„Jetzt muss das Wetter den Rübenanbau retten“

Einschränkungen beim Pflanzenschutz verderben den Rübenbauern die Erfolgsaussichten. Das fachlich schlecht begründete Verbot der Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden sei frustrierend, meint Ernst Karpfinger, der Präsident der Rübenbauern, zur Situation im Zuckerrübenanbau.

Ernst Karpfinger: „Pflanzenschutzmittelverbote gefährden die Versorgungssicherheit und sind nachteilig für den Klimaschutz.“

BauernZeitung: Ist nun endgültig entschieden, dass zum Anbau 2023 kein Neonic-gebeiztes Saatgut zur Verfügung steht?

Karpfinger: Ja, das EuGH-Urteil lässt keinen rechtlichen Spielraum. Die EU-Kommission hat dies auf Anfrage auch dezidiert festgehalten.

Was bedeutet das nun konkret für den Pflanzenschutz bei der Zuckerrübe?

Der Pflanzenschutz bei der Zuckerrübe wird immer schwieriger. In den vergangenen Jahren haben wir bereits ein Viertel der Wirkstoffe verloren. In Österreich herrscht mit dem Auftreten des Rüsselkäfers eine Sondersituation. Der Schädling ist sehr schwer bekämpfbar, einzig die Neonicotinoide haben eine ausreichende Wirkung gegen ihn. Für die heurige Anbausituation heißt das: Aufpassen und zittern, ob und wie stark der Rüsselkäfer auftritt.

Was ergab bisher das Rüsslermonitoring? Welche Regionen sind am meisten betroffen?

Die stärkste Gefährdung durch den Rüsselkäfer sehen wir in Niederösterreich, im Gebiet am Wagram sowie in den Regionen südlich von Hollabrunn und nordöstlich von Stockerau. Mittels Käfermonitoring der Agrana wurden auf einer Fläche von etwa 15.000 Hektar Rüsselkäfer gesichtet. Immerhin wurden relativ wenige Käfer gefunden, in den meisten Fällen etwa zwei Käfer pro Quadratmeter. Allerdings brauchen wir jetzt die Hilfe der Witterung, um dessen Auftreten einzudämmen.

Wie viel Rübenfläche wurde für heuer kontrahiert und ist nun mit Flächenrückgängen zu rechnen?

Vor Bekanntwerden des EuGH-Urteils waren etwas mehr als 37.000 Hektar kontrahiert. Dank der erfreulichen Preissituation wären wir von einer weiteren Steigerung ausgegangen. Seither wurden auch nur wenige Hektar von der Kontrahierung zurückgezogen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Landwirte ihren Rübenanbau wie geplant durchführen. Die guten Preisaussichten am Zuckermarkt sprechen dafür.

Könnte nun trotz großer Anstrengungen der Betrieb  einer der beiden Zuckerfabriken in Österreich gefährdet sein?

Das wird einzig und allein vom Rüsselkäfer abhängen und von den Schäden, die er anrichtet.

Um die Notfallzulassung für die Neonic-Beize zu erhalten, wurde über zwei Jahre ein eigenes Bienenmonitoring durchgeführt. Wurden bei diesem Schadwirkungen auf nützliche Insekten festgestellt?

Die Rübe blüht nicht und wird daher auch nicht von bestäubenden Insekten angeflogen. Auch unter Einbeziehung der Folgekulturen hat das Bienenmonitoring die Unbedenklichkeit der Rübenbeize bestätigt. Dennoch ist es nicht gelungen, die Beize für Rübensaatgut aus dem Neonic-Verbot herauszuhalten.

Für Rübenbauern mutet es wie Willkür an, wenn effiziente, gezielt wirksame und ökologisch verträgliche Anwendungen verboten werden…

Um die Neonic-Beize zu ersetzen, sind zumindest zwei bis drei Ersatzspritzungen erforderlich. Das ist nicht nur wesentlich aufwendiger, sondern hat auch ökologische Nachteile. 

Quelle: agrarfoto.com
Das Verbot der Saatgutbeize mit Neonicotinoiden erfordert mehrfache Flächenspritzungen, damit die Rübe keimt und gedeiht.

Die Verantwortung trägt eindeutig die Kommission?

Wenn der politische Wille dafür da wäre, könnte die Kommission die reguläre Zulassung für Neonicotinoide in der Zuckerrübe ermöglichen. Beim Aus für Neonicotinoide wurde uns deren Notfallzulassung als Lösungsansatz versprochen. Anscheinend war aber die rechtliche Formulierung nicht konkret genug, sonst hätte das EuGH-Urteil kein jähes Ende dieser Ausnahmeregelung bedeutet.

In Brüssel hat man anscheinend keine Skrupel, Rohrzuckerimporte aus Übersee ohne Rücksicht auf Umwelt und Klima zu forcieren?

Ja, dem ist grundsätzlich nichts hinzuzufügen, siehe auch die aktuelle Entwicklung beim Mercosur-Abkommen. Bei den Standards der Importe tut sich seitens der EU-Kommission so gut wie nichts. Nicht einmal beim Thema Schutz der Regenwälder ist Zucker ein Produkt, das beim Import diese Kriterien erfüllen muss. Auch die Frage der Grenzwerte ist ein Hohn. Während hierzulande die Neonicotinoide verboten werden, wurde seitens der EU-Kommission der Grenz-wert dieser Wirkstoffe in importierten Produkten nur geringfügig abgesenkt, und das gilt erst ab 2026.

Spielt das Neonic-Verbot im Wettbewerb am Zuckermarkt eine Rolle, weil Agrana als hauptbetroffenes Unternehmen in der Produktion geschwächt wird?

Das glaube ich nicht. Alle leiden unter dem EuGH-Urteil. In Deutschland und auch in Frankreich fürchtet man etwa, dass die viröse Vergilbung zunimmt und damit der Zuckergehalt stark absinkt.

Die Pflanzenschutz- und Düngeregulative der Kommission im Zuge des geplanten Green Deals bringen Nachteile für Landwirte und Konsumenten. Gibt es trotz des Ukraine-Krieges immer noch keine Änderung der Strategie?

Anscheinend nicht. Die Europäische Kommission lernt überhaupt nichts aus den gegenwärtigen Krisen. Wir sind abhängig beim Bezug von Energie, Medikamenten, elektronischen Bauteilen. Unsere Vollversorgung bei Nahrungsmitteln haben wir den Fortschritten bei Düngung, Pflanzenschutz und Züchtung zu verdanken. Vor vollen Tellern mag es gut klingen, mehr „Öko“ in der Produktion zu fordern. Wovor wir Rübenbauern warnen, ist die Nahrungsmittelversorgung leichtfertig aufzugeben und sich von Importen aus Ländern abhängig zu machen, die Tausende Kilometer entfernt sind. Das gefährdet die Versorgungssicherheit und passt auch alles nicht mit der Thematik Klimaschutz zusammen.

Wie ist die Vorschau für den Zuckermarkt 2023/24?

Der Zuckermarkt ist wieder im Gleichgewicht. Wir erwarten derzeit Preise von 650 bis 800 Euro pro Tonne Zucker. Tendenziell dürften die Preise hoch bleiben. Umso bedauerlicher ist es, wenn wir durch Einschränkungen beim Pflanzenschutz Einkommen und Marktanteile verlieren.

- Bildquellen -

  • Rübenanbau: agrarfoto.com
  • Ernst Karpfinger: Michael Indra/SEPA Media
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AUTORRed. HM
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