Hopfengarten unter Strom

Agrarflächen für Photovoltaik zu opfern, ist höchst problematisch. Ein Projekt in Bayern will beweisen, dass landwirtschaftliche Produktion und Stromerzeugung durchaus auf derselben Fläche möglich sind.

Wimmer unter der Photovoltaikanlage aus Röhren: 40 Prozent weniger Einstrahlung – dafür wird es kühler und feuchter.

Es ist einer der letzten unter den vielen heißen Tagen dieses Jahres in der Hallertau – und Josef Wimmer bietet an, in den Schatten zu kommen. Nicht in irgendeinen, sondern in den Schatten, den eine Konstruktion aus Glasröhren bietet. Tatsächlich ist es hier merklich kühler und auch ein bisschen weniger hell. Es sind auch keine gewöhnlichen Glasröhren, die da montiert sind. Tatsächlich handelt es sich um neuartige Solarpaneele.
Wenn aufgeht, was sich Wimmer errechnet hat, sollen sie in seinem Hopfengarten wahre Wunderdinge leisten: In gut sieben Metern Höhe über seinen Hopfenranken sollen die Glasröhren gleichzeitig Strom produzieren, den sensiblen Pflanzen Kühlung verschaffen und auch noch einen weitgehenden Schutz vor Hagel bieten.

Die Tubesolar-Anlage soll über den Hopfengärten montiert werden und neben Strom auch Schutz vor Hagel liefern.

Was den Hagel betrifft, kennt sich Wimmer aus. Er ist nicht nur Hopfenbauer in Neuhub, einem kleinen Flecken in der Marktgemeinde Au/Hallertau; er ist auch Gutachter für Hagelschäden und war als solcher viel in den Obst- und Hopfenkulturen nördlich des Bodensees unterwegs. Auch auf dem eigenen 32 Hektar-Betrieb musste er mehrfach Hagelschäden hinnehmen. Allein im heurigen Jahr dürfte dieser sich auf 300.000 Euro belaufen haben. „Da hab‘ ich mir gedacht: Warum für den Hagelschutz Geld ausgeben, wenn man damit Geld verdienen kann?“, erzählt er. So ist er auf die Augsburger Firma Tubesolar gestoßen, die ihrerseits das Knowhow des Leuchtstoffröhrenherstellers Osram in der Herstellung von Glasröhren mit der Verkapselung flexibler PV-Streifen kombiniert. Flugs gründete er gemeinsam mit dem Hallertauer Handelshaus ein eigenes Unternehmen, um neben dem landwirtschaftlichen Betrieb auch einen förderungswürdigen Wirtschaftsbetrieb zu haben – und weckte damit das Interesse des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, das für den ersten Hektar Versuchsfläche die Bürgschaft übernimmt.

Quelle: Conrad Seidl
Hopfenbauer Josef Wimmer hat lange Erfahrung mit konventionellen Solarpaneelen.Seine Hopfenhalle war eine der ersten, die nebenbei Strom geliefert hat.

Immerhin kostet eine Pilotanlage für einen Hektar eine Million Euro. Die Pfähle der Anlage müssen aus Beton gegossen werden und nicht nur das Gewicht der Hopfenranken, sondern eben auch das der Solarpaneele tragen. Bei Sturm darf das Ganze nicht weggeweht werden – ein Schadereignis, das in vielen konventionell angelegten Hopfenkulturen droht. Wimmer ist optimistisch: Die Röhren böten dem Wind weniger Angriffsfläche als konventionelle Paneele – und auch als die Hopfenpflanzen, die im Spätsommer dicht und schwer in den Anlagen hängen. Und wie ist das mit den Niederschlägen? Regen und Schnee würden auf den runden Röhren abtropfen beziehungsweise abrutschen und diese auch noch reinigen. Gleichzeitig würde die Feuchtigkeit gut unter der Bedachung gehalten, in den immer trockener werdenden Sommern wäre das gerade für die traditionellen Hopfensorten (trockenheitsbeständigere Züchtungen werden von der Brauwirtschaft bisher schlecht angenommen) ein Vorteil.
Umgekehrt: Wird es dann unter den Paneelen nicht zu feucht, vielleicht auch zu dunkel? Wimmer weiß, dass da noch viele Untersuchungen anzustellen sind. Etwa 40 Prozent betrage die Beschattung, „ich sehe das als Risikoabsicherung für die Hopfenbaubetriebe in Jahren mit Wetterextremen. Zehn bis 15 Prozent Ertragseinbuße durch den Schatten sind leichter zu tragen als 30 bis 50 Prozent Einbußen durch Trockenheit und Hagel.“ Ob es zu feucht werden könnte und dann vielleicht Pflanzenschädlinge mehr profitieren als der Hopfen, das müssen die ersten Großversuche, die 2023 starten, allerdings erst zeigen.
Wenn die Sache gut geht, könnte daraus ein Projekt beachtlicher Größe werden: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sieht allein schon beim Hopfen ein „Riesenpotenzial“. Würden alle bayerischen Hopfengärten (in Summe mehr als 17.100 Hektar in der Hallertau und 400 Hektar in Spalt bei Nürnberg) mit Solarröhren „überdacht“, dann würde so viel Strom produziert wie im AKW Isar 2, dessen Abschaltung derzeit vorbereitet wird.
Und mit dem Hopfen allein wäre es nicht getan: Bewährt sich das System, so könnte es für viele andere Sonderkulturen adaptiert werden. „Alles, wo man Gerüste braucht, Obst, Wein, Himbeeren, aber auch Erdbeerfelder kämen in Frage“, sagt Wimmer. Wenn es einmal so weit ist, dann würden die Anlagen auch erheblich billiger, „wobei uns der momentane Strompreis ja jetzt schon hilft, früher rentabel zu werden.“


Conrad Seidl ist Redakteur der Tageszeitung „derStandard“.

- Bildquellen -

  • Hopfenbauer Josef Wimmer: Conrad Seidl
  • Tubesolar PhotovoltaikI: Conrad Seidl
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AUTORConrad Seidl
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