Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif

Österreichs Bundesheer ist in Zeiten wie diesen so gefordert wie noch nie. Wegen des Coronavirus müssen Grundwehrdiener länger dienen, im Mai werden zudem 3.000 Miliz-Soldaten einberufen. Auch der Agrarbereich profitiert mehrfach vom Einsatz des Heeres, betont Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im Interview.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner FOTO: Bundesheer/Pusch

BauernZeitung: Nicht nur wegen Corona, auch wegen der anhaltenden Trockenheit ist das Heer derzeit in erhöhter Bereitschaft. Wo hilft das Heer derzeit konkret?
TANNER: Wegen der Waldbrandgefahr, die derzeit vielerorts in Österreich herrscht, sind unsere Bundesheerpiloten nicht nur in erhöhter Bereitschaft, sondern auch immer wieder im Kampf gegen Waldbrände im Einsatz. In den vergangenen Tagen hatten wir einige Einsätze in Niederösterreich und in der Steiermark. Besonders unsere Hubschrauberpiloten leisten hier Großartiges bei den Löscheinsätzen. Wo auch immer das Bundesheer angefordert wird, schreiten unsere Soldaten rasch ein.

Am Beginn der Krise haben Heeresangehörige im Lebensmittelhandel ausgeholfen. Manche wollten die Soldaten gleich weiter als Erntehelfer auf die Felder schicken. Ihre Meinung dazu?
Die im Übrigen kostenpflichtige Unterstützungsleistung der Soldaten für die Lebensmittelmärkte war nur eine vorübergehende Maßnahme, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Nämlich solange, bis sich die Unternehmen selbst organisieren konnten und Ersatz für fehlende Mitarbeiter finden konnten. Um landwirtschaftliche Betriebe kümmert sich das Landwirtschaftsministerium, das ja bekanntlich eine Onlineplattform eingerichtet hat, bei der sich freiwillige Erntehelfer melden können. Das österreichische Bundesheer wird dringend in anderen Bereichen gebraucht und ist aktuell mit rund 2.500 Soldaten und Soldatinnen immer noch im Einsatz, um die Auswirkungen des Covid-19 Virus zu bewältigen: mit Assistenzleistungen bei sicherheitspolizeilichen Aufgaben und durch verschiedene Unterstützungsleistungen.

Wenn schon nicht Spargel-Stechen, gab es aber speziell im Forst immer wieder Katastrophenhilfe. Sehen Sie das Heer auch durch den Borkenkäfer gefordert? Der wütet ja so schlimm wie nie…
Leider waren auch wir in den vergangenen Jahren am Truppenübungsplatz Allentsteig durch den Borkenkäfer stark gefordert. Aber durch intensiv gesetzte Maßnahmen haben wir das jetzt grundsätzlich im Griff. Ich hoffe, das bleibt so, und der Borkenkäfer macht uns nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung.

Corona wird immer mehr auch zu einer massiven Wirtschaftskrise. Ist der Vergleich mit den 1930er Jahren zulässig? Wie sehr bedrohen die Folgen der Pandemie die Sicherheit im Land?
Ich denke, das kann und sollte man nicht vergleichen. Die Situation ist doch eine andere. Der Auslöser ist heute eine Pandemie und nicht eine politische Situation wie damals in den 1930er Jahren. Die aktuelle Regierung hat rasch und rechtzeitig auf die Bedrohung durch das Corona-Virus und die Pandemie reagiert und dementsprechende Maßnahmen gesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch die daraus folgenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten letztendlich meistern werden.

Von Ihrem Interims-Vorgänger gab es den Ruf nach mehr Geld fürs Heer. Das sieht nun noch weniger danach aus als vermutlich erhofft?
Das Regelbudget ist mittlerweile Makulatur geworden. Der Finanzrahmen für die kommenden Jahre wird wegen der Corona-Krise für die gesamte Republik anders gestaltet werden müssen. Und eines ist klar: Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Die finanzielle Situation und der Zustand des Bundesheeres erfordern daher neue Konzepte für ein zukunftsträchtiges, modernes Heer. Daher müssen auch die Aufgaben, Strukturen und Mittel der Landesverteidigung weiterentwickelt und zeitgemäß neugestaltet werden. Das haben wir so auch im Regierungsprogramm festgelegt.

Die Luftfahrt ist in eine tiefe Krise geraten. Wie realistisch ist es, dass Österreich von Airbus Geld für die Eurofighter bekommt?
Wir alle wissen, dass dieser Konzern nicht gerade der vertrauenswürdigste Partner für uns Österreicher ist. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Justiz bestmöglich zu unterstützen. Es wird von den Fachleuten alles genauestens überprüft. Mitte des Jahres soll eine Entscheidung fallen. Daran hat sich auch durch die Corona-Krise nichts geändert.

