In Russland wurde weniger Weizen geerntet. Moskau bleibt dennoch ein Schwergewicht am Weltmarkt.

Der Welthandel mit Weizen wird traditionell von den Ländern der Nordhalbkugel dominiert. Gleich drei große Player am Markt sind heuer mit geringeren Erntevolumina konfrontiert. So erwartet die Europäische Kommission eine um 3,7 Prozent geringere EU-Weizenernte von insgesamt 120,8 Mio. Tonnen. Laut Angaben der Brüsseler Beamten sei dies – wie auch in Österreich – vor allem einer witterungsbedingt geringeren Anbaufläche in den Hauptanbaugebieten Deutschlands und Frankreichs geschuldet. In Südosteuropa schmälerte hingegen Trockenheit die Erntebilanzen.

Zweistelliges Minus bei Ukraine-Exporten

Diese Dürre traf (verquickt mit außergewöhnlich starken Spätfrösten) auch die Schwarzmeerregion schwer und damit auch die bedeutenden Produktionsländer Russland und Ukraine. Letztere soll laut AMA heuer lediglich 19,5 Mio. Tonnen Weizen produzieren, was in etwa auch der Prognose des Landwirtschaftsministeriums in Kiew von April entspricht. 3,94 Tonnen je Hektar sollen ukrainische Agrarbetriebe dem Agrarressort zufolge heuer gedroschen haben, gut fünf Dezitonnen weniger als noch vor einem Jahr. Die ukrainischen Exporte dürften heuer um satte 28 Prozent auf 13 Mio. Tonnen sinken. Das reicht gerade einmal für sechs Prozent des weltweiten Exportvolumens. Zum Vergleich: In den Jahren 2018 bis 2020 stellte die Schwarzmeernation noch knapp zehn Prozent des globalen Weizenexportvolumens.

48 Mio. Tonnen für den Weltmarkt

Demgegenüber konnte Russland seinen Einfluss im Weltweizengeschäft zuletzt auf 22,5 Prozent erhöhen. Moskau bleibt damit – vor der EU – der größte Anbieter für Weizen am Weltmarkt. Dennoch droschen auch russische Landwirte heuer weniger Weizen. Aus dem Landwirtschaftsministerium verlauteten im Juli durchschnittliche Hektarerträge von 3,57 Tonnen, statt knapp vier Tonnen 2023. Insgesamt erntete Russland 83 Mio. Tonnen Weizen, 9,3 Prozent weniger als im Vorjahr, teilte die AMA diese Woche mit. Die russische Regierung nannte zuvor 85 Mio. Tonnen Weizen als Größenordnung. Ob dieses Rückgangs werden auch Russlands Exporte heuer schrumpfen. 48 Mio. Tonnen (-13,5 %) will man heuer ausführen.

Gessl: „Das weltweite Preisniveau hängt von lediglich 200 Millionen Tonnen Weizen ab.“ 

Trotz dieser Entwicklungen geht AMA-Marktexperte Christian Gessl bei der diesjährigen Ernte-Pressekonferenz von einer „global ausgeglichenen Versorgung mit Getreide“ aus. Seinen Ausführungen zufolge werden heuer weltweit 801 Mio. Tonnen Weizen gedroschen werden. Ein Produktionsrekord, dem zugleich aber auch ein Höchstverbrauch gegenüberstehen wird. Wie aber ist das mit den zuvor genannten Mindererträgen vereinbar? Dem Marktkenner zufolge kompensieren Australien, Kanada und die USA die Defizite auf unserem Kontinent. Kanada werde heuer gar zum drittgrößten Weizenlieferanten (nach Russland und der EU) avancieren.

Nur ein Fünftel „macht“ den Preis

In puncto Preisbildung ist laut Gessl aber auch heuer wieder Russland der zentrale Faktor. „Nur ein Fünftel des global geernteten Weizens gelangt tatsächlich in den Welthandel.“ Und hier sei Russland weiterhin der größte Zulieferer. Die Nachfrage der Importregionen Afrika und Südostasien werde „nur von einer Handvoll Länder bedient“, so Gessl und kommentiert überspitzt: „Das weltweite Preisniveau hängt von 200 Millionen Tonnen Weizen ab.“ Über alle Getreidesorten hinweg ist hingegen die USA der dominierende Player. Vom globalen Handelsvolumen bei Getreide in Höhe von rund 445 Mio. Tonnen decken die Vereinigten Staaten laut AMA nahezu ein Fünftel ab. Importseitig beeinflusse außerdem China als größter Verbraucher das Handelsgeschehen.

- Bildquellen -

  • Getreideernte in Russland: ILYAPLATONOV - STOCK.ADOBE.COM
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AUTORClemens Wieltsch
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