Langzeitforschung im Wald: Heimische Baumflechten werden seltener

Forschungs-Hotspot von Umweltbundesamt, Bundesforsten und Nationalpark Kalkalpen – Baumflechten nahmen in 25 Jahren stark ab –Naturnahe Waldbewirtschaftung fördert Artenvielfalt

Bartflechten (l.) oder die Echte Lungenflechte (r.) sind ein Zeichen hoher Luftgüte. FOTO:ÖBF Archiv/Franz Kovacs

Rentierflechte, Landkartenflechte, Elchgeweihflechte oder Lungenflechte: Flechten eignen sich besonders gut als Bioindikatoren und reagieren äußerst sensibel auf Umwelteinflüsse. WissenschafterInnen rund um Flechtenforscher Roman Türk haben nun im Auftrag des Umweltbundesamtes das Flechtenvorkommen am Forschungsstandort Zöbelboden, der vom Umweltbundesamt und Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) gemeinsam mit dem Nationalpark Kalkalpen betrieben wird, untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Bewuchs von Flechten auf Baumstämmen seit Mitte der 1990er Jahre stark zurückgegangen ist. Die Flechtenvielfalt hat um rund 20% abgenommen und auch die Artenzusammensetzung hat sich zugunsten stickstoffliebender Arten verändert.

Für die aktuelle Erhebung wurden in aufwendiger Feldarbeit in Steilgelände die Flechtenvorkommen auf rund 100 Bäumen untersucht, Arten gezählt, vermessen und Schadbilder aufgenommen. Im Vergleich mit einer Bestandsaufnahme von 1993 zeigt sich, dass einige Flechtengesellschaften nicht mehr oder nur mehr rudimentär vorhanden sind. Von den seltenen Arten war fast keine mehr anzutreffen. Lediglich von der Lungenflechte (Lobaria pulmonaria) konnten noch einzelne Exemplare vorgefunden werden, die jedoch stark geschädigt oder fast abgestorben waren. „Von den ursprünglich 88 verschiedenen Flechtenarten waren bereits 16 Flechten nicht mehr festzustellen“, beschreibt Umweltbundesamt-Geschäftsführerin Monika Mörth die Situation.

Flechten als Frühwarnsystem

„Flechten sind häufig stille Vorboten größerer Veränderungen in Ökosystemen“, erklärt Rudolf Freidhager. „Ihr Vorkommen hängt vor allem von der Luftqualität ab. Sie zeigen an, wenn Stoffe im Übermaß vorhanden sind oder wichtige Nährstoffe fehlen.“ Seit den 1980er Jahren, als Flechtenvorkommen durch den sauren Regen stark beschädigt wurden, werden diese sensiblen Bioindikatoren gezielt als natürliches „Frühwarnsystem“ eingesetzt. „Zur Erkennung der Schadstoffbelastung der Bäume müssen Blätter und Nadeln chemisch untersucht werden“, erklärt Freidhager. Bartflechten wie der Gewöhnliche Baumbart oder die Echte Lungenflechte sind ein Zeichen hoher Luftgüte, sie kommen nur in Gegenden vor, wo die Luft sehr sauber ist.

Dort hingegen, wo die Gewöhnliche Gelbflechte und Helm-Schwielenflechte anzutreffen sind, ist die Luft bereits mäßig belastet. Sie breiten sich verstärkt aus, wenn die Stickstoffeinträge in der Luft steigen, und sind häufig in Gebieten mit starken Verkehrslagen zu finden. Flechten sind botanisch betrachtet eine Symbiose aus Algen, Pilzen und Bakterien und stellen hohe Lebensraumansprüche. Sie sind auf ein ganz spezielles Umfeld angewiesen, bei dem sie sowohl Stickstoff und CO2 speichern. Haben sie einmal ihre ökologische Nische gefunden, sind Flechten jedoch äußerst widerstandsfähig, können auf kargen Untergründen wie Fels und Stein wachsen und im Winter Temperaturen von bis zu minus 40° Grad trotzen. 

Naturnahe Waldbewirtschaftung fördert Artenvielfalt

Flechten sind im Regelfall schlecht schützbar, da der gesamte Lebensraum betroffen ist und ein direkter Schutz wie bei einzelnen Tier- und Pflanzenarten kaum möglich ist. Jedoch können oft auch schon einfache Maßnahmen helfen. Flechten auf Obstbäumen, Holzzäunen oder Stadeln sollte man immer wachsen lassen, sie sind für die Bäume vollkommen unschädlich! Die Ritzen alter Baumrinden etwa stellen für die Flechten einen wichtigen Lebensraum dar. „Wir bewirtschaften die Wälder naturnah und fördern Artenvielfalt im Wald, indem wir etwa alte Bäume, die auch von Flechten gerne besiedelt werden, gezielt stehen lassen und kleine Naturwaldinseln in den Wäldern einrichten“, unterstreicht Freidhager die Bedeutung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung.

 

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