Köstinger drängt auf Fortschritte bei der GAP

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger drängt mit Blick auf die laufenden Triloge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auf Fortschritte. ,,Unsere Bäuerinnen und Bauern haben sich endlich Klarheit bezüglich der neuen Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik verdient", erklärt sie im Interview mit Agra-Europe.

Bundesministerin Elisabeth Köstinger im Interview.

Was erwarten Sie vom „ Super-Trilog?

KÖSTINGER: Ich erwarte vor allem Fortschritte. Wir brauchen zudem eine klare ökologische Ausrichtung der GAP mit einer gestärkten Zweiten Säule, damit wir auch inZukunft vermehrt auf längerfristige Programme setzen kön­nen, wie wir es in Österreich bereits seit Jahrzehnten praktizieren. Mehr als 80 % der Bäuerinnen und Bauern nehmen zum Beispiel freiwillig am österreichischen Agrarumweltprogramm teil. Zudem werden 26 % der Fläche in Österreich biologisch bewirtschaftet und das schon bevor die Kommission ihren Green Deal veröffentlicht hat. Wir haben es mit unserem System geschafft, dass wir unseren Landwirten die umfangreichen Mehrleistungen, die sie für die Gesellschaft erbringen, abgelten. Damit können wir gleichzeitig eine flächendeckende Landwirtschaft vom Berggebiet bis zu den Ackerbauregionen in Österreich möglich machen.

Welche Punkte sind aus Ihrer Perspektive bei der GAP-Reform besonders wichtig?

KÖSTINGER: Aus meiner Sicht ist die Anerkennung der Umweltzahlungen in der Zweiten Säule bei den Ökoregelungen zentral. Wir haben ein funktionierendes System, das wir nicht über Bord werfen wollen. Wir können die Klima- und Umweltleistungen, die unsere bäuerlichen Betriebe tagtäglich leisten, abgelten und sie somit auf dem Weg zu mehr Klima­ und Umweltschutz mitnehmen. Diesen Weg kann man nur mit den Bäuerinnen und Bauern gehen, und das wollen wir auch in Zukunft machen.

Einer der Konfliktlinien ist unter anderem die soziale Konditionalität. Dabei soll nach den Vorstellungen des Europapar­laments der Erhalt von Direktzahlungen an die Einhaltung der jeweils gültigen Arbeitnehmerrechte gebunden werden. Die Mitgliedstaaten stehen dem Unterfangen mehrheitlich kritisch gegenüber. Österreich hat hierzu einen Kompromissvo­schlag vorgelegt, der unter anderem die Rolle der Betriebsberatungen bei diesem Thema stärken soll. Können Sie das weiter ausfahren?

KÖSTINGER: Die Gemeinsame Agrarpolitik hat sehr viele Wirkungsbereiche und Aufgabenfelder, aber sozial- beziehungsweise arbeitsrechtspolitische Standards müssen in den Mitgliedsstaaten ge­regelt und kontrolliert werden. Geht es nach dem EU-Parlament würden wir sehr stark in diese Richtung gehen und das ist nicht umsetzbar. Das kritisieren sehr viele Mitgliedstaaten. Daher haben wir einen Kompromissvorschlag erarbeitet, den bereits mehr als 15 Mitgliedsländer unterstützen. Wir setzen auf eine stärkere Beratung und Berichtspflichten der Mitgliedstaaten. Mit dem Kompromissvorschlag wollen wir dem Europaparlament entgegenkommen und gleichzeitig einen gangbaren Weg für die Mitgliedsländer finden, damit die Verhandlungsblockade gelöst werden kann und die GAP Verhandlungen endlich vorankommen.

Als ein weiterer Knackpunkt in den Verhandlungen gilt die Definition des aktiven Landwirts. Hier fordern die Europaabgeordneten eine einheitliche Definition sowie eine verbindliche Negativliste? Auch hier sträubt sich der Rat. Welche Position vertritt Österreich?

KÖSTINGER: Wir sind schon immer für einen Systemwechsel in der europä­ischen Agrarpolitik eingetreten, nämlich weg von der Agrarindustrie hin zu bäuerlichen Familienbetrieben, wie wir sie in Österreich kennen. Alles was diesem Ziel untergeordnet ist, begrüße ich natürlich. Das ist auch die Intention der Regelung des „echten Landwirts”. Wichtig ist für mich dabei, dass es durch eine solche Regelung nicht zu einer Bürokratieflut kommt, der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen steht. Die Einkommensunterstützung soll jedenfalls bei den Bauern ankommen und nicht bei Großkonzernen.

Dass Großkonzerne Agrarbeihilfen erhalten, dafür hat der Steuerzahler in der EU sicherlich wenig Verständnis. Nun gibt es aber auch immer wieder Vorwürfe, dass unter anderem die Regierungen Tschechiens und Ungarns, bei der Verwendung der EU-Agrarbeihilfen mauscheln und Vetternwirtschaft betreiben.

 KÖSTINGER: Ich kann hier nur von Österreich sprechen. Bei uns wird alles bis aufs kleinste Detail kontrolliert und durchleuchtet. Wir halten uns sehr streng an die geltenden Regelungen und das sieht man auch an den niedrigen Beanstandungen der EU­Kommission.

