Der Fohnsdorfer Bauernsohn Josef Steinberger gilt als Pionier der österreichischen Volksbildungsarbeit. Sein 150. Geburtstag war Anlass für einen Festakt im Bildungshaus Schloss St. Martin. Dabei skizzierte die Historikerin Barbara Stelzl-Marx wichtige Lebensstationen des 1961 im Alter von 87 Jahren verstorbenen Priesters.
Schon vor seiner Geburt war der Lebensweg von Josef Steinberger vorgezeichnet. Sein Vater hatte nämlich bestimmt, dass sein erstgeborener Sohn Priester werden sollte. 1896 empfing er die Priesterweihe. 1904 kam er als Kaplan nach Stubenberg. Dort lernte er die Armut und Nöte der bäuerlichen Bevölkerung kennen. Um deren Los zu verbessern, setzte er bei der Bildung der Jugend und vor allem der Frauen an. Als er 1907 in eine andere Pfarre versetzt werden sollte, kidnappten ihn die Bauern und verlangten von der Diözese, dass er bei ihnen bleiben durfte. Dieser einmalige Vorgang ging als „Stubenberger Revolte“ in die Landesgeschichte ein. Steinberger durfte bleiben. 1910 startete er den ersten Bauernmädchenkurs in St. Johann bei Herberstein. Dieses Angebot wurde sehr gut angenommen. Weitere Kurse in der Region folgten.
Erster Weltkrieg
Seine Bildungsidee breitete sich aus, sodass nach einem zentralen Ort für dieses Bildungswerk gesucht wurde. Das Schloss St. Martin, damals im Besitz des Stiftes Admont, wurde dafür ausgewählt. 1914 wurde der Pachtvertrag abgeschlossen, doch der plötzliche Ausbruch des Ersten Weltkrieges legte alles auf Eis. Erst nach dem Kriegsende konnte es losgehen. 1919 schlug die Geburtsstunde des Bildungshauses Schloss St. Martin. Steinberger hatte es sich zum Ziel gesetzt, den Bildungsgrad im ländlichen Raum nach dem Motto „Bildung umfasst Hand, Herz und Hirn“ zu erhöhen. Barbara Stelzl-Marx formulierte es in ihrem Vortrag: „Seine Bildungsidee nahm immer mehr Fahrt auf.“
Schloss mit Tarnanstrich
Im März 1938 wurde Steinberger in Zwangspension geschickt. Ein Nationalsozialist übernahm die Leitung der nunmehrigen Gauschulungs-Hochburg. Diese bekam 1943 ebenso wie die benachbarte Kirche einen Tarnanstrich, der aber nicht verhindern konnte, dass beide Objekte gegen Kriegsende teilweise zerstört wurden.
„Am 17. Mai 1945 schritt Josef Steinberger über Schutt und Asche und begann als Direktor sofort mit den Aufräum- und Aufbauarbeiten“, berichtete die Historikerin. Schon im Jänner 1946 wurde der erste Kurs abgehalten. Im Internat gab es aber nur 21 Plätze bei über 1000 Anmeldungen. Steinberger hielt nach neuen Standorten Ausschau. So begann der rasante Aufstieg der St. Martiner Schulen. Heute tragen noch zwölf Fachschulen den Titel St. Martin in ihrem Schulnamen.
Im Jahr 1950 ging Josef Steinberger in Pension. Seine Nachfolger waren die Priester Johann Kern, Wilhelm Kahlbacher und Martin Schmiedbauer. Seit 2013 leitet Anna Thaller als Direktorin das Bildungshaus Schloss St. Martin. Seitens des Landes Steiermark dankten Landesrätin Simone Schmiedtbauer und Abteilungsleiter Franz Grießer beim Festakt für ihr Wirken.
- Bildquellen -
- Schloss St. Martin: Gernot Ambros, Nina Knely