Grünland: Nachsaat braucht einen langen Atem

Ertragreiche Vielschnittwiesen brauchen permanenten Saatgutnachschub mit hochleistenden Gräsersorten. Erfahrungswerte aus der Praxis zeigen, dass sich wiederholte Einsaaten auch rechnen.

Eine „Reparaturmischung" mit Raygras und Rotklee verhilft lückigen Wiesen bei guter Futterqualität zu einem schnellen Narbenschluss.

Einmal ist keinmal, dieses geflügelte Wort gilt auch für die Nachsaat im Grünland. Viele Grünlandbauern mussten bereits die Erfahrung machen, dass insbesondere nach einer erst- bzw. einmaligen Einsaat der erhoffte Ertragsschub ausgeblieben ist. Aufgrund dieser Erfahrung besteht oftmals eine Scheu, die Einsaat zu wiederholen. Gerade in der Wiederholung der Einsaat liegt aber das Patentrezept, um Spitzenerträge zu erreichen. 40-jährige Grünlanderfahrung zeigt, dass wiederholte Einsaaten auch wirtschaftlich am besten abschneiden.
Wirkliche Einsaaterfolge werden meist erst nach mehreren konsequenten Einsaaten erreicht. Eigene Erfahrungen in NÖ zeigten, dass der Ertrag erst im dritten konsequenten Einsaatjahr mit einem überwältigenden Ertragsschub der eingesäten Gräser samt Klee geradezu explodierte.

Quelle: Hans Humer
Knaulgras bringt in Vielschnittwiesen auch unter Trockenheit sichere Erträge. Auf dieser Wiese in Feistritz am Wechsel (NÖ) brauchte es drei Einsaaten bis das Knaulgras dominierte.

Bereits die dritte Wiederholung ist gewinnbringend

Die Kosten für 20 kg Einsaat je Hektar liegen für Vorbereitung und Saat bei 200 bis 300 Euro. Für drei Einsaatjahre fallen somit Einsaatkosten von insgesamt 600 bis 900 Euro an, für fünf Einsaatjahre 1.000 bis 1.500 Euro. Damit sich dieser Aufwand lohnt, müssen entsprechende Mehrerträge zurückfließen.
Nach eigenen Schätzungen bringen mehrjährig wiederholte Einsaaten bei gutem Erfolgt folgende aufsummierte Mehrerträge:
• bis zum dritten Jahr 2.500 kg TM/ha,
• bis zum vierten Jahr 5.500 kg TM/ha und
• bis zum fünften Jahr kumulativ 8.000 kg TM/ha.
Würde man auf Einsaat verzichten und die damit eingesparten Aufwendungen für den Zukauf von Heu verwenden, dann könnte man bei einem Heupreis von 0,25 Euro/kg für drei Einsaatjahre eine Heumenge von etwa 2.400 bis 3.600 kg erwerben. Bei fünf Einsaatjahren lauten die entsprechenden Mengen auf 4.000 bis 6.000 kg Heu.
Der Vergleich mit den aufsummierten Mehrerträgen zeigt, dass eine konsequente und gelungene drei- bis fünfmalige Einsaat bereits um das dritte Jahr herum vorteilhafter gegenüber dem Zukauf von Heu abschneidet. Eine gelungene Einsaat spielt neben den Kosten auch einen Zugewinn herein.

Mehrschnittwiesen erfordern gezielte Nachsaat

Das Erfordernis der Nachsaat ergibt sich aus der Tatsache, dass hochleistende Vielschnittwiesen nach drei bis vier Jahren ein Viertel bis ein Drittel der Erträge des ersten Ertragsjahres verlieren. Nach vier bis sechs Jahren erschöpft sich bei allen Futtergräsern die beste Ertragsleistung. Bei Feldfutter ist nach zwei bis drei Nutzungsjahren der Ertrag am Ende und ein Neuanbau wird erforderlich.
Nur Wiesenwildfutterpflanzen regenerieren sich selbst bei Ein- bis Zweischnittnutzung mit ihrer meist viel niedrigeren natürlichen Ertragsleistung, aber mit einem massiven Samenausfall genetisch oder vegetativ, durch Ausläufer. Extensivgrünland mit geringer Nutzung hat eine natürliche, viel dichtere Narbe und braucht keine Nachsaat, außer die Narbe ist mechanisch zerstört.
Bei starkem Gräserverlust oder Narbenverletzung müssen aber auch extensive Biowiesen eingesät werden. Bei Glück sind in der Praxis mitunter auch gute einmalige Einsaateffekte erzielbar. Ohne Einsaat würden blühende Kräuter auf kommen, die nur geringen Futterwert und Ertrag liefern.
Ertragreiche Vielschnittwiesen brauchen demgegenüber einen permanenten Saatgutnachschub mit hochleistender Genetik. Nur beste Genetik mit neuen und gesunden Gräsersorten liefern Spitzenleistungen. Bei der Auswahl des Saatguts sollte man keinesfalls der Versuchung durch Billig-Saatgutmischungen erliegen.