Wäre vor diesem Hintergrund eine einheitliche Definition des aktiven Landwirts nicht ein wichtiger Baustein dafür, dass die EU-Gelder auch bei den Bauern ankommen und nicht etwa bei den Oligarchen im Dunstkreis von Ungarns Premierministers Viktor Orban?

 KÖSTINGER: Absolut, aber der Aufwand muss auch immer im Verhältnis zum Nutzen stehen. Mehr Bürokratie für unsere kleinstrukturierten Familienbetriebe kann ich nicht zustimmen. Es muss eine praktikable Lösung erzielt werden.

Einig ist sich die Politik darin, dass die GAP-Beihilfen künftig stärker als bisher Umweltleistungen gebunden werden sollen. Kann die Landwirtschaft Ihrer Einschätzung nach mit den erwartbaren Brüsseler Ergebnissen zur GAP-Reform die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und der neuen Biodiversitätsstrategie erreichen und damit auch ihren Beitrag zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens leisten?

KÖSTINGER: Die Landwirtschaft in Europa muss sich weiterentwickeln. Dass das jetzt für manche Länder zu schnell geht, das war abzusehen. Österreich ist schon seit Jahrzehnten Vorreiter in Europa, was die Nachhaltigkeit und die Ökologisierung angeht, nicht zuletzt auch aus einer Not heraus, weil wir unseren kleinstrukturierten Familienbetrieben eine Perspektive geben mussten. Aber das haben wir alles nicht von heute auf morgen geschafft. Wir sind schon immer für einen Systemwechsel eingetreten; viele Mitgliedstaaten waren in der Vergangenheit aber nicht bereit, die Weichen richtig zu stellen. Es braucht jedenfalls die Zustimmung der Mitgliedsländer für einen Deal und hier sehen wir uns, wie im Bereich der sozialen Konditionalität, als ehrlichen Brückenbauer.

Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hat öffentlich deutliche Zweifel daran geäußert, dass die neue GAP hinreichend zur Erfüllung der Klimaziele beitragen wird. Viele EU-Agrarminister, auch Sie, haben ihn scharf dafür kritisiert. Sehen Sie aber nicht die Gefahr, dass die Landwirtschaft bei den nächsten Verhan­lungen für den Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028 deutliche Einschnitte hinnehmen muss, wenn sie sich jetzt nicht ausreichend an der Erfüllung der Ziele des Green Deal beteiligt?

KÖSTINGER: Zur Erlassung von Rechtsakten auf europäischer Ebene ist neben der Zustimmung des Parlaments auch jene des Rates erforderlich. Es braucht somit die Mitgliedstaaten für einen Deal und das muss auch Timmermans einsehen. Was hier in den ersten Trilogverhandlungen passiert ist, kann man als Farce bezeichnen. Die Kommission hat 2018 die Verordnungsentwürfe zur GAP vorgelegt, an die sich der Rat in der Erarbeitung seiner Position gehalten hat. Diese vor den Trilog kurzfristig zu ändern beziehungsweise den Rat für seine geringen Ambitionen zu kritisieren, damit die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen und das alles auf dem Rücken der Zukunft unserer Bäuerinnen und Bauern auszutragen, ist nicht in Ordnung. Das habe ich scharf kritisiert. Gerade die Landwirtschaft wird sich an der Erreichung der Klimaziele b􀁉teiligen. Bei einem so komplexen Politikbereich wie der Gemeinsamen Agrarpolitik muss das Schritt für Schritt erfolgen. Vielleicht sollte sich die Kommission einmal um das umwelt- und klimaschädliche Handelsabkommen Mercosur Gedanken machen. Da hält sich Herr Timmermans mit seiner Kritik vornehm zurück.

Die Kommission fordert in der 2020 vorgelegten Farm-to­Fork-Strategie unter anderem, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche bis 2030 auf 25 % erhöhen. Wie Sie bereits angesprochen haben, steht Österreich bereits jetzt mit einem solch hohen Anteil EU-weit an der Spitze? Was können andere Mitgliedstaaten von Österreich lernen?

KÖSTINGER: Wir können alle voneinander lernen. Aber wir haben im Biobereich ähnliche Probleme wie im Konventionellen. Der Absatz von Bioprodukten hat 2020 das erste Mal die magische Marke von 10 % erreicht. Auf der anderen Seite ist 2019 das Einkommen der Biolandwirte um 10 % zurückgegangen. Biobauern müssen zum Teil ihr Getreide zu konventionellen Preisen verkaufen. Was können wir daraus ableiten? Nur die Biolandwirtschaft in Europa um einen gewissen Anteil zu erhöhen, wird nicht reichen. Wir brauchen auch die Absatzmärkte. Deshalb hinterfrage ich solche pauschalen Quoten sehr stark. Es braucht bei solchen Maßnahmen konkrete Folgenabschätzungen, vor allem wenn es um die Markt- und Absatzentwicklung geht.

 

 

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  • Bundesministerin Elisabeth Köstinger Im Interview: BMLRT/Paul Gruber
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