ÖVP-Parteiobmann Landeshauptmann Günther Platter zieht Bilanz über die Arbeit der Tiroler Landesregierung.
Herr Landeshauptmann, bitte bewerten Sie die derzeitige Situation in unserem Land?
Platter: In vielen Bereichen ist Tirol hervorragend positioniert. Wenn ich beispielsweise an den Arbeitsmarkt denke, hat sich in keinem anderen Bundesland die Situation in den letzten Monaten so gut entwickelt wie bei uns. Auch beim Wirtschaftswachstum liegen wir im österreichischen Spitzenfeld. Die harten Daten und Fakten passen also. Unstrittig ist aber auch, dass es in Teilen der Bevölkerung vor allem aufgrund der Flüchtlingskrise eine spürbare Verunsicherung gibt. Und auch wenn der Kompromiss in der Politik oft dazugehört, gibt es für mich Bereiche, in denen dieses Prinzip nicht gilt. Die Sicherheit, sowohl objektiv als auch subjektiv, ist so einer. Ich habe deshalb durchgesetzt, dass in Tirol alleine heuer die Rekordzahl von 225 Polizistinnen und Polizisten neu in den Dienst aufgenommen wird. Mit der Sicherheit spielt man nicht, für die sorgt man. Das sehe ich als zentrale Aufgabe meiner Politik.
Wie bewerten Sie die Stimmung in den Bünden der ÖVP?
Ich glaube, dass die Stimmung im Großen und Ganzen nicht schlecht ist. Aber ohne Frage: Speziell die heimische Landwirtschaft hat derzeit mit unheimlich schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Da gibt es nichts zu beschönigen. Und es ist klar, dass diese Situation auch für den Bauernbund nicht einfach ist. Nichtsdestotrotz erlebe ich hautnah mit, mit welch riesigem Einsatz Bauernbundobmann Josef Geisler Tag für Tag die Interessen der bäuerlichen Familien vertritt und versucht, die Situation ins Positive zu drehen.
Sehen Sie die Koalition mit den Grünen in Gefahr und vorzeitige Tiroler Wahlen?
Nein, überhaupt nicht. Wir wurden von den Tirolerinnen und Tirolern beauftragt, bis 2018 für das Land und seine Menschen zu arbeiten. Und genau das habe ich auch vor. Natürlich gibt es mit den Grünen auch immer wieder Reibungspunkte und Meinungsverschiedenheiten. Es sind schließlich zwei Parteien mit eigener Geschichte und eigenen Wertvorstellungen. Trotzdem eint uns das Ziel, das Land Tirol nach vorne zu bringen und weiterzuentwickeln. Und bisher ist uns das meiner Meinung nach gut gelungen.
Zur Landwirtschaft: Herr Landeshauptmann, die ÖVP setzt sich unter dem Motto “Tirol 2030 – Zukunftsfragen, Standpunkte, Herausforderungen” zum Ziel, Tirol bestmöglich zu gestalten. Zählen Sie die Landwirtschaft auch dazu?
Die Tiroler Landwirtschaft war und ist in vielerlei Hinsicht prägend und identitätsstiftend für unser Land – und zwar weit über die rein bäuerliche Bevölkerung hinaus. Ich bin überzeugt, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Aber – und darin besteht die große Herausforderung – das wirtschaftliche Umfeld wird sich maßgeblich verändern. Auch Tirol kann sich von internationalen Entwicklungen wie der zunehmenden Verstädterung und der Globalisierung nicht entkoppeln. Durch den Abbau von Handelsbarrieren wird der Preiskampf zunehmend härter werden. Einen Wettbewerb über die Menge kann unsere Landwirtschaft schon aufgrund der Tiroler Topografie auf Dauer nicht gewinnen, wohl aber den über die Qualität. Und auch wenn wir schon gut am Weg sind, sehe ich hier nach wie vor riesiges Potenzial. Wir müssen Tirol als Feinkostladen Europas deshalb noch stärker positionieren. Darin liegt unsere Chance.
