteinander.at.
Welche Projekte sind für die kommenden vier Jahre geplant?
Die allgemeine Zielsetzung lautet: Regelung von Konflikten bei Natursportarten durch Dialog aller Naturnutzer. Wo es nötig ist, soll eine Lenkung durch gezielte Angebote und Aufklärung bzw. Sensibilisierungskampagnen erfolgen. Die weitgehend freie Betretbarkeit der Tiroler Bergregionen soll dauerhaft abgesichert werden.
Die digitale Besucherlenkung ist ein besonders wichtiger Aspekt unserer Tätigkeit und wird uns aufgrund der sehr dynamischen Entwicklung dieser Sparte auch in den kommenden Jahren fordern. Die Tourenplanung und die Navigation im Gelände wird mittlerweile hauptsächlich am Smartphone mittels diverser Apps durchgeführt. Viele der dort dargestellten Tourenbeschreibungen wurden von anderen Benutzern ohne Qualitätskontrolle erstellt und verstoßen daher in manchen Fällen sogar gegen gesetzliche Bestimmungen. Durch die Schaffung digitaler Schnittstellen gelang es uns, Informationen über das legale und den Qualitätskriterien von „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ entsprechende Angebot in gängigen Outdoor-Apps einzubinden und dadurch eine sehr große Reichweite zu erzielen.
Auch die Weiterentwicklung des seit über 25 Jahren erfolgreichen Tiroler Mountainbike Modells nimmt einen hohen Stellenwert ein. Das Tiroler Angebot mit ca. 6.400 km MTB-Routen (großteils Forststraßen) und ca. 320 km Singletrails (schmale Wege) ist im österreichweiten Vergleich ausgesprochen gut. Dennoch steht auch das Tiroler Modell vor stetigen Herausforderungen. Die technische Entwicklung ist rasant. Das E-Bike ermöglicht eine ganz andere Tourenplanung mit dem zwei- bis dreifachen Radius. Auch im Segment der Singletrails besteht zunehmend mehr Nachfrage, vor allem in Ballungsräumen. Für die Freigabe von Mountainbikestrecken gilt es, faire Rahmenbedingungen zu schaffen, insbesondere für die Grundeigentümer.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bewusstseinsbildung statt Verbot
Der für Land- und Forstwirtschaft zuständige LHStv. Josef Geisler befürwortet die Fortsetzung des Landesprogrammes „Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben“ bis zum Jahr 2027. Er sieht es als notwendige Maßnahme, um die Interessen von Bauern und Freizeitnutzern zu wahren, Bewusstsein zu bilden und die Alm- und Bergregionen zu schonen.
„Die Menschen wollen sich in der Natur bewegen. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Der Aufenthalt in der freien Natur verlangt aber auch Rücksichtnahme auf dort weidende Tiere, arbeitende Menschen, Umwelt und Wild sowie Respekt vor dem Eigentum. Nicht querfeldein, sondern in geregelten Bahnen und auf freigegebenen Routen die Natur miteinander erleben und genießen ist das Motto. Dem tragen wir im Rahmen des Landesprogramms ‚Bergwelt Tirol – Miteinander Erleben‘ Rechnung“, betont Bauernbundobmann Geisler. „Wir setzen, wo immer es geht, auf Bewusstseinsbildung, nicht auf Verbote.“
Eigenverantwortung sei das Stichwort. „Das Verständnis, wie man sich in der Natur und gegenüber Tieren zu verhalten hat, ist teilweise leider nicht oder nur unzureichend gegeben. Hier müssen wir auch weiter daran arbeiten, um ein gutes Miteinander zu stärken und Nutzungskonflikten in Berg- und Almgebieten vorzubeugen“, erklärt Geisler.
- Bildquellen -
- Mislalmtrail Mtbmodell Tatjana&lars Noichl 055: Land Tirol/Noichl