Die Chancen der Globalisierung durch die Stärken der Regionen nutzen – so könnte das Fazit des ersten offiziellen Österreich-Besuchs von EU-Agrarkommissar Phil Hogan lauten. Im Zuge seines Arbeitsbesuchs sprach Hogan mit den Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses und den Agrarspitzen, Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, LK Österreich-Präsident Hermann Schultes und Bauernbund-Präsident Jakob Auer, über die aktuellen EU-agrarpolitischen Herausforderungen.
Alleinstellungsmerkmale verstärkt nutzen
Ganz oben auf der Liste standen dabei das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und die nach wie vor schwierige Lage auf den EU-Agrarmärkten aufgrund des Russland-Embargos. Eine Chance für die europäische und insbesondere die österreichische Landwirtschaft sehen sowohl Hogan als auch Rupprechter im Export von Qualitätslebensmitteln. Pro 100.000 Euro Exportwert werde schließlich ein Job im ländlichen Raum geschaffen, betonte Hogan. “Beste Alleinstellungsmerkmale” der österreichischen Landwirtschaft, wie der hohe Bioanteil oder die garantierte Gentechnikfreiheit im Anbau, seien für die heimischen Landwirte zudem von Vorteil beim Export. Auch das System der geografischen Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel müsse man in Österreich noch besser nutzen. Die weltweit hohe Nachfrage nach Qualitätslebensmitteln und nachhaltigen Produktionsweisen könne Österreich zudem bedienen, betonte der Agrarkommissar. Was es dazu braucht, seien stabile Rahmenbedingungen. Deshalb sprach sich Hogan ganz klar für die Fortführung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus. Hinsichtlich der niedrigen Preise vor allem bei Milch und Schweinefleisch verwies der Kommissar auf das von ihm veranlasste Hilfspaket in Höhe von 720 Mio. Euro sowie auf seine Bemühungen, die Drittlandsexporte zu verstärken. Zu diesem Zweck wird Hogan unter anderem nach Kolumbien, Mexiko, China und Japan reisen. Auch Rupprechter will im Zuge der kürzlich vorgestellten Initiative “Best of Austria” verstärkt Lebensmittel exportieren. Diese Maßnahmen sollen helfen, die Situation auf den EU-Agrarmärkten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Für Rupprechter stand jedenfalls fest: “Phil ist ein Garant für Stabilität und Sicherheit.” Eine Halbzeitüberprüfung und die Initiative zur Vereinfachung der GAP sollen außerdem dabei helfen, die bürokratische Förderabwicklung für die Landwirte zu erleichtern.
Rascher TTIP-Abschluss eher unwahrscheinlich
Sicherheit forderten die heimischen Agrarpolitiker auch bei TTIP. Die Gespräche seien im Interesse der Landwirtschaft zu führen, betonte Auer. “Aber es ist klar, dass wir einem Abkommen nur dann zustimmen werden, wenn auch unsere Positionen erfüllt werden”, so Auer als Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses. Auch Schultes erklärte, dass die bäuerlichen Abgeordneten für ein Abkommen zum Nachteil der Landwirtschaft “nicht aufstehen” würden. Wie von Hogan mehrmals betont, braucht TTIP die Zustimmung aller 28 nationalen Parlamente und des EU-Parlaments, um in Kraft treten zu können. Allerdings warnte der Kommissar vor zu viel Emotion bei der TTIP-Debatte. Die heiklen Punkte aus dem Agrarbereich befänden sich bislang noch gar nicht in Verhandlung, so Hogan.
Bezüglich eines Abschlusses noch in der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama blieb Hogan skeptisch. Die USA müssten schon erheblich das Tempo bei den Verhandlungen anziehen, meinte Hogan, um 2016 noch eine Einigung zu erzielen. “Vielleicht werde ich von der amerikanischen Seite diesbezüglich überrascht.” Anzeichen dafür gebe es aber keine, so der EU-Agrarkommissar.