Mit Strategie und Feintuning den Erfolg optimieren

Bei Wieseneinsaaten herrschen selten ideale Wachstumsbedingungen. Voraussetzungen für den raschen und guten Aufgang sind:
• genug Bodenfeuchte bzw. Niederschlag,
• keine konkurrierende Verunkrautung und
• kein Altnarbenfilz.
Wetterbedingt gibt es zudem oft nur begrenzt Zeitfenster, in denen Einsaaten gelingen. Die Unverlässlichkeit des Erfolgs der Einsaat verursacht Enttäuschung und Abkehr. Mit einer gezielten Strategie kann man die nachteiligen Einflüsse aber ausschalten (siehe  „Einsaat mit Strategie“).
Zum „Feintuning“ der Nachsaat zählt schließlich die Wahl der geeigneten Gräserarten. Dabei gilt es, die Futterwertzahlen und Eigenschaften der Gräser zu kennen und die lokal bestwüchsigen Gräser für die Nachsaat auszuwählen. Die Gräserzusammensetzung unserer Futterwiesen ist individuell durch die Standortbedingungen bestimmt. Welcher Ertragserfolg mit einer Nachsaat erreichbar ist, hängt deswegen auch von der standortspezifischen Auswahl gut wüchsiger Futtergräser und Kleearten ab.

Je nach Standort die passenden Gräser wählen

Vorsicht geboten ist bei den am Markt verfügbaren vorkonfektionierten Pauschal-Einsaatmischungen. Hier können standörtlich gut wüchsige Arten fehlen und dafür andere, weniger geeignete im Übermaß enthalten sein.
Nur örtlich gut wüchsige Arten bringen den Drive für den Futterschub. Sie sind die, die sich lokal optimal entfalten. Den größten Einsaaterfolg verspricht das Feintuning mit lokal individueller Einsaat bestwüchsiger Gräser. Natürlich mit Neuzüchtungen. So entstehen hoch betriebsindividuelle Einsaatmischungen, die exakt den Standortansprüchen und Lage der Futterwiesen gerecht werden. Ertragreiche und Zugewinn bringende Wieseneinsaaten basieren auf permanent wiederholter Einsaat. Eine sofortige Ertragsverbesserung ist selten bereits im Folgejahr erreichbar. Erst nach etwa drei Jahren ist mit einem deutlichen Ertragssprung zu rechnen. Besonders bei krassem Schwund an wertvollen Wiesenpflanzen bringen wiederholte Einsaaten den stärksten Ertragsschub. Viele Grünlandbetriebe versuchen zwar Einsaaten, sind aber häufig nicht erfolgreich und unzufrieden. „Drüberfahren mit Maschinenring mit Pauschalmischungen“ ist zu wenig. Es kommt auf den Standort und die richtigen Gräser samt Management an.
Der Erfolg liegt in der Individualität der Einsaatmischung und samt ihrer ständigen Adaption an den heranwachsenden Pflanzenbestand. Wenn eine Grasart schon genügend vorhanden ist oder sich nicht durchsetzt, ist es sinnlos und sogar einkommensschädigend, solche Arten mit Pauschalmischungen immer wieder auszusäen. Auch beim Dauereinsatz immer gleicher Mischungen können bestimmte Arten überhandnehmen und ertragsmindernd wirken. Wer Pauschal-Einsaatmischungen verwendet, kann auch hier durch einen jährlichen Wechsel der Mischung (z. B. von unterschiedlichen Anbietern) für Abwechslung beim Sortenspektrum sorgen und so die Ertragssicherheit verbessern.
Ein Splitting der Saatmenge auf zwei Einsaattermine verbessert weiter die Zuverlässigkeit von Einsaaten. Bei dauerhaft erreichter Ertragsverbesserung kann die jährliche Einsaatmenge reduziert werden. Wo Gräser intensiv und ertragreich genutzt werden, ist wegen ihrer Kurzlebigkeit dennoch eine permanent wiederholte Auffrischung erforderlich.

Was die Sätechnik betrifft, so hat sich in vielen Versuchen keines der Geräte bzw. Verfahren als „klar überlegen“ erwiesen. Wichtig ist generell, dass die ausgesäten Samen auf offenen Boden fallen.

Quelle: Hans Humer
„Schlafsaateffekt“ bei Rotklee: Im Jahr 2018 eingesät, heuer voll zur Wirkung gekommen. Der abgebildete Bestand ist in der Region Rennweg/Katschtal in Kärnten zu finden.

