Eine völlig untypische Meldung kam heuer am 17. April aus St. Wolfgang – gesichtet wurde der Flug von Maikäfern. Eine außergewöhnliche Laune der Natur, denn die oberösterreichische Maikäferpopulation weist einen sehr kompakten dreijährigen Entwicklungszyklus auf, der vermutlich 2003 begonnen hat. Seitdem fliegt er alle drei Jahre, zuletzt 2018. Das nächste Flugjahr war folglich erst 2021 zu erwarten. Nebenpopulationen außerhalb dieses Rhythmus waren bis dato unbekannt.

Doch schon kurz darauf folgten wei­tere Flugmeldungen aus den Orten Grü­nau, Atzbach, Schön, Vichtenstein, Altenhof im Mühlkreis, Waldkirchen am Wesen, St. Pankraz und Haigermoos. Die erste Annahme, es könnte sich um eine kleinregionale, bisher unbemerkte, Nebenpopulation in St. Wolfgang handeln, erübrigte sich damit. Zudem wurde das Vorhandensein von großen Maikäfer-Engerlingen in der oberen Bodenschicht des Grünlandes festgestellt.

Die Wurzel des Übels – klimatische Veränderungen

Im Flugjahr 2018 und im Hauptfraß­jahr 2019 begann die Grünlandvegeta­tion sehr früh, bereits mit Ende März zu wachsen. Vor allem 2019 kam die Vegetation sehr spät zur Ruhe.
Seit 30 Jahren steigen die mittleren Tagestemperaturen während der Vegetationsperiode kontinuierlich an. 2018 erreichten sie in diesem Zeitraum die bisher höchsten Werte. Auch 2019 war ein ausgesprochen warmes Jahr.

Auch die mittlere Wintertemperatur nahm in den letzten 33 Winterperioden kontinuierlich zu. Bodenfröste werden immer seltener. In den vergangenen Wintern waren dadurch auch immer wieder Engerlinge im durchwurzelten Horizont zu finden.

These – Maikäfer stellen auf Zweijahres-Rhythmus um

Aufgrund des Maikäferfluges 2020 wird die These aufgestellt: Die bisher konstant im dreijährigen Rhythmus fliegende Maikäfer-Population stellt sich zu einem Teil auf einen zweijährigen Entwicklungsrhythmus um. Begründet wird diese These wie folgt: Durch die sehr frühe Eiablage 2018 (ab Mitte April) gab es Engerlinge mit einem Entwicklungsvorsprung von einem bis eineinhalb Monaten.

Diese Engerlinge konnten durch eine längere Vegetationsperiode und durch eine fehlende Ruhephase in den Wintern 2018/2019 und 2019/2020 na­hezu ununterbrochen fressen. Der für die einzelnen Larvenstadien notwendige Fett-Eiweißkörper wurde rascher aufgebaut und die für die Metamorphose entscheidenden Hormon-Level an Juvenilhormon und Ecdyson vermutlich auch frühzeitiger erreicht.

Durch die Kombination von Entwick­lungsvorsprung infolge der frühen Ei­ablage und längerer Fressperioden konnte der entscheidende Metamorpho­seschritt zur Verpuppung bereits im Herbst 2019 oder in diesem Winter erfolgt sein. Das dritte Jahr, das als Jahr des Reifungsfraßes, der Verpuppung und des Schlupfes zum Käfer dient, wurde so übersprungen.

Enorme Auswirkungen auf die Grünlandwirtschaft

Etablieren sich beide Zyklen und hält der Entwicklungstrend der Temperaturen bzw. Niederschläge wie in den vergangenen Jahrzehnten an, dann wird es wirklich ernst für die Grünlandwirt­schaft in Oberösterreich – vor allem für die weniger ertragsbetonte Grünlandwirtschaft.

Jedes Jahr wäre dann ein sogenanntes Hauptfraßjahr. Wenn auch das Hauptfraßjahr und damit der Schaden des zweijährigen Zyklus weniger gravierend ausfielen, da die Population noch kleiner ist. Ferner würden im Abstand von sechs Jahren die Hauptfraßjahre beider Maikäfer-Zyklen zusammenfallen. Falls das auch noch warme und trockene Jahre sind, wird sich mancher mit Wehmut an die Jahre 2018 und 2019 erinnern.

 

Fazit für das Grünland
Ohne eine an die Nährstoffversorgung angepasste Nutzung oder umgekehrt, ohne Anpassung (Reduzierung) der Nutzung an die mögliche Nährstoffversorgung wird eine erfolgreiche Führung des Wirtschaftsgrünlandes immer schwieriger und schlimmstenfalls überhaupt nicht mehr möglich.

Die Pflege des Pflanzenbestandes sowie biologische Maßnahmen zur Stärkung der Überlebensfähigkeit der Pflanzen werden voraussichtlich immer wichtiger werden. Vielversprechende Ergebnisse zeigten sich bereits bei der Beimpfung des Bodens mit pilzlichen Antagonisten.

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  • Cockchafer Or May Bug (Melolontha Melolontha) In Natural Environment: Alex Stemmer - stock.adobe.com
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AUTORPeter Frühwirth
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