Bei der Übergabe eines Bauernhofes an die nächste Generation ist schon frühzeitig zu bedenken, dass das Lebensglück der Kinder wichtiger ist, als dass der landwirtschaftliche Betrieb auf Biegen und Brechen weitergegeben wird.

In fast jeder Bauernfamilie wünschen sich die Eltern, dass einmal der Sohn oder die Tochter deren Nachfolge antritt. Die Kinder erleben schon während ihrer Erziehung diesen Wunsch, und lassen sich bei der Berufswahl teilweise beeinflussen. Das Lebensglück der Kinder sollte dabei aber wichtiger sei, als dass der landwirtschaftliche Betrieb in jedem Fall auch an die nächste Generation weitergegeben wird. Häufig sprechen die Eltern allein über berufliche Probleme, über die vielen Vorschriften und Vorgaben oder die harte Arbeit im Stall und auf dem Feld. Kein Wunder also, wenn sich der Nachwuchs dann für einen anderen Beruf entscheidet.

Ausstieg in Etappen

Bewährt hat sich der Ausstieg des Seniors in Etappen, die Verringerung der Verantwortung nach und nach. Oft fühlt sich der Seniorchef noch dynamisch genug und will die endgültige Verantwortungsübernahme des Juniors noch verschieben. Dadurch enttäuscht er den Nachwuchs. Oder er gerät sogar unter Druck, wenn es gesundheitlich plötzlich nicht mehr geht. Vom „Prinz Charles-Phänomen“ spricht man, wenn der Übergabe-Termin immer wieder verschoben wird. In Großbritannien hat es Queen Elisabeth nicht fertig gebracht, ihren Sohn Charles als Nachfolger einzusetzen. Der Ü-65-jährige Bio-Farmer, der immer noch voll in der Verantwortung steht, wird von Außenstehenden zwar mit Respekt, aber nunmehr seit Jahrzehnten auch mit Skepsis betrachtet.

Doppelspitze zu Beginn

Die Kooperation von beiden Generationen für eine bestimmte Zeit kann sehr gut sein. Der Senior arbeitet mit seinem Nachwuchs die erste Zeit als „Doppelspitze“ zusammen. Stehen Entscheidungen an, werden diese gemeinsam getroffen. Kommt es zu Differenzen, müssen diese unter allen Umständen sofort ausgesprochen werden. Jede Generation hat alterstypische Eigenschaften, die eine harmonische Zusammenarbeit gefährden können. Die reformerischen Ideen des Nachfolgers und die Erfahrung des Seniors können sich nur sinnvoll ergänzen, wenn jeder kompromissbereit ist. So können die Vorteile beider Generationen unter einen Hut gebracht werden.

Der Senior überschätzt sich und sein Leistungspotenzial und hängt an den althergebrachten Gewohnheiten, er ist „Bewahrer“ des Bisherigen. Der Junior zählt zu den „Veränderern“ und will sich gegenüber der älteren Generation durchsetzen. Der ehrgeizige Nachwuchs möchte Handlungsspielräume und seine eigenen Erfahrungen machen. Um den Senior zu verstehen, muss der Junior den „Perspektivenwechsel“ vornehmen, sich in die Lage seines Vaters versetzen. Oder sich einfach nur mit anderen Junioren aussprechen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.

Typisch Junior

Die Zeit, als die Kinder Respekt vor der beruflichen Leistung ihrer Eltern hatten, ist endgültig vorbei. Die junge Generation stellt Althergebrachtes gerne infrage und ist von den eigenen Ideen sehr überzeugt. Als Einsteiger hat der Junior meist eine bessere und aktuellere Ausbildung als sein Vater. Er ist dynamisch, zeigt Schwung, ist offen für Neues, er will „Das Rad neu erfinden“. Er ist an der Agrar-Technik und der Digitalisierung in den Arbeitsabläufen stärker interessiert als sein Vater. Der Senior reagiert allergisch gegen allzu viele Innovationen, er äußert Skepsis, wenn der Junior nach seinem Einstieg alles schnell umkrempeln will. Veränderungen müssen deshalb scheibchenweise erfolgen, auch wenn Änderungen dringend erforderlich sind.

Es darf den Junior nicht stören, wenn auch nach seinem Einstieg die Kunden, Behörden, Lieferanten und Kollegen immer noch vom Senior sprechen und auch, dass die Mitarbeiter noch emotional hinter dem Seniorchef stehen. Beide Generationen werden kritisch miteinander verglichen. Jeder Fehler in den ersten Monaten wird dem Junior doppelt angerechnet, er hat noch keinen Bonus auf seinem „Leistungskonto“. Die Verantwortung für eine Entscheidung liegt aber nach Übernahme voll bei ihm. Die Firmenübergabe sollte auf der Homepage mit einer Vita des Juniors vermerkt werden. Der Nachfolger will nicht Abziehbild seines Vaters sein, er möchte dem Betrieb eine eigene Handschrift verleihen.

