Hofnachfolge: Warum es sich lohnt alles schwarz auf weiß festzuhalten

Das Wohnrecht und seine Ausgestaltung sind wesentliche Punkte bei der Betriebsübergabe. Augenmerk verlangt auch das Thema „Ansprüche von weichenden Geschwistern“. Warum beides ordentlich und vor allem vertraglich geregelt gehört, erläutern zwei Rechtsexperten aus dem Agrarbereich.

Übernimmt eines der Kinder, sollte gleichzeitig mit dem Übergabevertrag auch ein Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen den Eltern und den weichenden Erben (Geschwister) beim Notar unterzeichnet werden.

Im Zuge der Hofübergabe wird ein großes Vermögen an die Übernehmer weitergegeben. „Da stellt sich die Frage: Was ist die Gegenleistung“, erklärt Gabriele Hebesberger, Juristin und Leiterin der Bezirksbauernkammer Kirchdorf-Steyr. Neben der etwaigen Übernahme von Verbindlichkeiten oder Auszahlungen ist das vor allem das Wohnrecht. „Diese Dienstbarkeit ist das eigentliche Kernstück des Übernahmevertrages“, meint Hebesberger. Zu diesem Zeitpunkt sollte daher auch die Wohnsituation geklärt sein. Denn im Vertrag werde die Übergabewohnung inklusive dazugehöriger und geteilt genützter Räume genau festgehalten.

Daneben soll auch die Mitnutzung von Garage, Garten, etc. vereinbart werden. „Viele werden sich denken: Wieso muss das denn so genau geregelt sein, das machen wir uns ja eh aus“, so Hebesberger, „aber wenn mit dem Übergeber etwas ist, dann haben die Eltern nur jene Rechte, die im Übergabevertrag stehen. Ein neuer Eigentümer könnte ihnen dann etwa untersagen, den Garten zu nützen.“ Auch die Tragung der Betriebskosten für das Wohngebäude gehört gere­gelt. „Bei aktiven Betrieben zahlt sie meist der Übernehmer. Wenn der Hof aber verpachtet ist und die Übernehmer arbeiten gehen, sehe ich immer wieder auch Konstellationen, wo die Übergeber die Betriebskosten selber zahlen oder die Rechnung in irgendeiner Form geteilt wird.“

Zurückhaltend wird aktuell noch das Thema Pflege vereinbart. „Momen­tan wird meist eine Pflegeorganisation vereinbart, also dass die Übernehmer verpflichtet sind, für geeignete Pflege zu sorgen.“ Mitunter wird in diesem Zusammenhang das Recht zur Aufnahme einer Pflegeperson beim Wohnrecht festgehalten. Naturalien spielen dagegen keine Rolle mehr – also die Pflicht den Übergebern beispielsweise jeden Tag eine warme Mahlzeit zu servieren oder einen Liter Milch pro Tag oder jedes Jahr eine halbe Sau. „Wenn zu diesem Thema was in den Vertrag kommt, dann dass die Eltern sich an den hofeigenen Lebensmitteln bedienen können.“

Aber nicht nur das Wohnrecht der Übergeber wird ausbedingt, sondern fallweise auch das von Geschwistern. Hier mahnt die Expertin zur Vorsicht. „Das gehört unbedingt befristet. Etwa um das 30. Lebensjahr. Auch wenn man sich gut versteht. Das muss sich nicht, aber kann sich ändern und dann ist man als Übernehmer froh.“ Schon gar nicht würde Hebesberger einem Wohnrecht für Geschwister auf den ledigen Stand – wie früher üblich – zustimmen. „Denn oft heiraten Bruder oder Schwester nicht und sind dann mit
70 noch immer am Betrieb.“

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Die Dienstbarkeit des Wohnens ist ein Kernstück des Übergabevertrages.

Weichende Erben bei Pflichtteilsverzicht

Warum das Thema weichende Erben und Verzichtserklärung so wichtig ist, bringt Bauernbund-Jurist Wolfgang Raab auf den Punkt: „Weil so im Extremfall eine wirtschaftliche Katastrophe verhindert werden kann. Ein vertraglicher Verzicht ist ein wirksames Mittel, um spätere Forderungen zu verhindern.“ Zur Erklärung: Grundsätzlich wird der Hof zu Lebzeiten übergeben, also zu einem Zeitpunkt, wo noch keine Erbansprüche bestehen. Damit kann aber weder der Übernehmer den Hof verlangen, noch die Geschwister einen Geldbetrag (Pflichtteil) fordern. „Jetzt wäre es aber ungeschickt immer zu warten, bis jemand stirbt und dann erst zu übergeben“, erläutert Hebesberger. Deswegen werde der Erbzeitpunkt auf die Übergabe vorverlagert. Damit gehört aber auch genau geregelt was die Geschwister, die sogenannten weichenden Erben, bekommen. Umgangssprachlich würde man sagen, was sie ausbezahlt bekommen.