Bessere Vernetzung von Landwirtschaft und Tourismus
Als Tourismusreferent: Wie wollen Sie die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Tourismus verbessern?
Es gibt eine Reihe von Feldern, wo Landwirtschaft und Tourismus gut zusammenarbeiten und voneinander profitieren. Eine bessere Erschließung und die Möglichkeiten eigener touristischer Aktivitäten stärken auch die Almwirtschaft. Das ist essenziell. Denn wenn die Almen nicht mehr bewirtschaftet werden, leidet darunter auch der Tourismus. Daher sind Landwirtschaft und Tourismus, wie ich das gerne betone, tatsächlich Geschwister.
Bei der Verwendung regionaler Lebensmittel sehe ich die Initiative “Bewusst Tirol” der Agrarmarketing als Meilenstein. Da geht es nicht um Lippenbekenntnisse. Das regionale Einkaufsverhalten der Gastronomie und Hotellerie wird über ein Meldesystem transparent und nachvollziehbar. Gleichzeitig reagiert die Landwirtschaft auf die Anforderungen der Tourismusbetriebe und schnürt in Zusammenarbeit mit dem Gastrogroßhandel maßgeschneiderte Angebotspakete.
Die aktuelle Herausforderung ist eine noch bessere Vernetzung von Landwirtschaft und Tourismus in den Tälern und Regionen. Es geht darum, kleinräumige Versorgungsketten zu etablieren und diese für unsere Gäste erlebbar zu machen. Wir wollen die Landschaft auf den Teller bringen – zum Vorteil der Landwirtschaft und des Tourismus.
Heimische Produkte in öffentlichen Einrichtungen?
Vorrang für Lebensmittel aus der Region – diese Devise hat die Tiroler Landesregierung für die öffentlichen Küchen ausgegeben. Da und dort gibt es noch Luft nach oben, aber wir sind hier auf einem guten Weg, müssen aber auch die Vorgaben des Wettbewerbsrechtes berücksichtigen.
Im Budget stehen weiterhin alle notwendigen Kofinanzierungsmittel bereit
Zu den Finanzen: Wird es im Budget Kürzungen für die Landwirtschaft geben?
Nein, wird es nicht. Tirols Bäuerinnen und Bauern haben es nicht einfach. Deshalb werden wir seitens des Landes auch weiterhin alle notwendigen Kofinanzierungsmittel bereitstellen, um sowohl beim Bund als auch bei der EU alle Förderungen abzurufen. Auch bei den Zukunftsinvestitionen wollen wir nicht kürzen. Für die Agrarmarketing Tirol haben wir seitens der Regierung die Budgetansätze für die Jahre 2017 und 2018 in gleicher Höhe wie 2016 veranschlagt.
Das Land unterstützt die aktive Landwirtschaft und den ländlichen Raum
Bauern kritisieren, dass das Land für alles Mögliche genügend Gelder flüssig machen würde, aber nicht für die Landwirtschaft. Was sagen Sie dazu?
Aufgrund meiner Herkunft und meiner früheren Tätigkeit in der Kommunalpolitik kenne ich die Erfordernisse des ländlichen Raumes sehr genau und weiß auch um die Bedeutung einer aktiven Landwirtschaft für unser Land Tirol. Deshalb ist es für mich überhaupt keine Frage, dass wir unsere Bauern entsprechend unterstützen und das tun wir auch. Wir wollen allerdings auch den nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen. Das wäre in höchstem Maße unverantwortlich. In den Bereichen Bildung, Gesundheit und im Sozialbereich hatten wir den vergangenen Jahren teils erhebliche Steigerungen.
Von den hohen Qualitätsstandards und Leistungen, z. B. im Gesundheitsbereich, profitiert ja auch die bäuerliche Bevölkerung. Wir müssen das Gesamtgefüge im Auge haben und gleichzeitig Schwerpunkte in verschiedenen Bereichen setzen.