
Autos gegen Rindfleisch – längst hat sich dieser Halbsatz zum Handelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) in den Gehirnen der Bauern der EU eingebrannt. Doch stimmt die Rechnung? In einem Seminar des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) versuchte man kürzlich zur Aufklärung beizutragen.
Die Ausgangslage ist bekannt. Ein Vierteljahrhundert lang wurde verhandelt. Nachdem Experten den Handelspakt zwischenzeitlich schon abgeschrieben hatten, folgte im Dezember die Unterzeichnung durch die südamerikanischen Staatschefs und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Ratifizierung durch die EU-Mitgliedstaaten steht noch aus. Längst hat sich mit Frankreich, Polen, Irland und auch Österreich die Gegnerschaft des Deals formiert. Hierzulande besteht bekanntlich sogar ein rechtlich bindender Nationalratsbeschluss dagegen.
Prof. Matthews: „Am meisten polarisieren die Zollkontingente für Rind.“
Der Organisator des WIFO-Seminars, Franz Sinabell, kann der nun vorliegenden Form des Handelsabkommens dennoch viel abgewinnen. „Die Kommission hat viele Sorgen der Landwirtschaft und der NGOs aus den früheren Protestwellen ernst genommen und berücksichtigt“, ist der Ökonom überzeugt. Dem pflichtet auch Professor Alan Matthews vom Trinity-College Dublin (Irland) bei. Der Wirtschaftswissenschaftler mit Schwerpunkt für EU-Agrarpolitik und internationalen Handel war als Gastreferent geladen und präsentierte seine jüngsten Forschungsergebnisse. Die Kritikpunkte wie sinkende Einnahmen für den Rindfleischsektor, geringere Produktionsstandards und das hohe Entwaldungsrisiko sind dem Iren auch aus seiner Heimat bekannt: „Am meisten polarisieren die Zollkontingente für Rind.“ So gehen irische Bauernvertreter am Rindfleischsektor von einem Wertschöpfungsverlust von 1,3 Milliarden Euro aus.
Hier hält der Ökonom mit seinen Untersuchungen dagegen. An seinem Institut stellte er Berechnungen für zwei Mercosur- Szenarien auf Basis der Handelsbilanz von 2017 an. Die Auswirkungen auf die Branche bei vollständiger Marktöffnung wurden mit den im Dezember tatsächlich vereinbarten Konditionen verglichen.
Stabile Einfuhren ohne großem Zuwachs
Die fixierten Zollkontingente für Mercosur-Exporte in die EU wurden mit 54.450 Tonnen frischem und 44.550 Tonnen gefrorenem Rindfleisch bei einem Zollsatz von 7,5 Prozent festgeschrieben. Matthews Analyse legt allerdings nahe, dass die zusätzlichen Einfuhren, die durch die neuen Zollkontingente für frisches und gefrorenes Rindfleisch ausgelöst werden, deutlich geringer sein werden, als die Zahlen der Zollkontingente vermuten lassen. Dies ist auf das hohe Niveau der bestehenden Einfuhren über das Kontingent hinaus zurückzuführen, insbesondere bei frischem Rindfleisch, wo Argentinien zu den Hauptexporteuren zählt. Matthews: „Ich sehe bei den Einfuhren in die EU eine stabile Linie, aber keinen Aufwärtstrend.“
Ein Großteil der neuen Zollkontingent-Zuteilung werde demnach einfach die derzeit hoch verzollten Einfuhren ersetzen. Der Gesamtanstieg der Importe im Verhältnis zur gesamten EU-Rindfleischproduktion sei ihm zufolge indes „bescheiden“. Er errechnete etwa zwei Prozent Umsatzentgang für Europas Rinderbauern.
Anders sehe die Sache bei vollständiger Liberalisierung des Marktes aus. Laut dem Professor könnte der Mercosur seinen Umsatz mit Rindfleisch um bis zu elf Prozent steigern, während dieser in Europa um mehr als fünf Prozent einbräche. „Das wäre definitiv ein Negativschock.“ Dieses Szenario sei aber ohnehin kein Thema. In der nun ausverhandelten Fassung würden „die Bauern weitaus weniger benachteiligt als allgemein befürchtet“. Die Auswirkungen auf den Erzeugerpreis lägen im üblichen Spektrum der zuletzt gestiegenen Preise. Für Matthews wiegen die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Handelsdeals schwerer als geringe Verluste in der Rinderproduktion. Ob dieser Kuhhandel aber auch den EU-Bauern und ihren Vertretern schmeckt?
Das gesamte WIFO-Seminar steht als Aufzeichnung hier zur Verfügung.
- Bildquellen -
- Feedlot Brasilien: ALFRIBEIRO - STOCK.AODBE.COM