Einsaat mit Strategie
Jährliche Wiederholung steigert den Erfolg

Die Ertragskraft von Vielschnittwiesen sichert man am besten durch wiederholte Einsaaten. In der Versuchspraxis haben sich jährlich wiederholte Saaten bewährt. Durch die wiederholte Einsaat lassen sich Unzulänglichkeiten bei Keimbedingungen und Witterungsverhältnissen am besten ausgleichen. Ähnlich wie bei der „Schlafsaat“ auf Almen schafft die wiederholte Einsaat eine schlummernde Samenbank im Boden. Bei günstigen Keimbedingungen wie Regen und verletzten Grasnarben kann dieser Samenvorrat spontan keimen und gleichzeitig die Unkrautentwicklung hemmen. Bei der wiederholten Einsaat haben sich folgende Vorgangsweisen am besten bewährt:
Regeneration mit Kleinmengen:
Hier werden jährlich kleinere Mengen von 5 bis 10 kg/ha ausgesät. Auch für bereits gut regenerierte Wiesen ist dies zu empfehlen. Denn dadurch baut sich im Boden ein Samenvorrat auf („Schlafsaat“), der einen allfällig einsetzenden Ertragsabstieg ausgleicht.
Das Risiko von wetterbedingt schlechten Aufgängen kann man zusätzlich durch Saatsplitting entgegenwirken. Standardsaattermin für die Ein- bzw. Nachsaat ist immer der Spätsommer von Ende August bis Anfang September. Dieser Termin ist im Wiesenmanagement fix einzuplanen. Ein zweiter Saattermin zielt auf eine flexible Schnellreparatur von Narbenlücken. Verletzte wie handgroße offene Grasnarben sind im Frühjahr und nach der Ernte zu schließen. Das erspart Unkrautbekämpfung, gleichzeitig verbessert es Ertrag und Qualität. Bei knappem Futter und immer düsteren Klimaaussichten, zählt gutes Futter von jedem Quadratmeter.
Schnellreparatur bei Narbenlücken:
Wenn am Standort schnellwüchsige Arten wie Raygras und Rotklee gut anspringen, dann können diesen zwei Arten schon im Folgejahr bis zu fünf Tonnen pro Hektar Mehrertrag auf den offenen Wiesenstellen bringen. Mit Raygras und Rotklee lassen sich kurzzeitige und spontane Ertragserfolge realisieren. Sie sind für rasch narbenschließende Ausbesserungssaaten ein tolles Gespann. Rotkleeanteile von fünf bis 15 % verbessern jede Futterwiese in Qualität und Ertrag. Aber Vorsicht! Beide Arten verlieren in unserem Klimagebiet bei Schnittnutzung in zwei bis drei Jahren rasch an Ertrag.
Sämtliche Einsaatverfahren zielen auf dichte Grasnarben und die rasche Heilung von Narbenverletzungen ( z. B. durch Wildschweine, Feldmäuse, Wühlmäuse, Maulwürfe, Engerlinge ebenso wie durch Viehtritt, Erntearbeiten und Auswinterung). Dichte Grasnarben verhindern auch die gefürchtete Futterverschmutzung durch Keime und Fehlgärungen. Raygras und Rotklee gehören zudem zu den heimischen Wiesenpflanzen mit höchster Futterqualität bei Rohprotein und Energie.


Wechselwiesen haben viele Vorteile

Ergänzend zur Thematik Einsaat ist darauf hinzuweisen, dass eigentlich die Wechselwiesenwirtschaft, wo immer sie möglich ist, den Einsaaten ökologisch und ertraglich deutlich überlegen ist. Der Fruchtwechsel hat folgende günstige Eigenschaften:
• Er mobilisiert verlagerte Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten,
• er verbessert die Effizienz der Düngung,
• dämpft den Unkrautdruck und
• er verhindert, dass Dauerwiesenschädlinge wie Engerlinge durch dieses Dauermonokultursystem immer virulenter und großflächiger werden.
Wechselwiesenwirtschaft mit regelmäßigem Wiesenumbruch unterbricht die Grasmonokultur in der sich Unkräuter und Schädlinge immer massiver akkumulieren. Die jahrhundertelang bewährte, umweltschonende, gute fachliche Wechselwiesen-Praxis (Egart) mit ihren vielen Vorteilen, kennen und bestätigen heute meist nur mehr erfahrene Altbauern.


DI Hans Humer ist selbständiger Berater für Futterwiesen- und
Grünlandmanagement
Beratungsanfragen unter E-Mail: johann.humer@gmail.com
bzw. im Internet unter futterwiesenexpertehumer.com

 

- Bildquellen -

  • 03 2007 0514 Feistritz Knaulgraswiese: Hans Humer
  • 02 2020 Ktn Ramsb Rkle Nach 2j Best: Hans Humer
  • 01 Raygras U Rotklee Reparaturmischung: Hans Humer
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