„Österreich hat viel richtig gemacht“

Agrarkommissar Christophe Hansen hat bei seinem kurzen Österreich-Gastspiel der BauernZeitung folgendes Exklusiv-Interview gegeben.

EU-Agrarkommissar Christophe Hansen im Exklusiv-Gespräch mit der BauernZeitung.

BauernZeitung: Österreichs Bauern stehen der oft überbordenden Agrarbürokratie besonders skeptisch gegenüber und erwarten rasch Abhilfe. Was werden Sie tun?

HANSEN: Die Landwirte sollten ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen können und sich nicht mit Papierkram herumschlagen müssen. Derzeit verbringen sie zu viel Zeit im Büro und zu wenig am Feld und bei ihren Tieren. Ich führe jetzt Gespräche mit allen Mitgliedstaaten. Auch aus Österreich habe ich viele Anregungen etwa aus der Landwirtschaftskammer bekommen, was wir machen sollen. Das nehme ich sehr ernst. Wir wissen, dass einiges auch Einfluss und Auswirkungen auf die nationale Umsetzung haben wird. Ich werde dazu bis zum Sommer ein Papier vorlegen. Keine hundert Seiten! Mir ist wichtig: Die Vereinfachungen müssen nicht nur in der Verwaltung ankommen, sondern auch am Bauernhof.

Auch die Vorbehalte gegen Agrarimporte aus der Ukraine sind in Österreich sehr groß. Was plant die EU, um den Marktdruck zu verringern?

Generell exportiert die EU mehr in Drittstaaten als sie importiert. Speziell die Ukraine sollten wir nicht nur als Problem sehen. Hier spielt Geopolitik eine wichtige Rolle. Klar ist aber, dass etwa importiertes Geflügelfleisch, Eier oder Zucker aus der Ukraine nach europäischen Standards produziert werden müssen. Auch bei den Mengen müssen wir beim neuen Assoziierungsabkommen darauf achten, dass unseren Landwirten kein Schaden entsteht. 

Neben Frankreich und Irland stellen sich Österreichs Agrarpolitiker klar gegen den Mercosur-Freihandel. Stehen Sie diesbezüglich an ihrer Seite?

Ich bin nicht gekommen, um ein Plädoyer für oder gegen das Abkommen zu halten. Ich will den Bauern bei schon jetzt drückenden Problemen helfen, die sie bei den großen Protesten im vergangenen Jahr lautstark klargemacht haben. Und das sind die Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, weniger Bürokratie sowie mehr Zukunftsperspektiven und Planungssicherheit. Das sehe ich als meine Aufgabe.

Österreich hat noch viele junge Hofübernehmer, 24 Prozent der Bauern sind unter 40 Jahre alt, im EU-Schnitt sind es knapp zwölf Prozent. Was können sich diese von ihnen erwarten?

Auf jeden Fall gezieltere Hilfe. Auch für Quereinsteiger. Wir brauchen für die Sicherstellung unserer Lebensmittel neue Ideen. Unsere gut ausgebildeten Junglandwirte benötigen Planungssicherheit und ausreichend
Finanzmittel. Österreich hat viel richtig gemacht. Ich möchte und werde die EU-Agrarpolitik nicht komplett umkrempeln. Es gibt vieles, was wir behalten sollten, aber auch einiges, das überarbeitet gehört. Die nächste GAP-Reform wird keine Revolution werden.

Zur Person

Seit knapp 50 Tagen ist Christophe Hansen der mittlerweile 14. EU-Agrarkommissar seit 1958. Der Luxemburger kommt aus den Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP). Hansen, 42, ist diplomierter Geo- und Umweltwissenschaftler sowie Risikomanager und war von 2018 bis Herbst 2023 Abgeordneter im Europäischen Parlament. In diesem hat er von 2007 bis 2014 auch als parlamentarischer Mitarbeiter gearbeitet. Er spricht sechs Sprachen: Luxemburgisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Spanisch und Niederländisch.
Im Norden des kleinen Großherzogtums bewirtschaftet sein älterer Bruder nahe Wiltz einen Agrarbetrieb. Einen guten Draht hat Hansen auch in das Agrarministerium seines Heimatlandes. Seine Cousine Martine Hansen ist die Landwirtschaftsministerin.
Vergangene Woche in Berlin und am Montag auch in Österreich hat Hansen erste Einblicke in seine Pläne gegeben. Auch er will, dass Europas Landwirte entlastet werden, mit ausreichenden Mitteln und weniger hohen Papierbergen. Hansen zeigt sich betont zuversichtlich: „Wir schaffen eine Vereinfachung noch dieses Jahr.“
Hansen ist überzeugt: „Die Landwirte stehen zu Unrecht in einem schlechten Licht.“ Dabei seien sie „die ersten Opfer“ und gleichzeitig „die besten Verbündeten“ im Kampf gegen den Klimawandel. Daher will der neue Kommissar die Wettbewerbsfähigkeit der Bauern stärken, ihre Marktposition verbessern und sie vor unlauteren Handelspraktiken schützen.

 

- Bildquellen -

  • Christophe Hansen mit Bernhard Weber: Jung-Leithner
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AUTORBernhard Weber
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