Dabei können auch gewisse Vorleistungen (z. B. ein geschenktes Auto oder die Finanzierung einer Ausbildung) angerechnet werden. „In erster Linie ist das Thema Auszahlung Aufgabe der Eltern bzw. Vereinbarungssache zwischen ihnen und den weichenden Erben. Naturgemäß sind die Eltern ja daran interessiert alle Kinder gerecht zu behandeln und gut versorgt zu sehen“, erklärt Raab. Im Idealfall sei dann zum Zeitpunkt der Übergabe bereits alles geregelt und die Geschwister haben ihren Teil bekommen. In diesem Zusammenhang sinnvoll und unbedingt anzustreben ist die Unterzeichnung eines Pflichtteilsverzichts der Geschwister.

Denn auch wenn der Betrieb vor Jahren übernommen wurde, vielleicht schon wieder an die eigenen Kinder weitergegeben wurde, kann im Todesfall der (Groß)Eltern das Erbrecht schlagend werden. „Dann kann etwa der Bruder sagen: Du hast damals Haus und Hof bekommen, das ist vielmehr wert als ich ausbezahlt bekommen habe. Und dann wird‘s unangenehm“, schlussfolgert Hebesberger.

Ein Pflichtteilsverzicht verhindert so etwas. „Denn hierbei verzichten die weichenden Erben gegenüber den Eltern auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach deren Tod“, erklärt Raab. Das heißt, der Verzicht ist rechtlich bindend. Voraussetzung dafür sei die Form des Notariatsakts und die Geschäftsfähigkeit der Erben. „Das heißt bei minderjährigen oder beeinträchtigten Geschwistern ist ausnahmsweise ein solcher Pflichtteilsverzichtsvertrag nicht möglich“, führt der Experte weiter aus.

Anerbenrecht: Letzte Instanz bei Streitigkeiten

Unterbleiben entsprechende Regelungen, gibt es zum Glück noch das Anerbenrecht. Dabei handelt es sich um ein bäuerliches Sondererbrecht, das dem Schutz von landwirtschaftlichen Betrieben dient. Es sieht vor, dass nur ein einziger Erbe den Hof in geschlossener Form erhalten kann. So wird die Gefahr von zerstückelten nicht mehr lebensfähigen Höfen gebannt werden.

Vor allem aber gibt das Gesetz Regeln hinsichtlich der Auszahlungsbeträge vor. Demnach sollen diese nur so hoch sein, dass der Betrieb gut weiterleben kann. „Keinesfalls sollen sie dazu führen, dass ein Grundstück verkauft werden muss“, erklärt Hebesberger. Knackpunkt beim Anerbenrecht: Es findet nicht auf alle bäuerliche Betriebe Anwendung. „Das Anerbenrecht wird nur dann schlagend, wenn der Ertrag des sogenannten ‚Erbhofs‘ ausreicht, dass davon eine Person leben kann“, so Raab. Darunter würden zahlreiche Höfe fallen, aber eben auch viele kleinere nicht. Hinsichtlich einer Hektar- oder Einheitswertzahl will sich der Experte nicht festlegen. Das sei von Region zu Region unterschiedlich und im Zweifelsfall von einem Sachverständigen zu beurteilen. Auch Hebesberger hält sich hier vage: „Betriebe mit zehn Hektar, die einen Einheitswert von 6000 Euro haben und vielleicht schon eine Zeit lang verpachtet sind – ob diese unter das bäuerliche Sondererbrecht fallen? Sicher bin ich mir da nicht.“

Im schlimmsten Fall, also ohne Pflichtteilsverzicht und Anwendbarkeit des Anerbenrechts, werden die Ansprüche der weichenden Erben anhand des Verkehrswerts berechnet. „Dann wird es zum Verkaufen“, zeigt sich Hebesberger wenig optimistisch. Ebenso Raab: „Bei den hohen Beträgen, die da in der Regel fällig werden, wird es ohne Zerstückelung des Hofs nicht gehen.“ Gerade deshalb sei ein Pflichtteilsverzicht so wichtig, sind sich die Rechtsexperten einig. Auch wenn das bedeutet, dass man dafür im Zeitpunkt der Hofübergabe Zugeständnisse bei den Forderungen der Geschwister machen muss.

Im ersten Teil der Hofübergabe-Serie werden die zentralen Punkte des Übergabevertrages abgehandelt.

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AUTORElisabeth Hasl
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