Klare Absprachen treffen

Außenstehende bekommen nicht mit, welche Diskussionen es zwischen den beiden Generationen auch noch nach der Firmenübergabe gibt. Bei der Übergabe gibt es zwar klare Absprachen, die sogar schriftlich festgehalten sind. Aber dann kommt es darauf an, diese durchzusetzen. Der Nachwuchs muss immer damit rechnen, dass der Vater auch nach seinem Ausscheiden noch eingreift. Zu den Absprachen gehört es vor allem, dass der frühere Chef seinen Nachwuchs nicht heimlich kontrolliert, nach Feierabend die Tagesarbeit prüft. In den vertraglichen Regelungen bei der Übergabe sind alle relevanten Details schriftlich festgehalten, die Frage der Einmischung meist nur mündlich. Wer Einmischung duldet und Angst vor größeren Entscheidungen hat, wird nicht selbstständig und kann den landwirtschaftlichen Betrieb nicht eigenverantwortlich führen. Der junge Chef braucht eine starke Persönlichkeit, um sich durchzusetzen.

Typisch Senior

Manche Senioren fühlen sich noch zu vital, um die Verantwortung schon jetzt abzugeben. Sie möchten überall noch „mitmischen“. Statt Ruhestand also Unruhestand. Der Vater traut seinem Sohn oder der Tochter nicht zu, alles richtig zu machen. Er meint, sein Rat sei unbedingt gefragt. So werden die Kinder natürlich nie selbstständig. Misstrauen gegen die Leistungsfähigkeit des Juniors ist ein Jahrzehnte alter Fehler. Die Zusammenarbeit von zwei Generationen kann gut funktionieren, wenn Vertrauen vorhanden ist, und der Seniorchef seinem Sprössling mehr zutraut. Zu den positiven Merkmalen des Seniors zählen die lange Erfahrung und die gewachsenen Kontakte zu Lieferanten, Kunden und Ämtern. Für die jüngere Generation sind das beneidenswerte Eigenschaften. Spricht der Ü-50-Jährige über Vergangenes, entsteht beim Youngster schnell der Eindruck, dass dieser in einer anderen Zeit lebt.

Auch Ratschläge sind Schläge

Was die Jugend gar nicht mag, sind die Weisheiten der Älteren: „Was Dir noch fehlt, ist die Erfahrung.“ Da kommt schnell der Gedanke auf, dass die „Alten“ in einer ganz anderen Zeit leben. Durch die Messlatte „damals“ wird „Heutiges“ von Älteren skeptisch gesehen. Deshalb sinkt das Verständnis für die Eigenarten der jungen Generation nach und nach. Ähnliches gilt für zu viele, wenn auch gut gemeinte Ratschläge. Man muss den Nachwuchs auch selbst Erfahrungen machen lassen und auch Fehler bei Entscheidungen verzeihen, ohne nachtragend zu sein. Die Hofübergeber waren auch einmal jung und haben auch nicht alles auf Anhieb richtig gemacht, wollen sich aber daran nicht erinnern. Wenn Jüngere Angst haben, Fehler zu machen, riskieren sie auch nichts, lernen nichts und kommen nicht weiter. Fehler sollten toleriert werden, Kritikgespräche müssen konstruktiv verlaufen, ohne Vorwürfe, ohne Verärgerung.

Ab wann sich Ältere tatsächlich alt fühlen, hängt stark von der inneren Einstellung, dem Gesundheitszustand und der Akzeptanz der jungen Generation ab. Obwohl Ältere ihren eigenen Gesundheitszustand, als „gut“ oder „sehr gut“ einschätzen, nehmen die Mobilität und die körperliche Kraft allmählich ab. Durch altersgerechte Arbeitseinteilung lässt sich das teilweise kompensieren. Es darf nicht zum Wettbewerb der Genrationen kommen, wer mehr Kraft hat, wer mehr leistet, wer mehr kann. Die Zusammenarbeit ist für alle ein Anpassungsprozess, bei dem immer wieder die Stellschrauben justiert werden müssen.
Die Zusammenarbeit wird durch übermäßige Kontrollen belastet und dadurch, dass jede Generation ihre Ideen der anderen aufdrängt. Wer Jüngeren nichts zutraut, macht sie unselbstständig. Jüngere möchten ihre eigenen Ideen realisieren, sie haben einen aktuellen Ausbildungsstand und sind anders qualifiziert als die Generation vor ihnen. Ältere sind oft enttäuscht, weil man sie nicht mehr um Rat fragt, nicht mehr auf sie hört, auch wenn sie sich einmischen. Wer sich unentbehrlich fühlt, erntet keine Zustimmung. Für die generationsübergreifende Zusammenarbeit ist die innere Einstellung wesentlich. Außerdem eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten.

Fazit

Die Eltern können von Glück sprechen, wenn sich jemand aus der Familie oder eines der Schwiegerkinder zur Übernahme eines Familienbetriebes entscheidet, die Firma nicht aufgegeben oder verkauft werden muss. Und für den ehrgeizigen Nachwuchs ist es schön, wenn er einen erfolgreichen Betrieb übernehmen kann und mit Freude eigenständig führt. Das gilt auch oder gerade am Bauernhof.

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AUTORRolf Leicher
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