Soldaten müssen verpflegt werden. Allerorts wird an die Menschen im Land appelliert, nun patriotisch einzukaufen. Gibt es dazu bald einen eindeutigen Befehl auch an die Heeresküchen?
Natürlich achten wir darauf, dass wir möglichst regional für die Heeresküchen einkaufen. Manchmal sind wir allerdings durch gesetzliche Ausschreibungsbestimmungen etwas eingeschränkt. Wir arbeiten ja mit Steuergeldern. Aber wir tun alles, was möglich ist, um die heimische Wirtschaft zu unterstützen.

Viele Österreicher haben derzeit wegen wachsender Sorgen schlaflose Nächte. Sie auch?
Nein. Ich stehe als Verteidigungsministerin an der Spitze einer Einsatzorganisation, die von vornherein schon darauf trainiert ist, in schwierigen Situationen zu funktionieren. Wir sind die strategische Reserve der Republik Österreich und helfen dort, wo andere nicht mehr können. Und in diesem Ressort fühle ich mich auch zu Hause.

Vergangene Woche war die türkis-grüne Regierung genau 100 Tage im Amt. Wie lautet Ihre erste Zwischenbilanz?
Die Corona-Krise zeigt eindeutig: Diese Koalition ist krisenfähig, und wir arbeiten alle zusammen, um diese schwierige Zeit für Österreich bewältigen zu können. Darauf können wir auch stolz sein.

Die Grünen waren Ihnen früher im Bauernbund selten „grün“, als besonderer Freund des Heeres ist ihr Koalitionspartner auch nicht bekannt. Wieso funktioniert es dennoch gut?
Weil es gute Regierungsverhandlungen waren und so das Beste beider Welten zum Tragen kommt. Das beweist unsere eng abgestimmte Zusammenarbeit in diesem Ausnahmezustand während der Corona-Krise.

Wer macht derzeit den besten Job im Land?
Das kann man nicht an einer einzigen Person festhalten. Es ist ein Zusammenwirken vieler guter Männer und Frauen.

Am 17. April 1945, also vor genau 75 Jahren, wurde im Wiener Schottenstift die ÖVP gegründet. Gibt es Parallelen zu heute? Worauf hätten Sie bei einer Feier, hätte sie stattfinden können, verwiesen?
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Volkspartei einige große Entwicklungen gemeistert und dabei nie ihre Wurzeln vergessen. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Dass wir weiterhin am Puls der Zeit bleiben und dabei nie vergessen, wo unsere Wurzeln liegen. Dabei wünsche ich mir vor allem eines: Dass wir nie den Mut verlieren, für unsere christlich-sozialen Werte einzustehen.

Was verbindet Sie trotz neuer Aufgabe nach wie vor mit dem Bauernbund?
Der Bauernbund wird immer Teil meines Lebens und meiner Persönlichkeit sein. Die Zeit war sehr prägend für mich, und ich bin dankbar, dass ich diese wichtige und effektive Organisation in einer bedeutenden Funktion als Verantwortungsträgerin erleben durfte.

Nachdem Sie weiterhin die BauernZeitung lesen: Welche Unterstützung brauchen Landwirte nun am dringendsten?
Neben der finanziellen Unterstützung braucht es nun die generelle Unterstützung der Bauern durch die Bevölkerung. Ich bin überzeugt davon, dass den Österreicherinnen und Österreichern gerade jetzt noch mehr bewusst wird, wie wichtig die Arbeit unserer Bäuerinnen und Bauern für uns alle ist. Sie sind diejenigen, die trotz aller Probleme produzieren, was bei uns allen auf den Tisch kommt. Ich bin mir sicher, dass sich dieses Bewusstsein durch die Corona-Krise weiter verstärken wird.

Letzte Frage: Moderne Landtechnik begeistert nicht nur Bauern. Aber bei welchem militärischen Gerät kommen selbst 400 PS-Traktoren nicht mit?
Da gibt es einige Beispiele! Fast alle gepanzerten Fahrzeuge haben mehr PS, unser stärkster Kampfpanzer „Leo- pard“ hat 1500 PS, der Schützenpanzer Ulan immerhin 720 PS. Und bei den Hubschraubern fliegt etwa der S-70 „Black Hawk“ mit zwei Triebwerken, die je 1940 PS leisten. Auch die „Alouette“ hat noch 570 PS, um nur einige unserer Geräte zu nennen, die auch mich sehr beeindrucken. Noch mehr aber begeistert mich das Wissen und Engagement derer, die diese Technik mit großem Engagement steuern und bedienen. Zur Sicherheit für uns alle, sollte deren Einsatz notwendig werden.

ZUR PERSON

Mag. Klaudia Tanner (49) ist seit
7. Jänner 2020 Bundesministerin
für Landesverteidigung. Von 2011 bis Jänner des heurigen Jahres war
sie Direktorin des NÖ. Bauernbundes.

INTERVIEW: BERNHARD WEBER

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